Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 9.1904

DOI Heft:
Nummer 21
DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Münchner Jahresausstellung im Glaspalast
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunst_halle1904/0378

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
326 Die Kunst-Halle. Nr. 2 s

loses riskiren kann, aber gleichwohl möchte man ihm
rathen, im nächsten Jahr wieder etwas Anderes zu
bringen, etwas, das seiner „Morgensonne" vom vorigen
Jahr würdig ist. Leo putz, der erst seit kurzem zur
Scholle gehört, ist das Genie der Feste. Aus einer Wald-
wiese unter schattigem Laubdach lagern Herren und
Damen zu einein frohen picknick, in einem weiten,
biedermaierisch zugestutzten Garten lustwandeln schöne
Frauen, und junge Kavaliere küssen ihnen graziös die
Hand. Die Heiterkeit und Lebenslust, die Freude des
gemeinsamen Genießens weiß putz in seine Bilder zu
bannen. Aber auch in einer merkwürdigen Fabelwelt
weiß er Bescheid: Glitzernde Meerfrauen und ungeheuere
Muschelmänner kämpfen im Liebeskampf, seltsame Moor-
gespenste steigen auf. Da sieht Feldbauer's Kunst auf
realerem Boden, ihn freuen feiste Pferde, dralle Stall-
mägde, ein buntscheckiger Hahn. Die Zeichnungen und
Augenblicksskizzen von Pferden sind Ausflüsse intimster
Kenntniß dieser Tiere. Auch Georgi meistert auf
seinem riesigen Bild „Leonhardt Fahrt" die Tiermalerei
nicht übel. Das Bild als solches ist mir doch für diesen
Dorwurf ein wenig zu groß gerathen, eine gewisse
Monotonie, besonders in der Nebeneinanderstellung der
acht Mädchenköxfe, die alle nach einem Modell gemacht
zu sein scheinen, ist nicht wegzuleugnen. Das elegante
Damenbild, noch mehr die farbigen Zeichnungen (be-
sonders „Zigeunerwagen auf der Landstraße") sind dem
talentvollen Künstler besser gelungen. Eichler's kolossales
Bild „Tin Herbsttag" athmet jene wehmüthigeMelancholie,
die man empfindet, wenn der Sommer geht, wenn Wald
und park sich gelb färben, wenn der wind durch kahle
Alleen fährt. An Eichler's respektgebietender Arbeit be-
wundert man namentlich die Meisterung der Perspektive
und diese Poesie der Landschaft. Mit der weiblichen
Gestalt kann man nicht durchaus einverstanden sein,
auch empfindet man, namentlich im Mittelgrund des
Bildes, eine Leere. Von ganz eigener Wirkung sind
Eichler's farbige Zeichnungen auf Holz. Das Spiel der
Holzfasern, die Aeste und Wellenlinien sind in geschick-
tester weise für die lebendige Wirkung der Zeichnungen,
die nur mit ganz dünner Aquarellfarbe ausgeführt sind,
benutzt. Lin Acker z. B. ist ganz flächig mit monotoner
brauner Farbe angedeutet, die natürliche Beschaffenheit
des durchschimmernden Holzes aber bringt Leben und
Abwechslung herein. Dieses geschickte Experiment, das
meines wissens noch Niemand versucht hat, findet viel
Aufmerksamkeit und Beifall. Lrler-Samaden und
Bechler leisten vorwiegend in der Landschaft Bedeuten-
des, obwohl auch sie jene muthige Vielseitigkeit besitzen,
die allen Leuten von der Scholle eigen ist. Bechler s
Alpenlandschaften sind theilweise von eminenter Wirkung,
namentlich dann, wenn er das Zusammenwirken von
Sonne, Schnee und Schatten so trefflich herausbringt,
wie auf einem der hier gezeigten Bilder. Voigt hat
sich das Leben des Landvolkes als Spezialität gewählt.
Ls sind keine Defreggeriaden, was er malt, sondern
Ausschnitte aus dem vollen Leben, wahr und echt, ob
er nun seine Bauern und Bäuerinnen — seine Modelle
holt er sich meist in der Dachauer Gegend — bei der
Kirchweihe zeigt oder müde und doch froh von der
schweren Feldarbeit heimkehren läßt. Robert weise
und Adolf Höfer haben, wie mir scheint, noch kein
rechtes verhältniß zur Scholle gefunden. weise's
Familienbildniß scheint doch zu stark posiert, dagegen
mag seine Landschaft mit Brücke gelten.
III.
Von der Scholle gehen wir zur Luitpoldgrnppe,
die ja seit Jahren auch außerhalb Münchens bekannt

ist, und deren Genesis und Gesammtcharakter nicht jener
näheren Erörterung und Schilderung bedarf wie die
Scholle. Die (3 kleinen Säle zeichnen sich im wohl-
thuenden Gegensatz zu denen der Künstlergenossenschaft
durch vornehmes Arrangement aus. Die Ueberladung
ist hier ausgeschlossen, die Mehrzahl der Bilder bietet
Interesse, an vielen kann man seine Helle Freude haben.
von Larl Marr, dem Präsidenten der Gruppe,
hat mir das Bildniß eines älteren Herrn besser gefallen
als die beiden durch Frauengestalten symbolisierten Vor-
würfe „Abendroth" und „Die (Quelle". Im Ganzen
bestätigen die drei Bilder aufs Neue den Ruf, den
Marr besitzt, wenn rein malerische Qualitäten in Be-
tracht kommen. Da steht er mit in erster Reihe. Von
den Brüdern Schuster-Wold an ist Raffael diesmal
besser vertreten. Ls sind zwei Gruppenporträts da, von
denen jenes mit den beiden Mädchen und dem schwarz-
bärtigen Mann entschieden den Vorzug verdient. Die
Gruppirung in die Landschaft hinein ist geschmackvoll
und ungezwungen. Das Familienbildniß mit des Künstlers
Gemahlin, Schwiegereltern und dem Künstler selbst läßt
bei trefflichem Gelingen der Einzelheiten die Geschlossen-
heit vermissen. Georg Schuster-Woldan hat fast nur
Bekanntes gebracht, mehrere Aquarells unter starker
Benutzung von Pastell. Unter anderem zeigt er eine
Skizze zu seinem bekanntesten Bild „Epiphanias".
Bartels hat eine flämische Schenke da, dazu zwei
Aquarelle, von denen besonders „Am Kamin" gefällt.
Daß Bartels plötzlich überstarke rothe Reflexe bevor-
zugt, fällt allgemein auf. Walter Thor, der zu den
besten und festesten Stützen der Luitpoldgrnppe gehört,
enttäuscht diesmal mit den meisten seiner Porträts. Nur
die beiden Bauernmädeln haben viel Natürlichkeit und
Urwüchsigkeit. Bei einem Interieur bewundert man
die feine Abtönung und Delikatesse der farbigen
Behandlung. Adolf Heller hat neben anderen reizenden
Liebenswürdigkeiten ein Bildniß der Schauspielerin Tenta
Bro gebracht, bei dem es ihm gelungen ist, den Eindruck
des Porträts, dem ja doch in den meisten Fällen etwas
Steifes und Gemachtes anhaftet, ganz in das Bildmäßige
aufzulösen. Das Porträt dieser zierlichen Dame kann
ebenso gut als ein reizendes Genrebild aufgefaßt werden.
Unter den sonstigen Porträts ragt Sophie von Scheve's
Bildniß der Schriftstellerin Rioarde Huch hervor, auch
Nauen's Bildnisse und besonders die beiden prächtigen,
rassigen Fraueuköpfe von Fritz Kunz können sich sehen
lassen. Kunz hat eine Florentinerin und eine Römerin
in Pastell gemalt, wie er dabei jene feinen Rasse-
unterschiede des toskanischen und des latinischen Schlages
herausarbeitet, verdient gerechte Bewunderung. Von
dem nämlichen Künstler ist ein Bild „Die Vogelpredigt
des heiligen Franziskus" und eins, das die „Drei Marien"
am Grabe zeigt; man kann mit der vornehmen Art
religiöser Malerei, wie sie Kunz pflegt, vollkommen ein-
verstanden sein. Zur „Madonna" des nämlichen Künstlers
kann ich allerdings kein rechtes Verhältniß finden. Auch
Uhl vertritt mit einer Anbetung u la Rembrandt das
religiöse Genre nicht übel. In Matthäus Schiestl, der
vier hübsche Temperabilder zeigt, vereinigt sich gothische
Auffassung mit moderner Darstellungskunst, ohne daß
man an dieser kuriosen Mischung Anstoß nehmen
möchte. Freunde kleiner, intimer Kunst mögen sich an
Löwith's minutiös gemalte Kabinetstückchen halten.
Pau! Hey's Aquarelle legen auf die gemüthliche Seite
einen allzu starken Nachdruck und streifen ein wenig
zu stark ans Spießbürgerliche, dagegen freut man sich
an dem frischen Humor Röseler's, der zwar wie Hey
gleichfalls das Kleinleben behandelt, aber um die senti-
mentale Klippe glücklich herumkommt. Mit Schäfer's
 
Annotationen