Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0570
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Dessauer, Friedrich: Technik, Kultur, Kunst: Vortrag, gehalten von Professor Dr. Friedrich Dessauer auf der Jahresversammlung in Breslau, am 25. Juli 1929
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trägt, — wer tief und inbrünstig glaubt, daß der
göttliche Schöpfer des Weltalls auch ihm, dem
er Macht zur Formung der Dinge anvertraut hat,
Beruf gab, Bedürfnisse, Träume, Ideen zu Wirk-
lichkeitsformen zu gestalten, so daß sein Die-
nen zugleich Beglücken ist (technisch Dienen
zugleich künstlerisch Beglücken) —, der steigt
auf, ist im Raum der Freiheit und atmet neue
Luft der neuen Zeit mit vollen Zügen.--
Nun, verehrte Anwesende, meine Zeit ist ab-
gelaufen. Unerschöpflich ja ist das Thema, über
das ich Ihnen, fast in Aphorismen, vorzutragen
hatte. Lassen Sie mich noch einmal an den An-
fangsgedanken zurückkehren: zu dem Weltwan-
derer, der nach Jahrtausenden wieder über den
Planeten fliegt, sein Antlitz verwandelt sieht und
erkennt, daß diese unerhörte Verwandlung des
Antlitzes eine Verwandlung des Seins, der Ge-
sinnung, der Anschauungsformen als Grundlage
besitzen müsse.
Es ist ja etwas Seltsames mit unserem Plane-
ten; — er ist so klein, er wird durch die Systeme
der Milchstraße in Jahrmillionen hindurchgeführt,
— er führt nicht selbst, nicht seine Kraft treibt
ihn, sondern eine urmächtige von außen, die
Schöpferkraft, die mit ihm spielt in seiner Arm-
seligkeit. Und dennoch enthält doch dieser kleine
Planet, wenn er sozusagen bestürzt durch das
Weltall taumelt, das Geheimnis, daß in seiner
räumlichen Begrenzung das Bewußtsein des Gei-
stes wohnt, das Innewerden: ich bin mir der
Dinge und meiner selbst bewußt. Also Wissen
als Bewußtheit seinen Bewohnern anvertraut;
Wissen als Bewußtheit, als Erwachen über das
Sein und Geschehen hinaus und dies in räum-
licher Begrenztheit eines winzigen Sterns.
Vielleicht hat der Weltwanderer noch ande-
res gesehen. Vielleicht begegnete der Welt-
wanderer irgendwo in der Milchstraße nach Jahr-
tausenden wieder unserer Erde und sah: Dort,
wo sie jetzt pilgert, in diesem kosmischen Raum,
dringt sie in eine Zone anderer Geistigkeit; aus
dieser Zone strahlt es auf sie und wandelt die
von ihr getragenen Geschöpfe. Vielleicht wan-
dern wir mit unserm Planeten durch Geisteis-
räume, wie wir durch kosmische Räume wandeln.
Und dies zu ahnen, zu spüren, ja, zu erleben, in
Erfüllung selbst an einem kleinen Ding, wie es ein
Türgriff ist: Das ist schön, das heißt Mensch sein.
Türgriff ist ein symbolisches Wort: Wir schla-
gen ihn nieder, die Pforte tut sich auf, wir schrei-
ten in ein neues Reich!
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Turbogenerator
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göttliche Schöpfer des Weltalls auch ihm, dem
er Macht zur Formung der Dinge anvertraut hat,
Beruf gab, Bedürfnisse, Träume, Ideen zu Wirk-
lichkeitsformen zu gestalten, so daß sein Die-
nen zugleich Beglücken ist (technisch Dienen
zugleich künstlerisch Beglücken) —, der steigt
auf, ist im Raum der Freiheit und atmet neue
Luft der neuen Zeit mit vollen Zügen.--
Nun, verehrte Anwesende, meine Zeit ist ab-
gelaufen. Unerschöpflich ja ist das Thema, über
das ich Ihnen, fast in Aphorismen, vorzutragen
hatte. Lassen Sie mich noch einmal an den An-
fangsgedanken zurückkehren: zu dem Weltwan-
derer, der nach Jahrtausenden wieder über den
Planeten fliegt, sein Antlitz verwandelt sieht und
erkennt, daß diese unerhörte Verwandlung des
Antlitzes eine Verwandlung des Seins, der Ge-
sinnung, der Anschauungsformen als Grundlage
besitzen müsse.
Es ist ja etwas Seltsames mit unserem Plane-
ten; — er ist so klein, er wird durch die Systeme
der Milchstraße in Jahrmillionen hindurchgeführt,
— er führt nicht selbst, nicht seine Kraft treibt
ihn, sondern eine urmächtige von außen, die
Schöpferkraft, die mit ihm spielt in seiner Arm-
seligkeit. Und dennoch enthält doch dieser kleine
Planet, wenn er sozusagen bestürzt durch das
Weltall taumelt, das Geheimnis, daß in seiner
räumlichen Begrenzung das Bewußtsein des Gei-
stes wohnt, das Innewerden: ich bin mir der
Dinge und meiner selbst bewußt. Also Wissen
als Bewußtheit seinen Bewohnern anvertraut;
Wissen als Bewußtheit, als Erwachen über das
Sein und Geschehen hinaus und dies in räum-
licher Begrenztheit eines winzigen Sterns.
Vielleicht hat der Weltwanderer noch ande-
res gesehen. Vielleicht begegnete der Welt-
wanderer irgendwo in der Milchstraße nach Jahr-
tausenden wieder unserer Erde und sah: Dort,
wo sie jetzt pilgert, in diesem kosmischen Raum,
dringt sie in eine Zone anderer Geistigkeit; aus
dieser Zone strahlt es auf sie und wandelt die
von ihr getragenen Geschöpfe. Vielleicht wan-
dern wir mit unserm Planeten durch Geisteis-
räume, wie wir durch kosmische Räume wandeln.
Und dies zu ahnen, zu spüren, ja, zu erleben, in
Erfüllung selbst an einem kleinen Ding, wie es ein
Türgriff ist: Das ist schön, das heißt Mensch sein.
Türgriff ist ein symbolisches Wort: Wir schla-
gen ihn nieder, die Pforte tut sich auf, wir schrei-
ten in ein neues Reich!
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