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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 23
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Kisa, Anton Carel: Die internationale Kunstausstellung zu Düsseldorg
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Jahresausstellung im Glaspalast
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Die Aun

etwas reichlich angewendeten Violett. Eines der besten
Lüder hat Ernest Bieter in seinen ost reproduzirten
„Mädchen von Saviese" geschossen, eine Reihe von
Bäuerinnen^ lebensgroße kernige T^pen^ die sich schurs
von der Winterlandschaft im Hintergründe abheben.
Koloristisch interessanter, wenn auch in der Zeichnung
schwächer, ist von dem Tessiner Edoardo Berta das
Leichenbegängniß eines Kindes geschildert. Die weiß-
gekleideten Gestalten der Leidtragenden stehen im kalten
Sonnenlichte da, welches aus die Friedhofmauer und
die schneebedeckten Grabhügel lichtblaue Schatten wirst.
Diese Zusammenstellung von verschiedenartigem weiß
ist sehr interessant. Line reichere Farbenskala entwickelt
die glühende Sonne des Hochsommers aus den Gliedern
einer jungen Schnitterin, doch ist hie und da die Natur-
wahrheit einer konventionellen Farbenharmonie zu Liebe
aufgeopfert. Nene Auberjonois verbirgt ein weiches
Gemüth unter einer rauhen Außenseite. Seine Zeichnung
grenzt in ihrer übertriebenen Schärfe an Karikatur
und erinnert zum Theil an den Münchner Simplizissi-
mus. Den Mann, der das schlafende Kind in seinen
Armen wiegt, könnte man für einen Llown halten, die
Greisin, welche am Krankenlager ihres Sohnes wacht,
hat in ihrem starren, thränenlosen Schmerze fast etwas
Komisches. Es ist, als wollte der Künstler durch Kon-
traste die Stimmungen paralysiren. Bei Anderen ist
der nachbarliche Einfluß nicht zu verkennen. Nobbi
und Touteau haben sich pariser Thio angeeignet und
ziehen in ihren Bildnissen und Studienköpfen dem un-
barmherzigen Tageslichte ein pikantes Helldunkel mit
schummerigem Farbenauftrage vor. Der als Bildnißmaler
geschätzte Wilhelm Balmer eignete sich bei Löfftz in
München eine fein individualisirende, scharfe und klare
Malweise an, welche auf dem Bildnisse von vier
Knaben, deren Köpfe in einer Reihe hintereinander
erscheinen, zu sehr liebenswürdigem Ausdrucke kommt.
Marguerite Burnat-Provins steigert die Feinmalerei
in ihren Bildnissen fast zu Leibl'scher Schärfe und
Freude am Detail. Auch Max Buri scheint seine
kraftvolle Stilisirung und starke Farbe Münchner
Schulung zu verdanken.
Zn den Landschaften dominirt gewöhnlich eine heiße
Farbe, deren Intensität dadurch gesteigert wird, daß
man die umgebenden Lokalfarben möglichst neutral hält.
Anter der großen Anzahl kühner Versuche eine neue
Naturanschauung zu gewinnen, fallen die von Albert
Mur et durch Glanz der Farben und eine eigenartige,
an Intarsia erinnernde Stilisirung auf. Die beherrschende
Farbe ist ein schweres, brennendes Blau. Von groß-
artiger Einfachheit der Formen sind die originellen
Alpenlandschasten von Pau! Virchaux, eine ganz neue
Art, die Schweizer Berge zu sehen, die fast einer Ent-
deckung bisher unbekannter Schönheiten gleichkommt.
Ls sind keine bildmäßig hergerichteten Ansichten, son-
dern scheinbar willkürliche Ausschnitte aus der Natur.
Man glaubt es kaum, daß das dieselben Berge, die-
selben Thäler, derselbe Himmel ist, der einst einer;
Talame zu seinen Theatereffekten anregte. Das Ope-
riren mit großen, wenig gegliederter; Massen liebt die
ganze moderne Landschaftsmalerei. Gleichzeitig dämpft
sie aber auch die Farben bis zu einem beinahe abstrakten
Gesammttone ab. Ls ist ein Vorzug der Schweizer,
daß sie in die Symphonien irr Grau, Gelb und Braun,
die anderswo als fein gelten, nicht mit einstimmen,
sondern der gewaltigen Naturkraft ihrer Heimath auch
im Kolorit gerecht werden. Eine Art von Kompromiß
zwischen alter und neuer Anschauung schließt Talame's
engerer Landsmann, der Genfer Louis Patru. Er
kompromittirt sich dabei kaufkräftigen Kommerzienräthen

st - Halle. Nr. 23

gegenüber nicht mit Extravaganzen, bleibt aber stets
auf dem Laufenden. Ueberall giebt es ja solche
Naturen. In München Walther Firle, in Berlin Philipp
Franck, in Paris Aronson u. s. w. u. s. w. Sie sind für
die Popularisirung der Kunst nothwendig.
Godesberg, August ss-Och A. Kisa.

Mnckner MrersurckeHuog im glL5pslL5k.

IV.
^Ine stattliche Reihe auswärtiger Künstlergruppen
hat sich bei der heurigen Glaspalast-Ausstellung
eingefunden: vier Berliner Gruppen, drei aus
Düsseldorf, zwei aus Stuttgart, eine aus Schleswig-
Holstein und eine aus Karlsruhe. Dazu kommt noch
die „VeresuiZMA 81. Vu6A8 in Xm8t6rciLm", die „(Rg,8-
Ao^-droup, „ckl;6 8o6i6ly ok 8eotti8Ü ^rrtÜ8t,8, ckläiu-
bur^lV und eine Gruppe italienischer Künstler. Jede
dieser Vereinigungen hatte ihre eigene Aufnahme- und
Hänge-Iury, insgesammt s8 Säle sind den Gästen ein-
geräumt worden.
Der ziemlich starken Betheiligung entspricht die
(Qualität nicht immer, wer z. B. nur das von Berliner
Kunst kennen würde, was er hier sieht, der würde ent-
täuscht den Kopf scbütteln und von „Berlins Nieder-
gang" nicht ohne Berechtigung reden. Und dabei ist
Berlin noch verhältnismäßig am besten und vielseitigsten
vertreten. Ls muß nun freilich den einzelnen Iuryen
der Vorwurf gemacht werden, daß sie es nicht immer
verstanden haben, die richtige Wahl zu treffen. Es
braucht einen; nur ein Saal mit ein paar Dutzend
(Quadratmetern zur Verfügung zu stehen und doch kann
inan ganz Ausgezeichnetes leisten. Es kommt eben
immer darauf an, daß man nur solche Bilder zeigt,
die für die betreffende Gruppe und ihr spezielles Streben
bezeichnend sind. Bilder, hinter denen nicht allein ein
getreuer Topist der Natur, sonderu in höherem Grad
eine künstlerische Individualität steht. Freilich stellt sich
solchem Streben eins hindernd im weg. Jeder Künstler
wird seine neuen und besten Werke in der Ausstellung
seiner Wirkungsstätte zuerst zeigen. Das Beste findet
dann dort auch gewöhnlich seine Liebhaber und Käufer
und in die auswärtigen Ausstellungen kommen die Neste,
die Ladenhüter.
Tritt man mit solchen Erwägungen die Wanderung
durch die unseren Gästen gewidmeten Säle an, so
spannt man seine kritischen Forderungen nicht allzu hoch.
Vor allem aber wird man es unter solchen Umständen
wohlweislich unterlassen, über die allgemeine künstlerische
Leistungsfähigkeit der einzelnen Kunstzentren zu orakeln.
Ich beginne mit einer schlichten Aufzählung dessen,
was mir in den fünf Berliner Sälen besonders auffiel.
Des jüngeren Doepler Motiv aus Bornholm „Ls
war einmal" wirkt als Landschaft monumental. Ein
seltsam romantischer Hauch webt über dem ruinösen, im
Abendroth erglühenden Gemäuer einer zerfallenen Burg.
Ein Märchenmotiv mit dem richtigen Märchenschauer.
Müller-Kurzwelly's sonnige Herbstlandschaft, ein
Waldinneres, hat mich nicht weniger erfreut als Hugo
Mieth's Interieur einer nordhannoverischen Dorfkirche,
das ist ein kleines intim gemaltes Bildchen mit prächtiger
farbiger Wirkung. Reber Ernst Henseler's „Mittags-
 
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