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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 9
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Rapsilber, M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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Die Kunst-Halle.

Nr. 9

s36

einem Nebenraum etliche zwanzig plastische Werke. Die
großen und bekannten Namen sehen wir da alle ver-
treten bis auf Franz Stuck, der auf Berlin einen Groll
geworfen, da mau ihn vor Jahresfrist hier nicht sehr
glimpflich behandelt hat. Jedenfalls darf man an-
nehmen, daß die Sezession bemüht gewesen, von dem
Umfang und der Höhe ihres Könnens ein möglichst
vortheilhaftes Bild zu entfalten. Die größeren Jahres-
ausstellungen im eigenen Hause werden merklich belebt
durch allerlei Mitläufer und auswärtige Kunstgrößen,
womit inan den eigentlichen Kern einer Ausstellung
wirkungsvoll zu drapiren vermag. Das fällt im vor-
liegenden Fall fort, hier hat die Sezession bei strenger
Auswahl mit eigenen Mitteln zu operiren und darum
wird auch das ganze Programm, die Situation und
überhaupt die Wirkenskraft der Münchner Sezessions-
kunst um so eher erkennbar. Ich gestehe, daß man
auf den ersten Blick ein wenig enttäuscht ist. Man
hätte von der führenden deutschen Sezessionsgruppe das
Neueste vom Neuen erwarten sollen, vielleicht sogar
ein Gesammtbild aller Mehlungen und Bestrebungen
der jüngsten Münchner Kunst. Doch davon kann nicht
die Rede sein. Im Gegentheil, die Münchner Sezession
stellt sich als die exklusivste aller deutschen Kunst-
vereinigungen dar, ganz offenkundig wehrt sie die Hoch-
fluth der jungmünchner dekorativ-idealistischen Nekruten
ab und verbarrikadirt sich hinter ihr ursprüngliches
Programm. Gewiß wohnt dieser strengen Geschlossen-
heit ein vornehmer Zug inne und man hat das Gefühl,
daß Niemand konservativer sein könne als die Herren
Sezessionsbegründer sammt ihrem abgezirkelten Anhang.
Die Folge davon ist eine sichtbare Abnahme der ehe-
maligen temperamentvollen Frische, andererseits begegnet
man hier einer abgeklärten Ruhe und Reife in den
Linzelleistungen und einer vornehm gestimmten Lnsemble-
wwkung. Und das hat auch etwas für sich. Natürlich
ist das Niveau der Gesammtleistungen ein sehr hohes,
die malerische Feinkultur bis an die Grenzen der Mög-
lichkeit gediehen. Doch seitdem die Sezession nicht mebr
die Vorkämpferin der kühn fortschrittlichen Kunst ist,
haben ihre Ausstellungen nicht länger symptomatische
und weganzeigende Bedeutung. Und der chinesischen
Abschließungstheorie mag es zuzuschreiben sein, daß
man hie und da die starkpersönliche und großgeistige
Initiative, die an anderen Stellen der deutschen Kunst
wohl zu finden, recht schmerzlich vermißt. Die Kunst
hat sich nicht blos an malerischer Virtuosität, sondern
auch an großen Gedanken immer wieder zu verjüngen
und zu erheben. So etwas aber hat die Münchner
Sezession nicht geleistet und das kommt daher, weil sie
sich im Grunde von ihrem ursprünglichen, rein natu-
ralistischen Programm nicht hat losreißen können.
Doch das soll direkt kein Vorwurf sein. Ls ist an sich
gewiß eilt unschätzbares Verdienst, das malerische Rönnen
bis zum Aeußersten verfeinert zu haben und so erblüht
hier dein Berichterstatter eigentlich nur die Aufgabe,
an einigen welligen Meisterleistungen die Höhe und
Qualität dieses Könnens zu demonstriren.
Die Sezessions-Landschaft will mir nicht mehr so
imponiren wie in früheren Jahren. Ls hat sich da
ein Münchener Jargon herausgebildet, der nahezu an
den Ritsch grenzt, aber in Linzelfällen sehen wir Land-
schaften von höchster Vollendung. So einen Tag in
der Glorie und Traumseligkeit des Herbstsonnenscheins
von p. w. Reller-Neutlingen, eine Mondscheinnacht über
See und Hochgebirge von Benno Becker und dann —
ja, schon stocke ich — dann vielleicht den See in der
Abendsonne von Lhr. Landenberger, ein im Abendglanz
erglühendes Thal von Tarl Piepho, eine Dachauer

Dorfstraße von Georg Flad, eine Negenstimmung von
Al. Häniich und einen Dachauer Vorfrühling von
Ad. Hölzel. Heute dominirt die Landschaft nicht mehr
so stark wie in den Glanztagen des Naturalismus,
heute tritt das Figureilbild mehr und mehr in den
Vordergrund, sogar bei der naturalistischen Sezession.
Daneben hat sich eine Münchener Spezialität, nämlich
die koloristische Darstellung des bunten Federviehs, zu
höchstem Raffinement entwickelt. Und darin finden
Hubert von Heyden und Charles Tooby wohl nirgends
ihres Gleichen. Die Bildnißmalerei geht nicht mehr
so albern wie früher auf ein schreiendes Farbenbouquet
aus. Jetzt versucht man wieder Menschen menschlich
und schlicht zu malen und in diesem Sinne offenbart
Herm. Groeber an einem Frauenbildniß die meisterliche
Reife. Die Münchner Plastik ist vorwiegend dem deko-
rativen und polychromen Ideal überantwortet, und
gerade hier macht sich die jetzt arg grassirende Anti-
quitäten - Mode recht fühlbar. Ls ist für Floßmann
eiil wahrer Triumph, daß man seine kluge Jungfrau
vielleicht mit einem spätgothischen Original verwechseln
könnte. Auch Altmeister Hildebrand transponirt sein
schönes Grabengel-Nelief in die dekorative Sphäre.
Fritz Behn zeigt eine polychrome Doppelbüste von
herzlich erfreuender Beseelung, sonst wüßte ich von den
Skulpturen nicht weiter Aufhebens zu machen, cs müßte
denn sein, daß man gegen den würdelos posirenden
Christus von Herm. Hahn protestirte.
Nun wären noch einige Schlager der Figuren-
malerei zu registriren. Am Lhrenplatz der Ausstellung
prangt die seit mehreren Jahren schon bekannte „Atelier-
pause" von Fritz von Uhde, ein Werk von vornehm
großer Haltung und malerisch reifster Schönheit. Von
Freiherrn von Habermann sehen wir natürlich wieder
so einen dämonisch schwarzschattigen, grünschillernden
Halbakt, dazu ein eigenartiges Familienbildniß vor
einen: alten steilragenden Hause; die Leute gucken eben
über den unteren Rahmenrand und da ihnen die
Abendsonne ins Gesicht scheint, schneiden sie ergötzliche
Gesichter, die Malerei aber an sich ist die denkbar
glänzendste im gegebene,: Habermann-Stil. Albert
v. Keller hat unter mehreren Bildern wenigstens ein
Stück von verblüffender Verve. Im rothbräunlichen
Zimmer ein Sct. Georg, frisch aus dem Antiquitäten-
laden, und zu Füßen des hölzernen steifen Gesellen ein
leidenschaftsprühender Mädchenkopf, mit rabenschwarzen
Augen und ebensolchen: Haar, das über die knallrothe
Blouse pikant einherringelt. So einen malerischen
Knalleffekt erstrebte und erzielte auch Julius Lxter, als
er auf einen lichtfunkelnden rothen Teppich eine kleine
Cellospielerin inszenirte, schlohweiß angethan, mit hell-
blondem Gelock und aus blauen Lngelsaugen den
Klängen seraphisch nachträumend. Otto Greiner, der
Graphiker, ist neuerdings wieder unter die Maler ge-
gangen. In der ihm eignen großen Form malte er
den Riesenleib einer italienischen Sirene und eine
Atelierszene, in welcher das schwarze Kleid des Modell-
mädchens stark in die Augen fällt ob der tonig-male-
rischen Kraft. Damit wären die Hauptwerke der
Sezesnon im wesentlichen aufgeführt. Dagegen brandet
die Masse des Mittelgutes an, das weder zum Freuet:
noch zum Aergern und voi: Jahr zu Jahr immer die
gleiche Physiognomie aufzuweffen hat.
Im Salon A. Wertheim sind Landschaften und
immer wieder Landschaften zu schauen, mehr oder weniger
erträgliches Mittelgut, nach den: allgemeinen Sezessions-
schema fabrizirt, durchweg ohne stärkere persönliche
Ligenart. Ganze Schaarei: voi: bislang obskure,: Namen
 
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