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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 13
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Rapsilber, M.: Ueber den Parteien
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Die Kunst-Halle. Nr. s3

Umständen Profession und Mode. Es wäre wohl end-
lich an der Zeit, daß besonnene und klarsichtige Männer
gegen die leidige Sucht der Schwarzseherei mit allen
Kräften einschritten und dem gutdeutschen Optimismus
und Idealismus ein wörtlein redeten. Denn warum
sollte auf einmal, rein aus blauem Himmel, ohne Ueber-
gang und Niedergang Alles bei uns auf den Hund ge-
kommen sein? Gewiß ist die Zeit sehr ernst und
sicherlich ist manches hüben und drüben verfehlt worden,
deshalb brauchen wir aber nicht sofort die Flinte ins
Korn zu werfen, im Gegentheil, je ernster die Lage,
um so weniger sollten wir thörichte Worte drechseln,
Hader und Unrath aufwühlen. So weit es an ihr lag,
hat die „Kunst-Halle" vom ersten Tage ihres Bestehens
allen faktiösen Treibereien einen Damm entgegengesetzt
und immer nur die Kunst als solche aus rein sachlichen
Erwägungen zu fördern gesucht, wobei die Anschauung
maßgebend war, daß es nicht Künste, sondern nur eine
Kunst gebe und daß diese eine und untheilbare Kunst,
wie das Palladium auf der Akropolis, hochgehalten
werden müsse über den Losungen und Schlagworten
des vergänglichen Tages, wir suchen das Gute, wo
wir es finden, wir huldigen dem Talent und dem
Genie, woher es auch kommen, in welches Gewand
und Glaubensbekenntniß es sich auch kleiden möge.
Um so schroffer aber muß derjenige, dem die pflege der
Kunst eine Herzenssache und innerst befriedigender
Lebensberuf, den thörichten Auswüchsen und Geckereien
der Halb- und Nichtskönner und den Geschäftskniffen
der Pseudokünstler entgegentreten. Um die Kunst schwebt
von der Zeit her, da sie mit der Kirche aufs innigste
zusammenhing, ein Nimbus von Heiligkeit und weihe
und wir meinen, daß dieser ideale Zug, wie wir heute
sagen, auf keinen Fall verloren gehen dürfe, daß nur
das Werk als ein echtes Kunstgebilde zu betrachten sei,
welches zu läuternder Schönheitsfreude und zum an-
dächtigen Schauen anrege, denn je mehr die Religion
an der Herrschaft über die Gemüther einbüßt, um so
mehr soll die Kunst zur Herzensbildung des Volkes bei-
tragen und das Himmelreich auf Erden erbauen helfen.
In diesem Sinne ist die Kunst der höchste Kulturfaktor
einer Nation und wehe denen, die an ihrer Heiligkeit
rühren, die sie hinabzerren in die Niedrigkeit einer
dienenden Magd und sie zu einer Waffe des Hartei-
haders mißbrauchen. Die Berliner Akademie hat nun
in den Wahlen Zeugniß von dieser hohen Auffassung
abgelegt und über die Parteien hinweg an den Menschen
und Künstler den ehrenvollen Nuf ergehen lassen, und
das in so augenfälliger Deutlichkeit, daß wir nicht
umhin können, die Thatsache ins hellste Licht zu rücken.
Ls geht die Rede, daß heute offiziellerseits die
Sezession mit aller Macht niedergedrückt und hintan-
gestellt werden soll. Gewiß hat, was die Beschickung
der Weltausstellung anbetrifft, ein ungeschickter Regisseur
seines Amtes gewaltet und zur Trübung der Verhält-
nisse beigetragen, andererseits aber auch eine voreilige
Verkennung der Schwierigkeiten der Sachlage dem

Faß den Boden ausgeschlagen. Das Alles aber hat
nicht gehindert, daß unsere zuständige und höchste Kunst-
instanz den Sezessionen eine glänzende Gerechtigkeit
widerfahren ließ. Die Behauptung, daß der modernen
Kunst höheren Orts Licht und Luft entzogen werde,
wird durch die Akademiewahlen geradezu schlagend
widerlegt. Man betrachte die Reihe der Neugewähltcn.
Den Architekten Alfred Messel und den Kupferstecher
Albert Krüger wird man der neuen Richtung nicht zu-
zählen dürfen. Alle übrigen aber, und zwar die Berliner
Gskar Frenzel, Friedrich Kallmorgen, August Gaul, der
Münchner Heinrich Zügel und die beiden Ausländer
Josef Israels und Anders Zorn, sind durchaus als
Vertreter einer sog. Sezessionskunst zu betrachten, gleichviel,
ob sie nun der entsprechenden Vereinigung angehören
oder früher einmal angehört haben und sich mittlerweile
eines Besseren besonnen haben. Alle genannten Persön-
lichkeiten waren vermöge ihres erfolgreichen Schaffens
und gewiß nicht ihrer Harteistellung wegen der akade-
mischen Ehrung für würdig erachtet und so wird man die
Auswahl gerade dieser Künstler mit Genugthuung auf-
nehmen dürfen. Zu vergegenwärtigen hat man sich
dabei, daß in der Akademie die alte und die neue
Richtung einander die wage halten, daß keineswegs
die sezessioniftischen Mitglieder in der Majorität sind,
daß also die geübte Gerechtigkeit und Unparteilichkeit
auch den Vertretern der älteren Kunst und gerade
diesen zu danken ist. Allerdings hat man nicht die
Sezession als solche, sondern nur die künstlerische Persön-
lichkeit fördern wollen und eines Anderen wird sich auch
niemand von der würde der Akademie versehen dürfen.
Die Herren von der Sezession zwar gebärden sich, als
ob schon die Zugehörigkeit zu ihrem geschlossenen Zirkel
jedem Mitglied den künstlerischen Adel verleihe, und sie
thun sich auf das Prinzip der Elite und strengen Aus-
wahl nicht wenig zu gute. Doch schon ein Blick in
ihre Ausstellungen widerlegt sie; genau so wie in den
Glaspalästen florirt bei ihnen der Kitsch, der sich meist
nur nothdürftig in ein fürwitzig modisches Gewand
hüllt. Einer Sezession wird man daher, auch wenn
thatsächlich eine strengere Jury waltet, keinen höheren
Rang als sonstigen Genossenschaften zuerkennen dürfen;
angesichts des anspruchsvollen Programms wird man
sogar bei einer Sezession einen strengeren Maßstab der
Kritik anlegen müssen, ohne gegen die Gerechtigkeit zu
verstoßen, denn eine derartige exklusive Vereinigung ist
naturgemäß in der glücklichen Lage, die minderwerthigen
Leistungen auf ein Mindestmaaß zu beschränken.
Sehr bemerkenswerth ist es auch, daß im Verein
Berliner Künstler nach mancherlei Anfechtungen und
Mißhelligkeiten die gesunde Vernunft über den Wirrwarr
der Parteiungen den Sieg davongetragen und die
würde der Kunst den Treibereien der Nichtskönner und
Schreier gegenüber glücklich gewahrt ist. Man weiß,
daß es eine unendliche Mühe gekostet hat, das Niveau
in den großen Berliner Ausstellungen soweit zu heben,
daß sie mit den gleichartigen Veranstaltungen anderer
 
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