Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0494
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Jäckh, Ernst: Idee und Realisierung der Internationalen Werkbund-Ausstellung "Die neue Zeit" Köln 1932
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Güter- und Warenverkehr, aus allen und eige-
nen Rheinhäfen.
Dieser wirtschaftlich-geographische Aspekt
hat auch seine geschichtliche Prägung: Römer-
stadt als Veteranen-,,colonia"; fränkische Kö-
nigspfalz, erzbischöfliche Stadt als Stütze der
Reichsgewalt und Klostersiedlung mit monarchi-
scher ratio; Zentrum romanischer Kirchenherr-
lichkeit eines kosmopolitischen Mittelalters eben-
so wie der größten gotischen Kathedrale, aus
der Mystik kommend und durch die Romantik be-
schlossen; Weltfreudigkeit und Sinnenheiterkeit
einer alttechnischen universitas artium in der
„Kölner Schule"; seltene Fülle von originalen
Museen aus bürgerlichen Sammlungen und Stif-
tungen; einst schon erste Handelsstadt des
nördlichen Europas, dann Schauplatz kommuni-
scher Ideen und einer Ständedemokratie; später
Hauptstadt eines schaffenden Industrielandes;
schließlich auch preußische Festungsenge; und
jetzt werdende Weltstadt. All diese und andere
Züge haben in ein Stadtbild sich eingeschrieben,
eingezeichnet, unvergleichlich, einzigartig zu ge-
nießen vom Ausstellungsgelände aus, dem sich
die wundervolle alte und wieder junge Stadt als
eigene „Ausstellung" darbietet.
Geographisches, Wirtschaftliches, Geschicht-
liches und Kulturelles faßt der Kölner Oberbür-
germeister selbst so zusammen:
„Wir, die am Rhein leben, deren Wiege an seinen
Ufern stand, sind uns des Zaubers seiner Land-
schaft, der Kulturkraft rheinischen Bodens voll be-
wußt. Wie unsere Ahnen so haben auch wir den
Schicksalshauch verspürt, der seit Jahrhunderten
über dieses deutsche Kernland weht. Das Erbe
unserer Väter ist uns nicht mühelos in den Schoß ge-
fallen, wir müssen es uns täglich neu erwerben, in-
dem wir aufbauten, was zerfiel und neue Werte er-
stehen lassen. Köln, die rheinische Metropole, hat
eine reiche Tradition zu pflegen und eine Jahrhun-
derte alte Führerstellung im deutschen Westen neu
zu befestigen. Seine günstige Verkehrslage am
Schnittpunkt der internationalen Nord-Süd- und
West-Ost-Straßen, seine Aufgabe als Kulturbrücke
nach den westlichen Nachbarn hin sind ihm geblie-
ben. Wer sich erinnert, daß Köln fast hundert Jahre
preußische Festung war, wird die außerordentlichen
Anstrengungen verstehen, die Köln im letzten Jahr-
zehnt auf allen Gebieten kommunaler Betätigung
gemacht hat. Was in Jahrzehnten versäumt werden
mußte, ist in wenigen Jahren aufgeholt worden. Köln
hat wieder seine Universität, hat einen neuen Han-
delshafen und Industriegelände, hat wieder Raum
für die ständig wachsende Zahl seiner Bewohner,
hat Grüngürtel, Siedlungsland und weiträumige Anla-
gen für Erholung und Sport, hat seine Messe und
hervorragend gelegene Ausstellungshallen. Köln ist
heute nicht bloß das große Handels- und Industrie-
zentrum, es ist auch wieder die Verkehrs- und Frem-
denstadt am Rhein, weil zu der Anziehungskraft sei-
ner altehrwürdigen Baudenkmäler und berühmten
Museen und seines fröhlichen Lebens Errungen-
schaften moderner städtebaulicher und gartenkünst-
lerischer Kultur getreten sind. So soll und wird Köln
eine der Städte bleiben, die deutsches Wesen und
Wollen lebendig verkörpern, zugleich ein Hort rhei-
nischer Eigenart, aber auch gastliche Stätte für
alle, die sich seinen Toren nähern. Altes und Neues
mischt sich in der Domstadt zu einer vorwärtsdrän-
genden Entwicklung, deren Tempo den Besucher
beim ersten Schritt in die Stadt gefangen nimmt.
Eine werdende Weltstadt, das ist das Köln von
heute."
Der dies schreibt, hat seinen historischen An-
teil an solcher Entwicklung: selbst „Städtebau-
er" — nicht von Beruf, aber aus Berufung, die
ihn Vorkriegsfesseln ebenso überwinden läßt wie
Nachkriegsdruck, mit den staatsmännischen
Qualitäten von Intuition, Initiative und Courage,
die ihn auch den Ausstellungssinn der „Neuen
Zeit" sofort erfassen und halten ließ. Der Stadt-
verordnetenbeschluß vom 18. rJuli 1929 und
die Konstituierung des Ausstellungsvereins am
22. Juli ermöglichen die Realisierung in Köln.
Der Kölner Ausstellungspolitik hat der Bau-
direktor ein Ausstellungsgelände zu- und vor-
bereitet: eine Rheinfront, die den Strom als
städtebauliches Verbindungsglied gewinnt und
die ihm zwei Fronten, zwei Städtebilder sichert,
das alte und das neue, drüben wie hüben, eines
reizvoller als das andere, sei es von der Terrasse
im Westen oder von der Bastei im Osten des
Stromes aus.
Nicht nur als originale Stadt-Individualität
(samt dem größten Stadion und mit großen Saal-
bauten für die Veranstaltungen der „Neuen
Zeit") — auch als wachsendes Glied eines noch
größeren Organismus gewinnt das vielseitige
Köln seine Bedeutung: als Teil jenes deutschen
Westens und seiner weltwirtschaftlichen Ver-
flochtenheit, eines lebensspendenden Kraftfelds
von geradezu amerikanischer Quantität und
Qualität. Vorstellungen wie Rheinland-West-
falen oder wie Rheingenossenschaft Köln-Frank-
furt oder wie Rhein-Einheit Basel-Rotterdam
bringen Aufgaben jeder Art, jeder Richtung,
jeder Dimension in unser Bewußtsein — euro-
päische Probleme, zu deren Klärung und Förde-
rung die Ausstellung dienen soll.
Lokales und Landschaftliches, Geschicht-
liches und Geographisches, Menschliches und
Städtebauliches, Ausstellungstechnisches und
Neuzeitliches, Nationales und Internationales,
Wirtschaftliches und Politisches--in irgend-
einer Form und Quantität hat jede deutsche
Großstadt irgendeine Mischung davon: Köln hat
die Qualität einer Gesamtheit solcher Eigen-
schaften und Elemente, die sich gegenseitig
steigern.
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nen Rheinhäfen.
Dieser wirtschaftlich-geographische Aspekt
hat auch seine geschichtliche Prägung: Römer-
stadt als Veteranen-,,colonia"; fränkische Kö-
nigspfalz, erzbischöfliche Stadt als Stütze der
Reichsgewalt und Klostersiedlung mit monarchi-
scher ratio; Zentrum romanischer Kirchenherr-
lichkeit eines kosmopolitischen Mittelalters eben-
so wie der größten gotischen Kathedrale, aus
der Mystik kommend und durch die Romantik be-
schlossen; Weltfreudigkeit und Sinnenheiterkeit
einer alttechnischen universitas artium in der
„Kölner Schule"; seltene Fülle von originalen
Museen aus bürgerlichen Sammlungen und Stif-
tungen; einst schon erste Handelsstadt des
nördlichen Europas, dann Schauplatz kommuni-
scher Ideen und einer Ständedemokratie; später
Hauptstadt eines schaffenden Industrielandes;
schließlich auch preußische Festungsenge; und
jetzt werdende Weltstadt. All diese und andere
Züge haben in ein Stadtbild sich eingeschrieben,
eingezeichnet, unvergleichlich, einzigartig zu ge-
nießen vom Ausstellungsgelände aus, dem sich
die wundervolle alte und wieder junge Stadt als
eigene „Ausstellung" darbietet.
Geographisches, Wirtschaftliches, Geschicht-
liches und Kulturelles faßt der Kölner Oberbür-
germeister selbst so zusammen:
„Wir, die am Rhein leben, deren Wiege an seinen
Ufern stand, sind uns des Zaubers seiner Land-
schaft, der Kulturkraft rheinischen Bodens voll be-
wußt. Wie unsere Ahnen so haben auch wir den
Schicksalshauch verspürt, der seit Jahrhunderten
über dieses deutsche Kernland weht. Das Erbe
unserer Väter ist uns nicht mühelos in den Schoß ge-
fallen, wir müssen es uns täglich neu erwerben, in-
dem wir aufbauten, was zerfiel und neue Werte er-
stehen lassen. Köln, die rheinische Metropole, hat
eine reiche Tradition zu pflegen und eine Jahrhun-
derte alte Führerstellung im deutschen Westen neu
zu befestigen. Seine günstige Verkehrslage am
Schnittpunkt der internationalen Nord-Süd- und
West-Ost-Straßen, seine Aufgabe als Kulturbrücke
nach den westlichen Nachbarn hin sind ihm geblie-
ben. Wer sich erinnert, daß Köln fast hundert Jahre
preußische Festung war, wird die außerordentlichen
Anstrengungen verstehen, die Köln im letzten Jahr-
zehnt auf allen Gebieten kommunaler Betätigung
gemacht hat. Was in Jahrzehnten versäumt werden
mußte, ist in wenigen Jahren aufgeholt worden. Köln
hat wieder seine Universität, hat einen neuen Han-
delshafen und Industriegelände, hat wieder Raum
für die ständig wachsende Zahl seiner Bewohner,
hat Grüngürtel, Siedlungsland und weiträumige Anla-
gen für Erholung und Sport, hat seine Messe und
hervorragend gelegene Ausstellungshallen. Köln ist
heute nicht bloß das große Handels- und Industrie-
zentrum, es ist auch wieder die Verkehrs- und Frem-
denstadt am Rhein, weil zu der Anziehungskraft sei-
ner altehrwürdigen Baudenkmäler und berühmten
Museen und seines fröhlichen Lebens Errungen-
schaften moderner städtebaulicher und gartenkünst-
lerischer Kultur getreten sind. So soll und wird Köln
eine der Städte bleiben, die deutsches Wesen und
Wollen lebendig verkörpern, zugleich ein Hort rhei-
nischer Eigenart, aber auch gastliche Stätte für
alle, die sich seinen Toren nähern. Altes und Neues
mischt sich in der Domstadt zu einer vorwärtsdrän-
genden Entwicklung, deren Tempo den Besucher
beim ersten Schritt in die Stadt gefangen nimmt.
Eine werdende Weltstadt, das ist das Köln von
heute."
Der dies schreibt, hat seinen historischen An-
teil an solcher Entwicklung: selbst „Städtebau-
er" — nicht von Beruf, aber aus Berufung, die
ihn Vorkriegsfesseln ebenso überwinden läßt wie
Nachkriegsdruck, mit den staatsmännischen
Qualitäten von Intuition, Initiative und Courage,
die ihn auch den Ausstellungssinn der „Neuen
Zeit" sofort erfassen und halten ließ. Der Stadt-
verordnetenbeschluß vom 18. rJuli 1929 und
die Konstituierung des Ausstellungsvereins am
22. Juli ermöglichen die Realisierung in Köln.
Der Kölner Ausstellungspolitik hat der Bau-
direktor ein Ausstellungsgelände zu- und vor-
bereitet: eine Rheinfront, die den Strom als
städtebauliches Verbindungsglied gewinnt und
die ihm zwei Fronten, zwei Städtebilder sichert,
das alte und das neue, drüben wie hüben, eines
reizvoller als das andere, sei es von der Terrasse
im Westen oder von der Bastei im Osten des
Stromes aus.
Nicht nur als originale Stadt-Individualität
(samt dem größten Stadion und mit großen Saal-
bauten für die Veranstaltungen der „Neuen
Zeit") — auch als wachsendes Glied eines noch
größeren Organismus gewinnt das vielseitige
Köln seine Bedeutung: als Teil jenes deutschen
Westens und seiner weltwirtschaftlichen Ver-
flochtenheit, eines lebensspendenden Kraftfelds
von geradezu amerikanischer Quantität und
Qualität. Vorstellungen wie Rheinland-West-
falen oder wie Rheingenossenschaft Köln-Frank-
furt oder wie Rhein-Einheit Basel-Rotterdam
bringen Aufgaben jeder Art, jeder Richtung,
jeder Dimension in unser Bewußtsein — euro-
päische Probleme, zu deren Klärung und Förde-
rung die Ausstellung dienen soll.
Lokales und Landschaftliches, Geschicht-
liches und Geographisches, Menschliches und
Städtebauliches, Ausstellungstechnisches und
Neuzeitliches, Nationales und Internationales,
Wirtschaftliches und Politisches--in irgend-
einer Form und Quantität hat jede deutsche
Großstadt irgendeine Mischung davon: Köln hat
die Qualität einer Gesamtheit solcher Eigen-
schaften und Elemente, die sich gegenseitig
steigern.
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