Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

DOI Artikel:
Reinhardt, Ernst: Gestaltung der Lichtreklame
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0105

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Werte bei Nacht sichtbar zu machen, man kann
sogar sagen: sich des Lichtes als Bausubstanz
zu bedienen. Wir bezeichnen hier mit Bausub-
stanz nicht die Materialien, die ja nur Mittel sind,
um die Substanz zu schaffen; Wände, Türen,
Dach, Fenster sind nur Mittel, um Räume und
Lichtwege zu schaffen. Der Architekt soll ja
Räume bilden, das ist die eigentliche Substanz,
die er formt. Die alten Ägypter oder die Baumei-
ster der Gotik haben mit Raum als Lichtträger
gebaut, nur konnten sie das Licht nicht schaf-
fen, sondern das Tageslicht in Abstufungen von
Verdunkelung anwenden, um damit dem Raum
einen lebendigen Gehalt zu geben. Das Licht ist
daher zum Raumbegriff gehörig; ohne Licht er-
kennen wir den Raum nicht, er muß in stärkerem
oder schwächerem Grade lichterfüllt sein. All
unsere künstlerischen Begriffe und Maßstäbe
klammern sich an Materie und an Masse, alle Auf-
nahmefähigkeit für künstlerische Elemente wie
Raum, Licht, Äther ist infolge der materialisti-
schen Kunstauffassung verkümmert. Ohne einen
Sinn für Kraftströme, für Ätherbewegung, für
Kraftfelder in den Körpern und um sie herum
hätten die Orientalen wie die Gotiker ihre Werke
nicht schaffen können. Die moderne Physik mit
ihrer Erkenntnis der Strahlen, die Tatsache des

Radio und der Heilwirkungen durch Bestrahlung
werden unsere Sinne für Kräfte in und hinter der
Materie wieder entwickeln.

Dieser kurze Ausblick schien mir notwendig,
um die Rolle des künstlichen Lichts in der moder-
nen Architektur schildern zu können. Betrachten
wir ein Fabrikgebäude, das sehr viel Fenster-
flächen enthält, bei Tag, so sehen wir nur den
Bau als plastisches Gebilde, sehen wir ihn
nachts erleuchtet, so werden die Wände nur Be-
grenzung, der Raum, das Innere wird der Vorstel-
lung greifbar. Er bekommt dadurch viel stärkere
Beziehungen zum Raum, der ihn umgibt. In der
modernen Geschäftshausarchitektur beginnt man
allmählich diese Werte, die eine reine Zweck-
beleuchtung der Innenräume für den Beschauer
des Gebäudes von außen her ergeben, zu erken-
nen und als Gestaltungsmittel zu berücksichti-
gen. Alles Detail, alle Wirkung des Materials,
verschwindet bei Nacht vor der Gegensätzlich-
keit schwarzer Flächen und heller Räume. Es
soll nicht gesagt werden, daß der Architekt bei
der architektonischen Komposition für den nächt-
lichen Eindruck bauen soll, aber der nächtliche
Eindruck ist gewissermaßen ein Prüfstein für die
architektonische Qualität des Baues, weil alles,
was dem Bau vom Material hergegeben wird und

Lokomotive

(Hanomag) bei Nacht. Die Scheinwerfer reißen die Dunkelheit auf. Räumlich bewegte Lichtgebilde

75
 
Annotationen