Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0519
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Dreyfuss, Heinrich: Traditionalismus im Brückenbau?: Der Kampf um die Gestaltung der neuen Rheinbrücke Mannheim-Ludwigshafen
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Brücke keine Pfeiler erhalten und überhaupt nicht Ausgezeichnete Entwürfe von Bogenbrücken, die
im Geiste überkommener Bauformen erstellt werden die ganze Spannweite ohne Zwischenstützen über-
dürfe, winden, liegen vor, so von Professor Gaber-Karls-
Selbst bei der Planung von Pfeilern aber wären ruhe mit Architekt Esch-Mannheim und von Stadt-
die Fragen nach der Gründung der Pfeiler und baudirektor Platz-Mannheim. Aus technischen Be-
Widerlager, nach der Beschaffenheit des Baugrun- denken heraus läßt sich der Gedanke der Bogen-
des und nach dem Zustand der alten Pfeiler von ent- brücke kaum noch anfechten, nachdem Krupp für die
scheidender Wichtigkeit. Diese Voraussetzungen für Köln-Mülheimer Schnellbahnbrücke dieses System
jede Lösung mit Pfeilern ließ der Wettbewerb uner- vorgeschlagen hat. Das zur Verwendung kommende
örtert. Das Verhältnis der alten zur neuen Brücke Baustahlmaterial bürgt dafür, daß eine Spannweite
blieb technisch ungeklärt. Man forderte Rücksicht- von rund 270 Metern bewältigt werden kann. So
nähme auf bestehende Formen, ohne auf die tech- möge man sich darauf beschränken, auf die alte
nischen Beziehungen zwischen beiden Brücken ein- Brücke nur so viel Rücksicht zu nehmen, wie unum-
zugehen. Infolge der veränderlichen Vertiefung der gänglich notwendig ist, und möge im übrigen das
Flußsohle müssen bei der alten Brücke die Pfeiler- neue Bauwerk den Forderungen der Brückenbau-
fundamente in zunehmendem Maße gegen Unterspü- technik, zeitgemäßer Baügesinnung und den Forde-
lungen durch Steinpackungen gesichert werden. Die rungen der Wirtschaft entsprechend bauen!
Folge dieser Maßnahmen ist eine unerwünschte Ein- Selbst bei kaum fühlbarer Gegensätzlichkeit zur
engung der Schiffahrtsöffnungen zwischen den alten Brücke wäre das neue Bauwerk, das den
Pfeilern. Diese Unzulänglichkeiten würden durch Strom in einer einzigen Schwingung überspannt,
Errichtung einer zweiten Pfeilerbrücke erheblich Ausdruck einer künstlerischen Einheit, die dem
kompliziert und voraussichtlich verewigt. Außerdem Stadtbild nur förderlich sein kann. Der Bogen einer
haben Bohrungen neben den alten Pfeilern gezeigt, solchen Brücke wird im Rahmen der flachen Land-
daß schlechtester Baugrund vorliegt. Durch die schaff durch die Frische und Jugendlichkeit des
Fundamentierung neuer Pfeiler beim Bau der neuen Kontrastes trefflich wirken und dem Gesamtbild der
Brücke wären Sicherungsmaßnahmen für die alte Städte Mannheim und Ludwigshafen eine neue har-
Brücke notwendig, für die ein Kostenvoranschlag monische und wertvolle Note aufprägen,
nicht anzustellen ist. Die für eine pfeilerlose Brücke Dr. Heinrich Dreyfuß
veranschlagten Mehrkosten von etwa 800 000 Mark
werden möglicherweise kaum dazu ausreichen, beim
Bau neuer Pfeiler die alten Stützen zu unterfangen
und neu zu gründen. Ferner: Sollte ein Entwurf wie
der von Kilgus zur Ausführung gelangen und sollte
man in zwanzig oder dreißig Jahren die Pfeiler tat-
sächlich entfernen wollen, so müssen für die dann
entstehenden Kosten zur Verstärkung der Brücke
und Wegnahme der Pfeiler weit über 2 Millionen
Mark in Ansatz kommen.
Die Schiffahrt wird schon durch die vorhandenen
alten Brückenpfeiler stark beeinträchtigt. In der
Mittelöffnung ist der Schiffahrtsweg bei Niederwas-
ser auf eine Länge von 35 Meter rund 65 Meter
breit. Die Errichtung einer neuen Pfeilerbrücke
würde diesen Engpaß um mehr als 20 Meter verlän-
gern: gefahrdrohend und beschwerlich besonders
für die langen Schleppzüge und für jeden Verkehr
bei Eisgang.
Zweckmäßige Brückenbausysteme
bei zunehmender Spannweite
von Prof. Dr. Gaber, Karlsruhe
0
©
mit Zugband
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im Geiste überkommener Bauformen erstellt werden die ganze Spannweite ohne Zwischenstützen über-
dürfe, winden, liegen vor, so von Professor Gaber-Karls-
Selbst bei der Planung von Pfeilern aber wären ruhe mit Architekt Esch-Mannheim und von Stadt-
die Fragen nach der Gründung der Pfeiler und baudirektor Platz-Mannheim. Aus technischen Be-
Widerlager, nach der Beschaffenheit des Baugrun- denken heraus läßt sich der Gedanke der Bogen-
des und nach dem Zustand der alten Pfeiler von ent- brücke kaum noch anfechten, nachdem Krupp für die
scheidender Wichtigkeit. Diese Voraussetzungen für Köln-Mülheimer Schnellbahnbrücke dieses System
jede Lösung mit Pfeilern ließ der Wettbewerb uner- vorgeschlagen hat. Das zur Verwendung kommende
örtert. Das Verhältnis der alten zur neuen Brücke Baustahlmaterial bürgt dafür, daß eine Spannweite
blieb technisch ungeklärt. Man forderte Rücksicht- von rund 270 Metern bewältigt werden kann. So
nähme auf bestehende Formen, ohne auf die tech- möge man sich darauf beschränken, auf die alte
nischen Beziehungen zwischen beiden Brücken ein- Brücke nur so viel Rücksicht zu nehmen, wie unum-
zugehen. Infolge der veränderlichen Vertiefung der gänglich notwendig ist, und möge im übrigen das
Flußsohle müssen bei der alten Brücke die Pfeiler- neue Bauwerk den Forderungen der Brückenbau-
fundamente in zunehmendem Maße gegen Unterspü- technik, zeitgemäßer Baügesinnung und den Forde-
lungen durch Steinpackungen gesichert werden. Die rungen der Wirtschaft entsprechend bauen!
Folge dieser Maßnahmen ist eine unerwünschte Ein- Selbst bei kaum fühlbarer Gegensätzlichkeit zur
engung der Schiffahrtsöffnungen zwischen den alten Brücke wäre das neue Bauwerk, das den
Pfeilern. Diese Unzulänglichkeiten würden durch Strom in einer einzigen Schwingung überspannt,
Errichtung einer zweiten Pfeilerbrücke erheblich Ausdruck einer künstlerischen Einheit, die dem
kompliziert und voraussichtlich verewigt. Außerdem Stadtbild nur förderlich sein kann. Der Bogen einer
haben Bohrungen neben den alten Pfeilern gezeigt, solchen Brücke wird im Rahmen der flachen Land-
daß schlechtester Baugrund vorliegt. Durch die schaff durch die Frische und Jugendlichkeit des
Fundamentierung neuer Pfeiler beim Bau der neuen Kontrastes trefflich wirken und dem Gesamtbild der
Brücke wären Sicherungsmaßnahmen für die alte Städte Mannheim und Ludwigshafen eine neue har-
Brücke notwendig, für die ein Kostenvoranschlag monische und wertvolle Note aufprägen,
nicht anzustellen ist. Die für eine pfeilerlose Brücke Dr. Heinrich Dreyfuß
veranschlagten Mehrkosten von etwa 800 000 Mark
werden möglicherweise kaum dazu ausreichen, beim
Bau neuer Pfeiler die alten Stützen zu unterfangen
und neu zu gründen. Ferner: Sollte ein Entwurf wie
der von Kilgus zur Ausführung gelangen und sollte
man in zwanzig oder dreißig Jahren die Pfeiler tat-
sächlich entfernen wollen, so müssen für die dann
entstehenden Kosten zur Verstärkung der Brücke
und Wegnahme der Pfeiler weit über 2 Millionen
Mark in Ansatz kommen.
Die Schiffahrt wird schon durch die vorhandenen
alten Brückenpfeiler stark beeinträchtigt. In der
Mittelöffnung ist der Schiffahrtsweg bei Niederwas-
ser auf eine Länge von 35 Meter rund 65 Meter
breit. Die Errichtung einer neuen Pfeilerbrücke
würde diesen Engpaß um mehr als 20 Meter verlän-
gern: gefahrdrohend und beschwerlich besonders
für die langen Schleppzüge und für jeden Verkehr
bei Eisgang.
Zweckmäßige Brückenbausysteme
bei zunehmender Spannweite
von Prof. Dr. Gaber, Karlsruhe
0
©
mit Zugband
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