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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 3
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Rapsilber, M.: Thiergarten-Plastik
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3H Die Kunst-Halle. 3

seit Jahrtausenden übliche plastische Material für unsere
Plätze zu köstlich und zu schade sei.
Die Marmorscheu ist indeß erst eine Errungen-
schaft der neuesten Zeit. Als die Schloßbrücke mit
marmornen Bildwerken geschmückt, als neben der
Neuen wache, vor der Universität und auf dem Gen-
darmenmarkt die herrlichen Standbilder errichtet wurden,
hat sich kein Berliner moquirt. Gerade an diese Bild-
werke, die schon seit Menschenaltern aufrecht stehen,
haben wohl die heutigen Nörgler nicht gedacht, als sie
die Wehklage anstimmten, daß der Marmor in unserem
herben Klima im Handumdrehen verwittere. Gewiß
wird der feine Carrara, der unbedachtsam für das
Goethe-Denkmal im Thiergarten verwendet wurde,
nur nut unbequemen Vorsichtsmaßregeln sich konserviren
lassen. Schon beim Messing-Denkmal hat inan sich eines
Besseren besonnen und ein wetterbeständiges Material
gewählt und so auch bei der Anlage vor dein Branden-
burger Thor. Die dekorativem Theile sind hier in
Laaser Marmor ausgesührt, die Standbilder aber in
hartem Navaggione, der trotz seiner südlichen Herkunft
auf Jahrhunderte hinaus ausdauern wird. Allerdings
nimmt er mit der Zeit einen stumpfen, schmutziggrauen,
kalkigen Ton an, während der Naaser Stein, der mit
wundervollen grünlichen, röthlichen, goldigen Adern leise
durchsetzt ist, über kurz oder lang eine goldgelb schimmernde
Inkarnatsarbe erlangen dürfte. Zn Laaser Marmor
wird auch das Moltke-Denkmal auf dem Königsplatz
gegenwärtig ausgeführt, nachdem man sich überzeugt,
daß der italienische Marmor in der Siegesallee vor
dem tiroler die Segel zu streichen hat. Für das von
Rudolf Siemering geschaffene Musikdenkmal am Gold-
fischteich, das gleichfalls der Vollendung entgegengeht,
hat man wetterfesten griechischen Marmor gewählt,
welcher der feinsten Modellirung entgegenkommt und
auf die Dauer sich interessant abtönen wird, wie an
den Klinger'schen Bildwerken zu ersehen ist.
Was nun das Gerede über die Verwitterung des
Marmors anlangt, so scheint man sich der Vorstellung
hinzugeben, als ob all diese Bildwerke, welche in
heutiger Zeit errichtet, ihren Platz eine Ewigkeit be-
haupten werden. Darauf wäre zu erwidern, daß nur
die wirklich bedeutenden und künstlerisch werthvollen
Denkmäler die Jahrhunderte überdauern, daß aber die
schlechten kurzlebig sind, gerade wie das bei den Ge-
mälden der Fall, von denen doch nur ein sehr kleiner
Theil immer und immer wieder von den Restauratoren
verjüngt wird. Von der Kurzlebigkeit des Marmors
wird gewiß das Schicksal eines Kunstwerks nicht ab-
hängen. Man denke sich, daß die vieltausendfältigen
Bildwerke, die im H7. und 18. Jahrhundert zum
Schmuck der Plätze und Parks geschaffen, heute alle
noch aufrecht ständen. Das wäre ja zum Davonlaufen.
Nein, was heute etwa gesündigt und verfehlt wird,
das wird die Zeit schon korrigiren, und nur unser
Bestes und Allerbestes wird den Nachkommen vor
Augen bleiben. So war es immer und auch in den

Tagen eines Michelangelo und eines Schlüter sind die
schlechten Kunstwerke in der Majorität gewesen.
Die neuen Marmordekorationen haben den Raum
vor dem Brandenburger Thor erst zu einem Platz ge-
staltet und das ist das Wesentliche an dieser gelungenen
Schöpfung. Gerade so wie es der Uebelstand in der
Siegesallee ist, daß dort kein großer dekorativer Ge-
danke erfaßt wurde. Alle Schmuckanlagen in den be-
rühmten Schloßgärten und Villen von der Renaissance
bis zum Empire predigen ein dekoratives Ideal, gegen
das wir bei Umgestaltung unserer Städte so lange
blind gewesen. Jetzt aber hat Ihne bei dem Entwurf
der Anlagen vor dem Brandenburger Thor die Vor-
bilder des italienischen Barock zu Rathe gezogen, und
so konnte es nicht ausbleiben, daß hier etwas Zweck-
mäßiges und wahrhaft Schmückendes zu Stande -kam.
Indem die Nischen und Marmorwandungen hinter den
Denkmälern und Brunnen einen möglichst geschlossenen
Hintergrund bilden und die Balustraden mit den Prunk-
vasen am Saum des Fahrdammes das architektonische
Gerüst noch glücklich verstärken, wurde eine Platz-
umfriedigung geschaffen, wie sie in Ansehung des edlen
und leuchtenden Materials, das so herrlich mit dem
Baumgrün sich einigt, gar nicht idealer gedacht werden
kann. Wie eine Apsis legt sich der neue Platz an das
Brandenburger Thor und dieses wieder gemahnt an
den Triumphbogen der alten Kirchen, und will man
das Bild weiter verfolgen, so ist der Pariser Platz wie
ein (Huerschiff und die Linden selber das Langschiff,
bis endlich die Bauten am Lustgarten die hochgethürmte
Vorhalle des preußischen Ruhmesbaues ergeben. Wäre
in Berlin Raum für große Gedanken, so wäre an der
Kreuzung der Charlottenburger Chaussee und der
Siegesallee, so wie es Bruno Schmitz vorgeschlagen,
das große Kaiserdenkmal errichtet, die Statuen von
Bismarck, Moltke und Noon in eben diesem Umkreis,
im weiteren Verlauf dieser Axe hätten die Gruppen
der Siegesallee in entsprechend dekorativer Anlage aus-
gezeichnet gewirkt, oder man hätte auch die ganze
brandenburgische Vergangenheit in ein mächtiges
Rondel am Großen Stern einordnen können. Dann
hätten wir auch so eine Monumcntalachse bekommen,
um die wir Paris und andere Städte inbrünstig be-
neiden.
In das Bereich der strittigen Thiergarten-Plastik
gehört leider auch das Wagner-Denkmal. Es ist
einigermaßen peinlich, darüber zu reden nach all' dem
aufgeregten Wesen, welches so böse und gehässige
Schatten auf die Lnthüllungsfeier warf. Mb wir an
diese Stelle ein besseres Denkmal hinbekommen hätten,
wenn die Angelegenheit besonnener betrieben wäre, ist
heute eine müßige Frage. Allmählich wird man sich
an den marmornen Fausthelden gewöhnen und manche
von denen, die heute wie die Heiden schimpfen, werden
eines Tages das Denkmal weidlich loben, wenn eiu
Freund aus der Provinz sie besucht, blos um Berlin
und den lieben Thiergarten nicht zu blamiren. Ich
 
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