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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Die Aubette in Strassburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0070

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Restaurants

Frau Daeuber-Arp als Gestaltungsmittel die be-
stimmt begrenzte und bestimmt in Farbe ge-
setzte Fläche geschaffen und benutzt hat, ohne
malerisches Verwischen oder toniges Verfließen.
Durch reliefartiges Versetzen der Flächen wird
diese disziplinierte Farbgebung noch verstärkt.
Als Farbe fungieren auch die Materialien, das
farbige Kunstleder, der farbige Linoleumbelag,
das Glas, Email, Aluminium, Nickel, Neusilber,
das Hartgummi der Türgriffe.

In ähnlichem Sinn ist das Licht als raumbilden-
der Faktor verwendet. Die Fenster- und Tür-
ausschnitte sind bestimmt und scharf heraus-
geschnitten in den Raum eingesetzt, das Tages-
licht ist durch sehr hohe und große Fenster in
reichlichem Maße eingeführt. Der große und
kleine Festsaal sind bei künstlichem Licht direkt
beleuchtet durch Glühbirnen, die in Emailflächen
eingeschraubt sind. Kaffee und Restaurant sind
auf sehr interessante Weise indirekt beleuchtet:
über den Beleuchtungskörpern sind spiegelnde
Flächen an der Decke angebracht, die organisch
in die Deckenbemalung einbezogen sind. Der
Kabarettraum wird indirekt durch auf Nickel-
rohren befestigte Zeißreflektoren beleuchtet.

Ebenso ist nach der formalen Seite hin ver-
sucht worden, Türen, Fenster, Lichtträger, die
festen Möbel aus Beton, wie die Bartische, die
Ventilatoren und die Heizkörper fest gebunden in
den Raumorganismus einzusetzen. Ob diese Ein-
ordnung konstruktiv-organisch geschieht, so daß
die Form als Organismus der Endzweck ist, oder
ob versucht wird, ähnlich wie mit der Farbe einen

Raum in einem neuen Sinn als Ablauf räumlicher
Energie zu bilden, läßt sich schwer sagen. Viel-
leicht aber sind hier tatsächlich Ansätze — im
Gegensatz zu einer physikalisch-konstruktiven
Auffassung — zu einer Raumdynamik, die nicht
an die Form gebunden ist, sondern die erst dem
räumlich-zeitlichen Erleben des nicht konkreten
Raumes sich erschließt.

Trotz mancher Starrheit der Raumgebilde der
Aubette, besonders in der formalen Darstellung,
ist etwas Gesundes in der Auffassung des Archi-
tekten. Es ist eine vitalere und stärker verinner-
lichte Einstellung gegenüber dem Raumbegriff
und eine künstlerische Darstellung, die über
sachliches Konstruieren weit hinausgreift. Doch
wehe, wenn mit diesen formalen Ornamenten
eine Manier entsteht, wenn bescheidene Kräfte
die Formen nur sehen und nicht den gestalten-
den Willen und diese aufgreifen. Sachlichkeit
und konstruktive Klarheit sind fast konkrete Maß-
stäbe, die auch von schwächeren Kräften einge-
halten werden können, und die Gewähr für eine
gewisse breite anständige Haltung der Architek-
tur bieten. Das, was Doesburg verfolgt, wird
nur von selten Begnadeten geschaffen werden,
vorausgesetzt, daß nicht neue Schrittmacher
einer neuen Haltung zur Welt und zur Gestaltung
auftreten. W. L.

Anschriften der Mitarbeiter dieses Heftes:

Professor H. de Fries, Düsseldorf, Staatl. Kunstakademie
Johanna S c h ü t z - W o I f f, Schwabendorf Post Rauschenberg
Theo van Doesburg, Herausgeber des „Stijl", Clamart-Iez-Paris,
Avenue Schneider 64

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