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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 20
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Rapsilber, M.: IX. Ausstellung der Berliner Sezession
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Die Run st-Halle.

3s2

Nr. 20

anmuthet, als ein Plakat, das durch Firmennennung
für die beste Stiefelwichse, die billigste Zeitung, das
stinkendste Automobil oder sonst etwas Modernes wirk-
sam zu verwerthen wäre.
Die übrigen deutschen Gruppen und Schulen sind
begreiflicher Weise nicht so reich abgestuft wie die
Münchner. Ls lassen sich daher keine symptomatischen
Betrachtungen an die Einzelbilder anknüpfen oder noch
weniger neue Wendungen in der Schulentwicklung fest-
nageln. Die stärksten Persönlichkeiten unter den klein-
deutschen Gruppen bleiben nach wie vor die Worps-
weder. Ls genügten zwei Bilder, dieses Uebergewicht
aufrecht zu erhalten. Wie schon bei einer früheren
Gelegenheit festgestellt wurde, sind die Worpsweder in
natürlicher Entwicklung ihres Ideals nun auch zum
großen Format der Malerei angelangt. Das Bild hat
wieder über die Studien den Sieg davongetragen.
Fritz Mackensen triumphirt in dem interessantesten Saal
der Ausstellung mit seinem großen Bilde der Scholle.
Der alte Bauer hat seine beiden Töchter vor die Egge
gespannt. Aber das soll kein Symbol altbäuerlicher
Menschenschinderei darstellen, sondern eher eine feier-
liche Handlung von denl Segen der Arbeit, die heiß
um die Scholle ringt und ein frisches Naturgenügen und
alle Segnungen der Gesundheit in sich faßt. In monumen-
taler Erhabenheit stehen die Gestalten gegen die Abend-
glorie des strahlenden Wolkenhimmels. Auch Karl Vinnen
verleiht seinem großen Bilde des Frühlingswaldes
die feierliche Größe. Der Wald mit den glatten
Stämmen ist wie ein Dom der Naturandacht, im Bach
spiegelt sich der tiefblaue Sonnenhimmel und aus dem
braunen Boden entringt sich die keimende Inbrunst
des verjüngten Lebens.
Den Ruhm von Karlsruhe vertreten Thoma, Volk-
mann und Trübner. Der Letztgenannte protestirt mit
seinen Erstlingsbildern vor dreißig Jahren gegen seine
neuere Pedanterie. Thoma zeigt eine Fortuna, die auf
einer bunten Kugel mit dem Pokal in der Hand vor dem
Hochgebirge einherrollt, und das ist ein anheimelndes
Bild altdeutscher Biederkeit im Volkston. Dagegen
will eine „Träumerei an einem Schwarzwaldsee" sich
der beabsichtigten Stimmung nicht recht fügen. Vorn
durch die Tannen führt ein Ritter sein Streilroß am Zügel
und sehnsüchtig schaut er zu dem Berge empor, auf dessen
Gipfel die Gralsburg jmit goldenen Kuppeln zu winken
scheint. Der Wald aber ist nach rationeller Forstwirth-
schaft formirt und der See mit den Lohengrin-
Schwänen kann seinen höheren Zweck als Karpfenteich
nicht verleugnen, wir haben es hier also mit einem
schwachen und zwitterhaften Bilde des Meisters zu thun.
Hans von Volkmann ist mit zwei Eifelbildern von schöner
und schlichter Vollendung vertreten. Stuttgart entsandte
den Kohlen-Pleuer, der statt mit Farben mit Kohlen-
staub zu zeichnen scheint, dabei aber mit der schaurig
schwarzen Stimmung das Leben in den Zechen meister-
haft veranschaulicht, ferner den ausgezeichneten Land-
schaftsmaler Otto Reiniger, der vornehmlich in einer
großen Abendstimmung eine der reifsten Leistungen
deutscher Landschaftsmalerei darbietet. Graf Kalckreuth
endlich, welcher das Bildniß seiner Frau im Thür-
rahmen und eine Ansicht des hochgelegenen Walden-
burg ausstellt, scheint nachgerade sein gewaltiges und
gewaltsames Temperament all aota gelegt zu haben.
Nunmehr strebt er ins Intime und Feinmalerische, ist
dabei jedoch in einer gewissen Sprödigkeit und Farb-
losigkeit befangen, was gewöhnlich das Anzeichen kri-
tischer Wendepunkte und malerischer Mauserungen ist.
Die ausländische Kunst verdichtet sich in der Se-
zessionsausstellung vornehmlich in einer französischen

und dänischen Gruppe. Im Uebrigen wären nur
Einzelleistungen in Betracht zu ziehen, vor allem sticht
der Genfer Ferdinand Hodler mit einem großen Karton
in die Augen: darstellend den Rückzug der Schweizer
Landsknechte bei Marignano. Also die nach dem
Schema Muther verpönten Historienbilder von schinken-
hafter Größe sind von der Sezession wieder in Gnaden
restituirt. Allerdings malt Hodler nicht nach aka-
demischem Rezept, wie er überhaupt malt, wird aus
dem salopp kolorirten Karton nicht recht ersichtlich,
aber er nimmt den Beschauer durch eine echt historische
Gabe gefangen. Die fürchterlichen Prachtkerle, die dem
König Franz dienen, haben so eine leibhaftige Echtheit,
daß man bis ins Innerste erschauert. Ein zweiter
Schlager aus dem Auslande ist das Bildniß des Schrift-
stellers Duret von Whistler. Die delikate Louleur: das
schummerige Schwarz des Frackanzuges gegen das
weiche Grau des Hintergrundes gemahnt an die Süßig-
keit einer türkischen Torte und zum Trumpf des Malers
hält der schwärzliche Herr ein weibliches Kleidungsstück,
ein Taxe, ein Iupon oder so etwas von lila Seide
über dem Arm. Das macht ihn komisch malerisch und
kennzeichnet ihn als einen verbuhlten Schürzen- oder
Iuponzäger, und so sollte es auch wohl sein.
Die Dänen treten als eine einheitlich geschlossene
und charaktervolle Gruppe auf. Ls haftet ihnen ein
gewisses Phlegma an. Sie waren ja nie Himmels-
stürmer und Fürsprecher modernen Ueberschwangs.
Ihre Stärke ist das Porträt. Kroyer malte den
Tharakterkopf des Dichters Ionas Lie und Tuxen den
reisigen Kroyer, der durch die Sonnengluth der Dünen
einherschreitet. vilhelm Hammershoj und Julius
Paulsen liefern Gruppenbilder von dänischen Notabein.
Alle diese Bilder sind bedeutsam durch die Kraft der
Lharakterisirung und die noble Farbengebung. Land-
schaftliche Koryphäen sind viggo Iohansen und Laurits
A. Ring Während Einar Nielsen durch die Behand-
lung eines seltenen Themas Aufsehen erregt. Er malte
eine Frau in guter Hoffnung, ganz schlicht und groß
und ernst, als ein Symbol des verehrungswürdigen.
Die Frau steht in blaugrauer Kleidung im Halbxrosil
im Thürrahmen gegen schwarzen Hintergrund. Die
Franzosen endlich sind reichhaltig vertreten. In den
Bildnissen spricht sich der pariser Geschmack der
neuesten und vornehmsten Prägung aus und ferne,
die Freude an einer glatten und sauberen Ausführung,
die sich nicht in outrirte malerische Probleme verbeißt,
und nicht an grünen oder blauen und schiefen Nasen
nach Berliner Art ereifert. Dem Unfug haben die
Franzosen bereits längst entsagt. Im Uebrigen sehen
wir von Eugene Tarriöre eins der nebelhaften Bilder,
Mutter und Tochter soll es sein, die immer durch die
große Gestaltung erfreuen, von vallotton ein bunt bizarres
Bild einer alten Jungfer in komischer Beleuchtung. In die
bretonische Sphäre führen Lucien Simon, welcher die
charakterfesten Bauern in der Messe, und Lharles
Tottet, welcher die Bretagnerinnen auf einer Kirchweih
in bunter herber Ehrbarkeit versammelt. Das stärkste
Talent der heutigen Impressionisten stellt sich in
Georges d'Lspagnat dar. Lin Festzug in Tanger, ein
junges Mädchen mit Mohn und ein Korb mit Rosen,
das sind seine Bilder, welche die stärksten Farben-
wirkungen in der Sezessionsausstellung aufzuweisen
haben, dabei aber auch ein zeichnerisches Genie
offenbaren.
M. Rapsilber.
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