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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 14
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Rapsilber, M.; Galland, Georg: Aus den Berliner Kunstsalons
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Die Kunst-Palle.

2s5

Nr.

seine Gelstudien weisen eine gute Schule und eine
herzhafte Frische auf. Im Uebrigen versäumte er
nicht, das trauliche Biedermaierhaus am Abhang mit
italienischem Pimmel darüber zu malen, was sich nach-
gerade zum Freimaurerzeichen bei den jüngern Malern,
zumal bei denen aus Tharlottenburg, herausgebildet
hat. Lin großes Thema ersah sich Grohmann in der
Lsigh Street zu London. Man schaut in die verkehrs-
wimmelnde Großstadtstraße gegen das Licht und den
Welkdunst und dahermarschirt kommt ein malerisches
Schottenregiment, vor Allem kam es dein Künstler auf
den Farbeneindruck an, und dieses Problem ist trefflich
gelöst. Aber sonst hat er sich die Arbeit gar zu leicht
gemacht. Man sieht da Staffagefiguren wie auf billigen
Mode- und Reklamebildern und man ärgert sich über
den offenkundigen Unfleiß eines Künstlers, der Besseres
leisten könnte, wenn er nur wollte. —
Liner höchst betrüblichen Lrscheinung möchte ich
heute noch gedenken, so sehr es mir auch widerstrebt,
den handgreiflichen Unarten von palbkönnern kritisch
entgegenzueifern. Sozusagen als eine Demonstration
weiblichen Malergenies hat man im bescheidensten Saale
des Künstlerhauses eine Gruppe von modernthuenden
Malerinnen zusammengetrommelt und da bekommt man
wahrlich einen Lindruck wie in der Schreckenskammer
eines Panoptikums. Ls sind acht Malerinnen bei-
einander, die sich alle offenbar für Genies halten oder
wenigstens sich so gebärden, mit Ausnahme etwa von
Lva Stört, welche in schlichten, ehrlich studirten Land-
schaften der Natur und dem guten Geschmack zu folgen
trachtet. Die anderen Sieben aber gehöre,: mehr oder
weniger zu den furiösen Patzheldinnen moderner, nun
aber schon längst überlebter Observanz. Seltsam, wie
stellenweise beim weiblichen Künstler die Mode zum
Fanatismus ausartet, das Gold zum Blech, der Gesang
zum Geschrei und der Naturalismus zur vollendeten
Geistesäde. Sogar Käthe Kollwitz thut hier wacker
mit, indem sie drei Rahmen voll Kritzeleien, voll An-
deutungen zu Kleinkinderakten ausstellt, Sachen von un-
fertiger und nichtssagender Art, die gar nichts von
ihrem großen Talent erzählen. Ferner sehen wir hier
an der einstmals so stark bewunderten Olga v. Boznanska
den Verfall des Zigeunergenies. Noch ist in den Bild-
nissen ein Abglanz ehemaliger Treffsicherheit, aber die
Bilder sind Kitsch, weil hier die prinzipielle Mißachtung
von Form und Farbe sich endlich bitter gerächt hat.
Die Malereien muthen an wie Kulissenruinen. Lsther
Booth malt Blumenstücke, aber hat nicht die Kraft zum
Bilde. Maria Slavona legt einen grauen und schwarzen
Klex auf die Leinwand und meint, das wären Katzen.
Tlara Siewert verabscheut das Idealismen, hat nun
aber die unfehlbare Sicherheit im Verhäßlichen der
Menschengestalt, die Bildnisse sind unsagbar roh gepatzt
und wirken nicht anders als komisch. Ida Gerhardi
fühlte sich in Paris zur Koloristin berufen und malt
nun Menschen, die in Alizarintinte getunkt erscheinen.
Pier offenbart sich der vollendete Ungeschmack in der
Gruppe der sieben Genialen. Den Gipfel der Komik
aber behauptet nach wie vor pedwig weiß. Malen
wollte sie m a. ein riesenhaftes Stillleben: einen weiß-
gedeckten Tisch_ mit Porzellan und weißen Blumen
darauf. Der Lisch mit dem zarten Linnen aber schaut
nur aus etwa wie der Grundstein eines Monumental-
baues, der mit rauhem, grauem Kalk frisch beworfen ist,
die Blumen wie schmutzige Watte u. s. w. Ls mag
wohl einmal Leute gegeben haben, die das für kühn und
genial proklamirt haben. Aber wenn man nun sieht,
daß solch eine bravouröse Künstlerin jahraus jahrein
nichts anderes zu Stande bringt, als derartige Patz-

orgien, so wird hier der tragikomische Verfall eines
einstmals gewiß hoffnungsvollen Talentes offenbar,
eines verpfuschten Menschenlebens, das vom pochmuths-
teufel zu Schanden geritten ist.
M. Rapsilber.
* 2c
Die mangelhafte zeichnerische Schulung, das brutale
pinneigen der Mehrzahl der weiblichen Künstler zu
extremen Moderichtungen — sind lediglich Folge-
erscheinungen der fehlenden rechten künstlerischen Aus-
bildung, die dem weiblichen Geschlecht auch heutzutage
leider nur zu oft voreiithalten bleibt. Vielfach in der
That durch eigene Schuld, da die Frauen den viel-
genannten Modemaler und -lehrer bei weitem dem ge-
wissenhaften Leiter ihrer Uebungen vorziehen. Zu den
erfreulichen Ausnahmen gehört das Atelier des ge-
schätzter: hiesigen Meisters Ernst paus mann (Neue
winterfeldtstr. 27), wo kürzlich die Leistungen einiger
angehenden jungen Malerinnen, sehr zahlreiche Akte,
mehrere Bildnisse, landschaftliche Studien u. dgl. der
Betrachtung und Kritik übergeben wurden. Da konnte
man also, im Gegensatz zu den üblichen Erfahrungen,
an diesen schönen zeichnerischen und gemalten Proben
wahrnehmen, daß dem weiblichen Geschlechte diejenigen
Eigenschaften, die man gewöhnlich an ihren allzu flüchtig
gefertigten Arbeiten vermißt, nicht versagt sind, daß es
nur einer zweckmäßigen pflege des Talents bedarf, um
die Schülerinnen an genaues Naturstudium, an sorg-
fältige Wiedergabe des menschlichen Körpers u. s. w.
zu gewöhnen. Namentlich lassen die fleißig durch-
geführten Arbeiten der Damen L. Richter, Müller-
Fürer und L. von Prittwitz berechtigte poffnungen für
die Zukunft zu. Lrnst Pausmann hat diesen respektablen
Proben seiner Mal- und Zeichenschule verschiedene
eigene Werke aus letzter Zeit hinzugefügt, Bildnisse,
Genrestücke und Landschaften. Seine vornehm gedämpfte
Palette giebt allen diesen Bildern ein gewisses alt-
meisterliches Gepräge, und wenn er auch gern südliche
Motive, z. B. aus Palermo wählt, so erkennt man doch
sofort die koloristische, dabei persönliche Art des nordischen
Malers. Seine schlichten Interieurs, seine hochmalerischen
Straßenwinkel, in denen Lämpchen an einem peiligen-
bilde entzündet oder gelbe Früchte verkauft werden,
sind von unsagbar intimen: Reiz, von gesättigter,
manchmal wehmüthiger Stimmung. Diese tiese Stim-
mung besitzt hier auch eine größere Leinwand, auf der
in einer leise bestrahlten katholischen Kapelle ein ver-
sunkenes Landmädchen knieend ihr Gebet einsam verrichtet,
während sich weit hinten eine gläubige Menge um ein
Gnadenbild brünstig drängt. Durch Eleganz der
paltung, koloristische Kraft und Sorgfalt der Behand-
lung zeichnet sich das Kniestück einer herrlich schönen
Dame, der Frau Geheimrath F., aus. Lin köstliches
landschaftliches Idyll vom Lhiemsee im grün-grauen
Tone, einige poetisch aufgefaßte frische Pastelle von der
grün umrahmten Villa March in der gleichnamigen
Tharlottenburger Straße und die kräftige Zeichnung
einer lieblichen Madonna mit Kind fallen ferner in der
Zahl der übrigen Objekte durch künstlerische Oualität auf.
G. G.
 
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