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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Rundschau in der Bauwirtschaft
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RUNDSCHAU IN DER BAUWlRTSCHAFT

Frühzeitiges Abflauen der Bau-
tätigkeit.

Die Berichte der Landesarbeitsämter lassen er-
kennen, daß dieses Jahr die herbstliche Bautätigkeit
sehr frühzeitig abflaut. Viele Ziegeleien haben
schon Arbeiter entlassen, ebenso manche Zement-
fabriken. Weitere Entlassungen und Stillegungen
werden angekündigt. Der Zementversand war schon
im August nicht unerheblich geringer als im Vorjahr.
Nur die Gewerbe, die mit dem Innenausbau zu tun
haben — Glaser, Anstreicher, Maler, Bautischler,
Töpfer, — sind noch gut beschäftigt. In einigen
Gegenden des Reichs liegen die Dinge etwas
besser, so unter anderem in Berlin. Auch die In-
dustrie baut nicht in erheblichem Umfange, obwohl
die rückläufige Konjunktur ihr schon einiges Kapital
für Bauzwecke freigeben müßte.

Die vielbesprochene Rationalisierung des
Bauens scheint nun doch auch in der Praxis etwas
vorwärts zu kommen. Allerdings hört man zunächst
mehr von ungünstigen Auswirkungen: die Verkürzung
der für den einzelnen Bau notwendigen Zeit scheint,
wie das Landesarbeitsamt Nordmark in Hamburg
kürzlich berichtete, hauptsächlich den Erfolg zu
haben, daß die Bausaison im ganzen kürzer wird.
Eigentlich hatte man sich wohl einen anderen Er-
folg versprochen, man dachte, durch die Verbilli-
gung des Bauens würde es möglich werden, mit den
gleichen Mitteln ein höheres Leistungsquantum zu
erzielen. Dabei übersah man wohl, daß ja ein
sehr erheblicher Teil des investierten Kapitals für
längere Dauer im fertigen Gebäude stecken bleibt.
Wenn der Bericht der Hamburger Arbeitsbehörde
zutrifft und anderwärts ähnliche Beobachtungen ge-
macht werden, so bedeutet das: das geringe An-
gebot von privatem Kapital für eine langfristige In-
vestierung läßt sich durch Verbilligungsmaßnahmen
nicht aus seiner Reserve herauslocken, wenigstens
gegenwärtig nicht. Andererseits ist das Betriebs-
kapital des Baugewerbes, das allein für einen
schnelleren Umschlag infolge einer Rationalisierung
in Betracht käme, zwar offenbar zur Not aus-
reichend, wenigstens für die heutigen Verhältnisse;
aber es kann seinen Wirkungskreis trotz der Ratio-
nalisierung nur so weit ausdehnen, wie es den nöti-
gen Gefährten, nämlich das Investierungskapital, da-
für findet. Diese Überlegung ist geeignet, erneut
klarzumachen, wie wichtig es ist, daß zusätzliches
Privatkapital dem Baumarkt zugeführt wird, wie das
insbesondere durch Bauspargesellschaften und Bau-
sparkassen geschieht. — Ferner wird neuerdings be-
richtet, daß der zunehmende Gebrauch der Band-
förderung auf dem Bauplatz eine Abnahme des Be-
darfs an menschlichen Arbeitskräften bewirke. Mit
derartigen Nebenwirkungen muß man freilich bei

jeder Rationalisierung und besonders bei jeder
Mechanisierung rechnen. Immer hat die neue Ma-
schine zunächst Arbeitskräfte freigesetzt; es wird
beim Bauen auch nicht anders gehen.

Bauen im Winter?

Das Reichsarbeitsministerium hat sich vor kurzem
erneut an die Reichsministerien und Spitzenbehör-
den gewandt, um eine Förderung winterlicher Bau-
arbeiten zu erreichen; für die tatsächliche Lage ist
bezeichnend, daß gleichzeitige Pressemeldungen,
sicherlich mit Recht, von einer schwachen Herbst-
bautätigkeit und einem frühzeitigen Aufhören der
diesjährigen Saison zu berichten wußten. Das Ar-
beitsministerium beruft sich mit seinem Appell auf
die amerikanischen Erfahrungen, die in dem Kampf
gegen die Arbeitsmarktkrise von 1922/23 ab ge-
macht wurden. Die Erfahrungen mit Bauarbeiten
während des Winters sollen durch Experimente in
einer Versuchssiedlung erweitert werden, und durch
besondere Untersuchungen soll klargestellt werden,
welche finanziellen Voraussetzungen gegeben sein
müssen und welche Mehrkosten entstehen.

Was die finanziellen Voraussetzungen anlangt, so
bedarf es wohl kaum großer Untersuchungen. Einige
verhältnismäßig einfache Überlegungen dürften ge-
nügen. Zunächst ist klar, daß die Kapitaldecke, mit
der sich die deutsche Bauwirtschaft gegenwärtig
begnügen muß, auf alle Fälle zu knapp ist, und daß
die Bauwirtschaft aus sich heraus nicht in der Lage
ist, sie zu verlängern. (Das einzige, was die Bau-
wirtschaft selbst, und nur sie, leisten kann, ist, ihren
eigenen Kapitalbedarf durch Verbilligung zu verrin-
gern; davon später.) Es handelt sich also nur um
die gleichmäßigere Streckung dieser Decke über die
Jahreszeiten. Soweit privates Kapital in Frage
kommt, läßt es sich nicht zu bestimmten Anlage-
terminen zwingen. Bleibt also nur das Kapital aus
der öffentlichen Hand, einmal in Form der Hauszins-
steuermittel, sodann in Form der normalen Etats-
mittel für direkte öffentliche Aufträge. Beide Arten
von öffentlichen Geldern lassen sich natürlich in ge-
wissem Umfange auf den Winter dirigieren, wenn
man in Gesetz und Verwaltung die nötigen Voraus-
setzungen dafür schafft. Das heißt: die Hauszins-
steuer muß auf eine Reihe von Jahren sichergestellt
und dann im Verwaltungswege so verteilt werden,
wie man es für den Saisonausgleich für nötig hält;
und die Mittel für die öffentlichen Aufträge müssen
durch rechtzeitige Etatsbewilligung schon für die
ersten Monate eines jeden Jahres sichergestellt
werden. Das bedeutet allerdings, daß man sich ent-
schließen muß, das Haushaltsjahr, das jetzt mit dem
1. April beginnt, auf das Kalenderjahr umzulegen;
das wäre, nach einem kürzlich in der „Kölnischen

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