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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 4.1929

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Mitteilungen des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.13710#0720

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MITTEILUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN WERKBUNDES

Anschrift der Geschäftsleitung: Wien IX, Türkenstr. 3

Der Österreichische Werkbund ist mit dem Verlag Hermann Reckendorf G. m. b. H. übereingekommen,
,,Die Form" auch als offizielles Organ des Österreichischen Werkbundes zu betrachten. Infolgedessen
werden an dieser Stelle künftig die Mitteilungen des Österreichischen Werkbundes Platz finden

Erste Pflicht an dieser Stelle scheint es uns, dem
Verlag der Zeitschrift „Die Form" zu danken. Er
macht uns durch die Veröffentlichung unserer Mit-
teilungen möglich, was in langen Jahren der
Schwäche als unerreichbar galt: Wesentliches un-
serer Entwicklung öffentlich und regelmäßig darzu-
tun.

Es wäre Zeitverlust, der Mißgunst einer jetzt ab-
geschlossenen Periode und ihrer Gründe allzulange
zu gedenken. Wir haben keine Zeit, zu viel ist nach-
zuholen. Fragen der Weltanschauung und der Öko-
nomie schufen Zwiespalt, der Apparat eines Viel-
völkerstaates war auf ein Zwergland umzustellen.
So beschaffen waren die Ursachen jahrelangen
inneren Verfalls. Sie gelten nicht mehr, auch das
Stadium der Rekonvaleszenz ist vorbei, gesundes
Wachstum macht sich fühlbar.

Auftakt dieser neuen Entwicklung war die Voll-
versammlung vom 2. Oktober 1929. Überaus
starker Besuch bekundete das neu erwachte Inter-
esse, Staat und Stadt waren offiziell vertreten, Pro-
fessor Dr. Ernst J ä c k h dokumentierte durch sein
Erscheinen namens des Deutschen Werkbundes den
Willen zu intensiver Zusammenarbeit.

Das zentrale Versammlungsthema war das Pro-
gramm für 1930, vom Präsidenten Dr. Hermann
Neubacher entwickelt. Als Wichtigstes für uns
die Tagung des Deutschen Werkbundes
i n W i e n. Sie soll im Juni 1930 stattfinden und wird
unsere Wirkungsmöglichkeiten steigern, da wo sie
am wichtigsten sind: im Einfluß auf jene Behörden,
denen die Aufgaben staatlichen und kommunalen
Gestaltens anvertraut sind.

Sie ist der Anlaß zur Errichtung einer Muster-
siedlung. Solche Siedlungen sind offenbar dazu
angetan, Programmpunkt noch so mancher Tagung
zu werden. In Deutschland schon mehrmals dage-
wesen, ist sie für Wien erstmalig und besonders
wichtig. Denn hier beeinträchtigte eine stürmische
und im Ausmaß grandiose Bautätigkeit oft die Be-
sinnung auf die Probleme moderner Bauweise. Die
Mustersiedlung im Rahmen des Wohnbauprogramms
der Gemeinde Wien soll unserer Meinungsänderung
dienen. Über 100 Wohnungen werden von öster-
reichischen Architekten geschaffen werden. Als
Baugrund wurde das ebene Gelände am Wasserturm
gewählt. Die relative Stadtnähe und die Möglichkeit
einer raschen Bebauung bestimmten die Wahl. Der
Bebauungsplan liegt in Josef Franks Händen und
wird die Möglichkeit einer Bebauung des vorläufig
freibleibenden Geländeteiles berücksichtigen.

Gleichzeitig findet die Hallenausstellung
im Gebäude und Garten des österreichischen Muse-
ums statt. Sie soll die vorbildlich gemachten Dinge

des täglichen Gebrauchs enthalten und Josef Hoff-
mann wird sie leiten.

Die Tagung soll endlich zum Anlaß werden, jenen
Wiener zu ehren, der weit über seine Heimat hinaus
den Gestaltungsprinzipien heutiger Baukunst zum
Anreger wurde. Otto Wagners Denkmal, von
Josef Hoff mann geschaffen, soll enthüllt werden.

Siedlung und Ausstellung sollen vor allem Betäti-
gungsfeld der Jugend werden. Sie sollen dazu bei-
tragen, das Fehlbild der österreichischen Kunstent-
wicklung im Ausland richtigzustellen, wo man noch
immer dazu neigt, Wien n u r als Stadt der Operette
und der Spielerei anzusehen.

Die Vollversammlung schloß mit Ernst Jäckhs Vor-
trag über die Kölner Werkbundausstellung 1932 „Die
Neue Zeit". Jäckh, der in den wenigen Tagen seines
Wiener Aufenthaltes „den besonderen Dreiklang
einer vorbildlichen Kunstgewerbeschau, einer einzig-
artigen Gemeindebaupolitik und eines führenden
Wirtschaftsmuseums" erlebte und sich zu diesen
starken Eindrücken am Beginn seines Vortrags be-
sonders bekannte, sagte uns:

„Ihre Wiener Ausstellung von 60 Jahren Kunst-
gewerbeschule und da besonders die Ihrer Archi-
tekturenklassen ist die beste Illustration für die
innere Gesetzmäßigkeit der Entwicklung einer neuen
Zeit: bereits in den jetzt 30 Jahren seit ihrer Er-
neuerung durch Hoffmanns Führung und Fruchtbar-
keit, die die Wiener Schule für die ganze Welt vor-
bildlich gemacht hat, durch Hoffmann und seine
Mitarbeiter. Überhaupt darf immer wieder an die
organische Architekturlinie erinnert werden: von
Wagner zu Hoffmann und Frank und der ganzen
Mannigfaltigkeit der schöpferischen Kräfte von
heute und morgen. Ich habe den Eindruck, daß die
Welt draußen dies deutlicher sieht als das heimische
Wien selbst.

Ich hoffe, daß in dieser Abteilung auch das neue
Wien vertreten sein wird. Durch Superlative Epitheta
charakterisiert von Freund und Feind, infolge einer
Gemeindebaupolitik, die „grandios" ist in ihrem Aus-
maß, gewiß auch in Einseitigkeit, in sozialen Wirkun-
gen und in der Bewußtheit und Bestimmtheit des
Organisierens einer neuen Welt und einer neuen
Zeit und nur architektonisch nicht immer einer gleich
großen Verpflichtung bewußt.

Meine optimistische Erwartung, die ich durch
die Ergebnisse der Kölner Pressa, des Düsseldorfer
Wirtschaftsmuseums und der Reichszentrale für
Heimatsdienst gewonnen habe, wurde in Wien be-
stätigt und bestärkt, durch die einzigartige Leistung
des Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums,
— einzigartig durch seine kollektive Arbeitsmethode,
durch seine aufschlußreichen Resultate und durch
eine normative Darstellung."

VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT: DR. LÖTZ, BERLIN SW 48, R E C K E N D O R FH A U S, HEDEMANNSTRASSE 24
DRUCK: WERBEDIENST G. M. B. H. KOMMANDITGESELLSCHAFT, SPANDAU-EISWERDER
 
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