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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 17
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Günther, Julius: Grosse Kunstausstellung 1904
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262 Die Aunst - Hane. Nr.

hängen, zu besprechen hat, sondern die ganze Aus-
stellung der Räume, die Anordnung des Ganzen, die
zahllosen, zur Steigerung des ästhetischen Eindruckes
angewandten Dekorationsmittel diskretester Art mit in
Betracht zu ziehen hat, nicht leicht: ist aber eine Aus-
stellung so reichhaltig, wie die am 30. April feierlich er-
öffnete diesjährige Dresdner Ausstellung, so wird es
dem gewissenhaften Berichterstatter schwer, zu ent-
scheiden, was er übergehen darf und wo er länger ver-
weilen soll in ausführlicherer Schilderung. Außer einer
umfänglichen Ausstellung von Gemälden und plastischen
Arbeiten von insgesammt (9^0 Nummern, Graphik
einbegriffen, haben wir modernes Kunstgewerbe, Sonder-
ausstellungen von K. Koepping und Otto Greiner, eine
retrospektive Ausstellung, die das ff)- Jahrhundert um-
faßt, von mehr als 300 Nummern, eine Kollektiv-
ausstellung Menzel'scher Werke, eine Empire-Ausstellung
und 2 Mustergärten.
Lin Nundgang durch die weiten Säle zeigt im All-
gemeinen wieder, wie früher, die Ausstattung der
Räume auf der Höhe des Geschmacks: abgesehen von
der retrospektiven Ausstellung, die fabelhaft geschloffen
wirkt, scheinen mir der Saal der Dresdner Kunst-
genoffenschaft, was farbige Gesammtstimmung anlangt,
und die Rkünchner Säle am besten zu wirken, aber
Störendes ist eigentlich nirgends zu finden: überall
herrscht vornehme Ruhe im Arrangement und nirgends
wird das Auge durch aufdringliches Zuviel belästigt.
Gegen früher ist auch ein Fortschritt in Bezug auf das
Licht zu konstatiren: nur noch ganz wenig Räume haben
ungenügende Beleuchtung. Sehr zu bedauern ist aber
und kaum begreiflich, daß der große, herrliche Elastik-
saal von früher nicht wieder hergestellt worden ist,
sondern daß man die Linbauten von der Städte-Aus-
stellung her, die den Saal verkleinern und, statt Raum
zu schaffen, ihn nehmen ließ. Rian hat damit die
Ausstellung eines seiner Hauptreize, der jeden ein-
tretenden Besucher früher sofort gefangen nahm, beraubt.
Betrachten wir zunächst in gegebener Reihenfolge
die Ausstellungen der Städte Dresden, Berlin, Düssel-
dorf, München, Wien, Stuttgart und Karlsruhe, so
finden wir, daß die Gesammthöhe der Leistungen,
Wien ausgenommen, eine achtunggebietende ist: Minder-
werthiges ist kaum zu finden. Zn Dresden fällt ein
großes Pastell auf schwarzem Grund, „St. Georg", von
Osmar Schindler, das außerordentlich stark dekorativ
wirkt, auf; desselben originell komponirter „Herkules"
wirkt malerisch etwas hart. Franz Kunz bringt eine
feintonige Abendlandschaft, Paul Kießling ein kleines
Herrenxorträt in ganzer Figur in delikatester Aus-
führung, p. poetzsch einen frisch gemalten Netzeflicker:
ferner seien unter den Besten genannt: Nossow, Hegen-
barth, Glöckner, Fr. Huysen-Fischer-Gurig. Der in Rom
lebende O. Galle strebt in seinem „Bogenschützen"
offenbar Hans von Marses und Arthur Volkmann nach.
Hans Unger zeigt in seiner „Dämmerung" ein feines
Stück Malerei von stimmungsvoller Geschlossenheit,
ohne doch tiefer damit zu wirken, während sein Kopf
„Symbol" nur befremdlich wirkt.
Zn den kleinen anschließenden Räumen ist die
Münchner Sezession mit einer kleinen, aber gewählten
Sammlung vertreten; es fallen da auf: ein gutes
Selbstporträt von Gppler, zwei farbig famose Thier-
stücke von Zunghanns, ein sehr feines Znterieur mit
einem Guitarre spielenden Mädchen von A. Niemeyer,
Piepho's reizendes Bild „Dämmerung" und dann be-
sonders ein wundervoll luftiges Bild „Ueberlinger See"
von Rich. Kayser. Das anspruchslose Bild von Toni
Stadler, eine feintonige, hügelige Landschaft, die jeden

Effekt verschmäht und darum um so erfreulicher wirkt,
ist mit der großen goldenen Medaille ausgezeichnet
worden. Berlin bringt naturgemäß viele Sachen, die
man von der vorjährigen Berliner Ausstellung her
kennt, so A. Kampf's vielbesprochene „Schwestern",
Hugo vogel's pompöses Gruppenbild des Hamburger
Senats und M. Schlichting's „Lustschlösser". Besonders
interessirt diesmal ein großes Porträt von Neinhold
Lepsius, eine Dame in einfach geschmackvollem Straßen-
kostüm stehend, ein Bild von ungemeinen: Reiz in Auf-
fassung und farbiger Haltung; auch Leistikow, Otto
H. Engel und Skarbina sind vortrefflich vertreten, ebenso
A. v. Brandts mit einem sonnigen Znterieur von vor-
züglicher Mache.
Beim weiterschreiten durch die folgenden kleinen
Kabinette finden wir überall die wohlthuende, für
Dresden so charakteristische Mäßigung in der Platz-
ausnutzung, so daß man die besten Sachen nicht mühsam
aus dem wüste des Mittelgutes herausholen muß. Da
seien der temperamentvolle Hermann Urban mit einem
herbfarbigen „Herbsttag" in Tempera, F. A. von Kaul-
bach mit einem prächtigen Knabenbildniß und Raben-
ding mit einem im Motiv orginell erfaßten Bilde „Alte
Eisackbrücke" erwähnt.
Düsseldorf hat wenig, aber durchweg Gutes ge-
sandt, wofür die Namen E. Kampf, Lasch, Heinr. Her-
mans, Dirks und Liesegang bürgen, ebenso München,
das wir im anschließenden größeren Saale finden. Die
beiden Schuster - woldan, Raffael und Georg, nehmen
mit größeren Bildern die zwei Hauptwände ein, ersterer
mit der „Legende", die farbig wundervoll wirkt, einem
Bilde von ungewöhnlichem malerischen Temperament,
bei dessen Betrachtung man aber doch von dem un-
heimlichen Gefühle beschlichen wird, daß das künst-
lerische Leben in Gefahr ist, von Manier und Virtuosität
getödtet zu werden. Georg Schuster - woldan's Bild
„Der Rattenfänger" trifft den Märchenton überraschend
gut: es ist ein feines, liebenswürdiges Werk, das auch
malerisch viel Gutes enthält. Sonst wären noch die
Landschafter Baer, H. Völker, Fr. Hoch, ferner T. Marr
mit dem bekannten Porträt seines Vaters, Walther
Thor mit zwei älteren Bildern und einem neuen guten
Herrenbildniß und T. Blos zu nennen; bei letzterem
Künstler liegt die Frage nahe, ob er das von ihm nun
schon solange mit Virtuosität gepflegte sehr kleine Ge-
biet nicht etwas erweitern möchte. Sehr reizvoll ist
endlich w. Firle's „Goldene Hochzeit", trockener zwar
in der Farbe, als sonst, aber doch in allem Anderen
rühmenswerth. Der folgende Saal bereitet wohl Zedem
eine große Enttäuschung: in der weise ist die Wiener
Sezession nicht ernst zu nehmen; das ist gar zu wenig
Resultat, zu viel Wiener Kunstgigerlthum. Es lohnt
sich nicht, das schnurrige, affektirte, gespreizte Zeug zu
besprechen: schade um das viele Talent! Die wenigen
guten Sachen fallen um so gründlicher heraus, so „Eine
Mutter mit Kind" von w. List, „Spanische Tänzerin"
von Engelhart, „Abendläuten" von E. Stöhr und be-
sonders ein famos frisches, dreist heruntergemaltes
Knabenbildniß von Ferdinand Andri.
Zn erfreulichem Gegensatz hierzu steht die gesunde
Kunst von Stuttgart und Karlsruhe, wo Künstler wie
pankok, Rob. Haug, Thr. Speyer, Reiniger, Bergmann
und H. N. von Volkmann dominiren. Speyer's großes
Bild „Die heiligen drei Könige" will mir in seiner
schlichten dekorativen Wirkung besonders gefallen; auch
Volkmann ist in dem einen seiner Bilder „Wälder und
Felder" anscheinend glücklich: es ist wohl eins der besten
Bilder von ihm. Zul. Günther.
(Fortsetzung folgt.)
 
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