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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 18
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Lázár, Béla: L. von Paál
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Die Kunst-Halle.

Nr. f8

276

zeugt, daß Freundschaft kein leeres Wort ist. jemand
hat für mich solche Opfer gebracht, zu welchen man
sich heutzutage selten versteht." Dieser „Jemand" war
Munkücsy. Und so konnte Haül endlich im Mai s872
nach Haris reisen.
Lechs Jahre verbrachte er daselbst in immer mehr
sich verdüsterndem Seelenzustande. Mit großen Hoff-
nungen machte er sich an die Arbeit. Er versenkte sich
in ernste Studien, vornehmlich in Barbizon, wo da-
mals nur noch der alte Millet lebte. Als Munkncsy
heirathete (f87H, war es natürlich mit der großen
Lebensgeineinschaft beider zu Ende. Auch die materiellen
Verhältnisse von Haäl's Litern wandten sich immer
inehr zum Schlechter»!, seine Erfolge ließen ebenfalls
auf sich warten. So verschlimmerte sich seine Lage
von Jahr zu Sahr. f876 erregte er im Salon Auf-
sehen mit seinem Bilde „Der Froschtümpel", doch stand
das materielle Ergebniß in keinem Verhältnisse zu dem
moralischen Erfolge. Sein Vertrauen begann zu
schwinden, die materiellen Sorgen lasteten schwer auf
ihm, und allgemach ließ er, verzweifelnd, alle Hoffnung
sinken.
Sin Sommer s877 stieß ihm auch ein Unfall zu:
er schlug mit dein Kopfe an ein über seinen! Wasch-
tische befindliches Gasrohr, so daß er ohnmächtig Zu-
sammenbruch. Die Folge war ein niemals aufhörendes
Kopfleidei:. Sm Sahre l,878 schrieb Munkiicsy über
Haül's Zustand an dessen Schwester:
„Geehrte Frau! Auf Sbre heute mir zugekommenen
geschätzten Zeilen beeile ich mich, zu antworten, um so
mehr, als ich weiß, wie lange Sie schon auf eine Nach-
richt über Shren lieben Bruder warten, die er persön-
lich, leider, nicht im Stande ist zu geben. Bestimmt
kann ich mich in diesem Augenblicke über seinen Zu-
stand nicht aussprechen, ich wage es, weder Hoffnungen
zu wecken, noch auch jede Hoffnung abzusprechen. Sch
will es daher versuchen, seinen Zustand, so wie er ist,
zu beschreiben, und ich thue dies mit jenem Schmerze
und jener aufrichtigen Theilnahme, welche der traurige
Zustand meines armen, guten Freundes in mir erweckt.
Nach der Ansicht der Doktoren leidet der arme Laozi
an Gehirnerweichung. Und, aufrichtig gesagt, ich, der
ich ihn immer beobachtet, habe schon lange eine Ge-
müthsveränderung an ihm wahrgenommen, doch glaubte
ich immer, daß sie von den vielen Sorgen und dem
sehr traurigen Zustande seiner materiellen Verhältnisse
herrühre; insbesondere war ich anläßlich der im vorigen
Sommer geführten Korrespondenz mitunter überrascht
von seinen unleserlichen und unverständlichen Briefen.
Sch schrieb dies dein Umstande zu, daß er vielleicht in
Eile geschrieben habe, doch als wir im Herbste, nach
Haris zurückgekehrt, wieder zusammentrafen, begann
mich sein Zustand mit schwerer Besorgniß zu erfüllen,
obzwar er über nichts klagte, ausgenommen über zeit-
weiligen Schwindel, wobei er schwer zu sprechen be-
gann. Setzt ist das Leiden so weit entwickelt, daß er
in der letzteren Zeit häufig die Fähigkeit, zu sprechen,
vollständig verlor. Ueberhaupt ist er kaum im Stande,
einen Satz vollständig zusammenhängend zu sprechen.
Sie können sich denken, geehrte Frau, wie be-
ängstigend und traurig es für mich ist, meinen Freund,
mit dem ich so lange zusammen lebte, in einem solchen
Zustand zu sehen. Sn der letzten Zeit war er eine Meile
bei mir, auf Anrathen des Doktors aber ging er in
eine Heilanstalt bei Haris, wo er vornehmlich Luftkur-
gebraucht; denn für ihn giebt es nichts Anderes als
Ruhe und ein sorgenloses Leben, frei von aller Be-
ängstigung. Er selber ist sich seines Zustandes nicht
bewußt, und ich glaube, es würde gute Wirkung

aus ihn üben, wenn er von Shnen irgend eine gute
Nachricht erhielte, da es ihn sehr mit Sorgen erfüllte,
daß er die letzten s50 Gulden, die sein Bruder von
ihm verlangt hatte, nicht schicken konnte. Sch gestehe,
daß ich Shren letzten Brief, sowie den Shres Bruders
ihm nicht übergeben habe, da ich fürchtete, sein Snhalt
werde wieder Krisen bei ihm Hervorrufen, was auch
geschehen wäre, daher ich für diese Freiheit, die ich
mir genommen, um Vergebung bitte.
Sch kann mir denken, wie niederdrückend meine
Zeilen auf Sie wirken werden, doch verlieren wir das
Vertrauen nicht, und hoffen wir, daß mit Gottes Hilfe
alle Gefahr abgewendet werden wird; doch darauf
bereite ich Sie Alle vor, daß die Krankheit lange
dauern wird. Sn Betreff seiner Versorgung brauchen
Sie sich nicht zu ängstig n, wir, einige gute Freunde,
werden sie nach unseren: Körnen bestreiten.
Es ist vielleicht überflüssig, zu sagen, wie sehr mich
diese traurige Lage bewegt, die mich auf ungewisse
Zeit meines besten Freundes beraubt. Sch werde nicht
säumen, Sie von Zeit zu Zeit über den Zustand unseres
Laozi zu verständigen, und ich wün'che von Herzen,
daß ich je bälder bessere Nachrichten senden könne.
Bis dahin verbleibe ich ro." — —
Sin Dezember desselben Sahres mußte Munkücsy
noch schlimmere Nachrichten senden. „Die Krankheit"
schreibt er — „hat eine rasche Entwicklung ge-
nommen, und, um ganz aufrichtig zu reden, in der
jüngsten Moche machte er eine solche Krise durch, daß
wir glaubten, sie wäre die letzte. Setzt ist wieder eine
kleine Besserung eingetreten, doch, wie die Doktoren
sagen, nur für kurze Zeit Sn diesem Augenblicke ist
er zwar bei Bewußtsein, doch zu schreiben oder zu
lesen, zu geistiger Beschäftigung überhaupt, ist er voll-
ständig unfähig, daher ich glaube, daß es ganz über-
flüssig wäre, an ihn zu schreiben. Sm klebrigen ist er
mit allem Erforderlichen versorgt."
Noch zwei Monate lang litt der arme Kranke, bis
er endlich in der Nacht zum o. März s87f) durch den
Eod von seinen Leiden erlöst ward. Als ob er ein
Stück von seinem Herzen verloren hätte, so grämte sich
Michael Munkücsy. Bei dem Leichenbegängnisse brach
er ohnmächtig zusammen. Vielleicht ahnte er, daß
er, indem er seines Freundes trauriges Ge-
schick beschrieb, eigentlich über seine eigene
Zukunft schreibe. Neunzehn Sahre später ward ihm
genau das gleiche Schicksal zu Theil, das Ladislaus
von Haül ereilt hatte.-
Außer dem Bilde, das jetzt in Düsseldorf aus-
gestellt ist, und zwei Maldinterieurs auf der Berliner
Kunstausstellung kann inan Haül's Kunst in: Haag be-
wundern, wo ein Bild von ihn: in: Mesdag-Museum zu
sehen ist. Das neue Museum in Budapest, welches inan
künftiges Sahr eröffnet, wird ein ganzes Haül-Zimmer
Habei:.
Leidenschaft, Kraft und Energie ist das charakte-
ristische Merkmal seiner Kunst. Seit Rousseau hat Nie-
mand die wilde Stimmung Barbizon's so eigenartig
geschildert wie er. Sn Barbizon hat er die Arader
Stimmungen wiedergefunden und mit magyarischer
Kraft ausgedrückt.
Sn ihm verehren wir unseren größten Landschafter.
 
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