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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 5
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Niessen, Johannes: Düsseldorfer Kunstbrief
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Bodmer, M.: Frankfurt a. M. Kunstbrief
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Nr. 5

Die Aunst-Halle.

studien bei Weitem korrekter und gewissenhafter ge-
zeichnet sind, beweisen die landschaftlichen Motive mehr
Persönlichkeit und Ligenart der Auffassung.
Die Arbeite.:: Th. Groll'sjr. könnten etwas mehr
Flottheit vertragen. Leine zu große Korrektheit und
Gewissenhaftigkeit bringen in seine tüchtigen Lachen
eine Härte und Kälte, dis ihnen Eintrag thut. Ich
spreche vor Allem von einem großen Bilde, einem
Blick in eine amerikanische Großstadtstraße bei Eintritt
der Dämmerung. Lo viel Einzelheiten z. B. in der
Architektur sieht man, wenn inan die Ltraße bei Hellem
Tage photographirt, aber nicht in der Dämmerung!
Ansprechender sind seine kleineren italienischen Bilder,
aus Venedig, Verona, Pompeji; aber auch hier ver-
mißt man die Wärme. Etwas weniger Kontur und
etwas mehr Weichheit der Linie, und vor Allem mehr
Lust — und die Lachen würden viel mehr erfreuen!
Die Plastik ist, wie meist in Düsseldorf, auch in
der Novembervereinigung nur ganz spärlich vertreten.
Aufmerksamkeit nimmt nur das Gipsmodell zu einer
Grabdenkmalgruppe in großen Maßen von Nutz in
Anspruch. Die in Marmor aus dem israelitischen
Friedhose in Aachen stehende Gruppe gewinnt dem oft
dargestellten Vorgänge, wie ein Kind der als Idealfigur
in fließenden Gewändern in einem Lessel zurückgelehnten
Toten einen Nosenzweig aus dem Gürtel nimmt, wenig
neue Leiten ab; die Auffassung und Ausführung sind
aber tüchtig.


franksurt a- M
Rlmrtbriej.
^UNinton Burger, der Altmeister von Lronberg, nähert
sich seinem 80. Lebensjahre. In den sechziger Jahren
O erhielt er in München die goldene Medaille, seit fast
einem halben Jahrhundert ist er in dein stillen Bergstädtchen
im Taunus ansässig. Von seinen Merken befinden sich viele
im hiesigen Privatbesitz, ohne je an die Oeffentlichkeit gelangt
zu sein. Da erscheint es denn als ein anerkennenswerthes
Unternehmen, daß Hermes eine aus ca. 80 Bildern bestehende
Sammlung des Meisters dem Publikum zugänglich macht.
Burger ist der berufene Taunusschilderer, der Nachkomme von
Dielmann und Becker. Seine Winterbilder sind — namentlich
die kleineren — von einer entzückenden Intimität, wenn dieses
viel mißbrauchte Mort heute nicht schon zum Gemeinplatz ge-
macht wäre. In den rein genremäßigen Darstellungen bevor-
zugte Burger waidmännische Motive, die oft mit einem liebens
würdigen Humor behandelt sind. In der Charakteristik noch
feiner sind vielleicht die kleinen Interieurs mit zechenden,
singenden, xolitiürenden und kartensxielenden Bauern; hier er-
reicht Burger eine Feinheit der Tharakterisirung, die nahe an
Teniers heranreicht. — Lin andrer Altmeister, Menzel, wurde
von Hermes mit Bildern, Studien und Zeichnungen vor-
geführt. Die kleinen Skizzen, die Menzel mit dein Aimmer-
mannsbleistift — theils spitz, theils breit, theils gemischt —
auszuführen pflegt, sind bekannt, prächtig waren ein paar
Studien aus dem Atelier: ein paar Gixsarme an der Wand,
eine Palette und ein paar weitere Ateliergegenstände. Das
banalste ist malerisch behandelt. Zwei Nordländer: Lrick

werenskiold und Georg Kallstenius bringen interessante
exotische Kunst; ersterer malt Figuren und Porträts weich auf
kreidig Hellen Hintergründen, letzterer geht zur Abendzeit in
die hohen Eichenwälder am Geresund und belauscht dort den
Stimmungszauber der Dämmerstunde. Line große Landschafts-
serie von G. S. van Strydonk-Brüssel zeigt einen licht- und
naturfrohen Realisten an der Arbeit; frisch, feucht und hell
sind diese heimathlichen Landschaften gesehen, nur wo der Maler-
seine Bilder mit phantastischen Staffagen zu beleben sucht, da
versagt seine Kunst. Das zeigte recht eindringlich auch die
brillante Lourtens-Kollektion im Kunstverein. In der
feuchtkräftigen, derbfrischen Landschaft ist dieser Maler vielleicht
ohne Rivalen; aber er ist ein schwerblütiger, etwas un-
geschlachter Vlamländer und wo er poetische Stimmungen zu
erzielen sucht, da bleibt die Wirkung aus. Das hindert nicht,
ihn als das Muster eines auf große Wirkungen abzielenden
Künstlers der zeitgenössischen realistischen Richtung zu bewundern.
Die französische Kollektion im Kunstverein enttäuschte
nicht daß es an allerlei Virtuosenstückchen und pinselroutineuren
gefehlt hätte — im Gegentheil! Aber die Pariser Kunst ist
auf einen todten Punkt angelangt, seit der Impressionismus
und der Naturalismus wieder auf längere Zeit abgewirthschaftet
hat. — Erfreulicher stimmt die heimathliche Kunst von Ottilie
Röd erst ein. Da ist gewissenhafte Zeichnung mit gediegenem
Kolorit verbunden, das Ganze erinnert an die gute unauf-
fällige Kunst eines Lranach. Derb und roh segelt der junge
I. Nußbaum im Fahrwasser Liebermann'schen Impressionis-
mus; die Bildnisse sind ganz verfehlt, weit besser wirken die
Straßenveduten, obgleich auch hier die impressionistische Mache
etwas derout erscheint. Alfred Schwarzschild-Berlin hat
eine Reihe großer Repräsentationsporträts ausgestellt; die
Mache ist virtuos, und auch die ganze Art des Arrangements
giebt dein Künstler die Eigenschaften als modernen Porträt-
favorit. Schlicht und intim ist die Kunst Karl Schmoll von
Lisenwert' s. Das Selbstporträt mit dem dreitheiligen Hinter-
grund und ein paar der übrigen zarten Bilder erinnern an
den Worpsweder Vogeler.
Für den Monat November dominirt in den Sälen des
Kunstvereins die 5. Iah re sausstellung Frankfurter Künstler.
Sie enthält keine Schlager und auch neue Namen von Be-
deutung fehlen, auch die Zahl der Betheiligten hat sich ver-
mindert. Namen wie Penz, Jordan, Boehle u. A., die im Vor-
jahre dominirten, fehlen ganz. Auf einzelne Namen einzugehen,
verbietet der Raum, von den Alten sind Peter Becker,
Burger, Beer, Brütt, Hasselhorst, Steinhaufen u. A.
vertreten, Trübner bringt schon Bekanntes, im Bildniß bringt
Schräqle eine sehr gute Arbeit, auch in der Landschaft
(Forell „Dolomiten", Roßmann Waldlandschaft, Hoffmann
u. v. Ast sind kleinere tüchtige Arbeiten ausgestellt. Den drei
Plastiken von Hausmann ist freilich kein Wer? aus der
Malerabtheilung gleichzustellen; die Statuette in Elfenbein und
Silber und die aus drei Köpfen bestehende Marmorskulptur
sind nicht minder vorzüglich wie die Kinderstatuette. Eine
weitere schöne Gruppe, vor: Sonnemann für das Opernhaus
in Marmor gestiftet, zeigt Franz Krüger.
Line Sammlung Plastiken stellte Hugo Kauffmann im
Vormonat aus. Er hat die Gruppen am neuenthüllten Lin-
heitsdenkmal geschaffen Die schwarze Bronze stimmt so wenig
zu dem kalkig weißen Obelisk wie letzterer zu dem dunklen,
altersgrauen Gemäuer der Umgebung; für eine viertel Million
Mark hat die Stadt nun ein Denkmal, das ideell und künst-
lerisch wenig befriedigt.
 
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