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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 8
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Kohut, Adolph; Schwind, Moritz von [Gefeierte Pers.]: Moritz von Schwind: ein Gedenkblatt zu seinem 100. Geburtstag, 21. Januar 1904
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U4

Die Kunst-Halle.

Nr. 8

zum Vorschein. Im Jahre s8ss kam der Knabe nach
Altgedein in Böhmen, einem kleinen Landsitz eines
verwandten, wo er ein volles Jahr verweilte. Die
lieblicken elegischen Gegenden des Böhmerwaldes, die
Tannenwälder, die Moos- und Farrnvegetation, der
Gesang der Vögel, das Rauschen der Bäche — all das
übte auf sein sinniges Gemüth einen tiefen Eindruck aus.
In jenem idyllischen Ort wurde wohl der erste Grund
zu seiner späteren so hochpoetischen, eigenartigen, dabei
durch und durch deutschen Naturauffassung gelegt.
Ostern s8so bezog er das Schotten-Gymnasium zu
Wien, wo er Nikolaus Lenau und Eduard von
Bauernfeld zu seinen Schulkameraden hatte. Mit
beiden schloß er schon im zarten Kindesalter eine innige
Freundschaft, die bis an ihr Lebensende dauern sollte,
wenn er auch mit Lenau in späteren Jahren nicht
mehr zusammentraf.
In den im Jahrbuch der „Grillparzer-Gesellschaft"
(V. Jahrgang s8s)5) von Karl Glossy mitgetheilten
„Tagebüchern" Bauernfeld's ist von dem jungen Schwind
viel die Rede. So erfahren wir z. B., daß Moritz
Schwind im Januar s822 seinem Jugendfreunde
Bauernfeld den genialen Lieder-Komponisten Franz
Schubert vorstellte, uud daß daun der letztere als
Dritter in den Freundschaftsbund ausgenommen wurde.
Sie besuchten zusammen die Oper, und der Tagebuch-
versasser notirt vom s s. November s822, daß sie bei
der Vorstellung von Beethoveu's „Fidelio" vor Entzücken
geweint haben. Mit Begeisterung rühmt Bauernfeld
die wahre und echte Künstlernatur von Moritz, sowie
sein heiteres, geselliges Wesen. Ebenso trieb sich das
geniale Trifolium so manche Nächte hindurch in Gast-
und Kaffeehäusern herum, sich wenig um die sich
mokirenden Philister kümmernd, gegen welche Bauern-
feld das Epigramm verfaßte:
„Wirthshaus, wir schämen uns,
Hat uns ergötzt;
Faulheit, wir grämeu uns,
Hat uns geletzt."
Die lustige, unverwüstlich froh gelaunte Natur
von Schwind mußte sich austoben, und bei den drama-
tischen Harodien auf sämmtliche Freunde und Freundinnen
durfte er natürlich nicht fehlen; er erschien darin in der
Maske des Harlekin, während Schubert den Hierrot
spielte. Ersterer war ewig in Gährung, als wollte er
sich aufzehren, während der letztere die rechte Mischung
vom Idealen und Realen verkörperte.
Man kann sich daher die Verzweiflung des jungen
Malers sowie des jungen Dichters vorstellen, als ihr
treuer Freund Franz Schubert urplötzlich am s9. No-
vember s828 starb. Tiefbetrübt notirt Bauernfeld in
sein Tagebuch: „Gestern Nachmittag ist Schubert ge-
storben, Montag sprach ich ihn noch, Dienstag xhanta-
sirte er, Mittwoch war er todt. Er sprach mir.noch
von der Oxer. Es ist mir wie ein Traum, die ehrlichste
Seele, der treueste Freund! Ich wollt', ich läge statt
seiner. Er geht doch mit Ruhm von der Erde!" Und

Schwind bricht in einem Brief an seinen Freund Schober
in die herzerschütternden Worte aus: „Du weißt, wie
ich ihu liebte, Du kannst Dir auch denken, wie ich dem
Gedanken kaum gewachsen war, ihn verloren zu haben!
Wir haben noch Freunde, theure und wohlwollende,
aber keinen mehr, der die schöne, unvergeßliche Zeit
mit uns gelebt und nicht vergessen hat. Ich habe um
ihn geweint wie um einen meiner Brüder; jetzt aber
gönn' ich ihm's, daß er in seiner Größe gestorben ist
und seinen Kummer los ist. . . . Und noch im reiferen
Alter pflegte sich Schwind mit großem Behagen und
doch auch uicht ohne wehmuth an die „paar flüchtigen
Lebensjahre" zu erinnern, die er mit Schubert „in
glücklichster Noch und Freundschaft versungen und ver-
musizirt."
Nach Absolvirung des Gymnasiums betrieb Schwind
vom Jahre s8s8—s82s philosophische Studien an der
Wiener Hochschule und legte so den Grund zu dem
reichen Wissen und der feinen und gründlichen Bildung,
die ihn später vor vielen seiner Kollegen auszeichnen
sollten. Den ersten Unterricht in der Kunst erhielt er auf
der Wiener Akademie und bei Ludwig Schnorr von
Tarolsfeld, zumeist aber bildete er sich selber auf
eigene Hand und entfaltete eine große Fruchtbarkeit in
Zeichnungen nach Märchen, Opern rc.
Mit Franz Lachner, dem ausgezeichneten Ton-
künstler, der s82Z nach Wien gekommen war, schloß er
ein Freundschaftsbündnis das sich auch später zur Zeit
ihres langjährigen gemeinsamen Wirkens in München
bis zu Schwind's Tode bewähren sollte. Ebenso innig
befreundet wurde er mit dem schon genannten Franz
von Schober, einem reichen und unabhängigen, acht
Jahre älteren Hrivatmann. Von dem eigenartigen
Freundschaftsverhältniß zeugen noch die zahlreichen
Briese, Zettel und Zettelchen, die zwischen beiden ge-
wechselt wurden, vor ihm schüttete Schwind sein
ganzes Herz aus, ihn weihte er in alle seine künstlerischen
Hläne ein und von jedem Bilde flog ihm die erste
Skizze, eine Kopie oder eine Beschreibung zu, und als
der Freund nach Breslau gereist war, schrieb ihm
Moritz am s2. Dezember s825 in überschwenglicher
Weise: „G, Du Licht meiner Seele, tröste mich! Wenn
ich mir tausendmal alles vorsage, was ich Dir schreiben
will, so vergeht mir alles, wenn ich anfange. Ich liebe
ja den Liebevollsten auf der Welt, ich lebe in Dir, ich
weiß, Du freuest Dich auf mich, und wenn ich Dich
nicht mehr kennen sollte, lieber, viel lieber sterben."
Ein andermal bricht er gar in die panegyrischen Worte
aus: „Jeder Augenblick, den Du mit mir sprachst, ist
ja mehr als mein ganzes Leben ohne Dich. Ist denn
ein gutes Haar an mir, das nicht von Dir kommt? . . .
Nichts soll mich von der Wahrheit trennen, der ich
mein Leben und die heiligste Liebe weihe. Du sei mein
Äug', das mich sieht und das mich mir selber zeigt.
Das Höchste, was ich auf Erden weiß, ist die Liebe, die
Schönheit und die Weisheit."
 
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