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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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** Die Katholikenversammlung zu Frei-
burg i. B.*)
Vollkommen ebenbürtig den imponirenden Katholikenversamm-
lungen am Rhein und in Westphalen, deren Zahl bereits nicht
mehr angegeben werden kann, war jene, welche am 29. December
v. I. in Freiburg i. B. tagte. Glänzend ist sie zu nennen durch
die Zahl der Theilnehmer, von Ihrem Berichterstatter auf mehr
als 1000 geschätzt, glänzend durch die Beteiligung so vieler her-
vorragender Männer aus dem geistlichen und Laienstande, glän-
zend dadurch, daß aus den fernsten Gegenden unsres Vaterlandes
die Vertreter katholischer Interessen herbeigeeilt waren.
In dem durch Fahnen, Draperie und Blumen sinnig cmsge-
schmückien großen Saale des Gesellenhauses war, überragt von
dem Zeichen der päpstlichen Würde, der dreifachen Krone und den
Schlüsseln, und zu den Füßen des Bildnisses Sr. Heiligkeit Pius IX.
die Revnerbühne errichtet und zu beiden Seilen derselben schauten
die Bildnisse unseres greisen Erzbischofs Hermann und jenes des
Bischofs von Mainz auf die begeisterte Versammlung herab.
Nachdem Herr Geh. Hofrath Zell die Versammlung eröffnet
und Frhrn. v. Andlaw zum Präsidenten vorgeschlagen hatte,
hielt dieser einen Vortrag über die Frage des Tages, den uns zu
hören leider nicht vergönnt war, da unser Zug aus dem Unter-
lande bei Beginn seiner Rede noch nicht ungelangt war.
Herr Domkapitular Mo ufang von Mainz, jener feurige
Redner, dessen Worte umsomehr zünden, als schon die äußere Er-
scheinung eine imponirende ist, hielt mit der Begeisterung eines
päpstlichen Zuaven einen längeren, unzählige Male durch stürmi-
schen Beifall unterbrochenen Vortrag über das non xo88ninu8
des Papstes, und warum Pius IX. bis zum letzten Athemzug
„non PO88NWU8" sagen muß, und hob namentlich dessen Eid her-
vor. Wenn die ganze Welt eidbrüchig würde, so wäre noch Einer
da, der den Eid nicht bricht, der apostolische Greis auf dem Stuhle
Petri. Redner durchwanderte die kathol. Länder und zeigte, wie
das päpstliche „Wir können nicht" überall sein Echo gefunden und
in den zahlreichen Versammlungen und in den großen Geldspen
den für die Armee des hl. Vaters zum Ausdruck kommt, ja, wie
die ganze kathol. Welt ruft: wir wollen auch nicht, wir können
nicht mehr länger dulden, daß man den hl. Vater bedroht, daß
die Raubhorden der Revolution das Nom der Katholiken Ihm
entreißen will — und wie die kathol. Jugend aus allen Ländern
herbeieilt, um selbst mit ihrem Blute zu bekräftigen: „wir können
nicht", wir wollen es nicht mehr länger dulden. Ja, fährt der
Redner fort, selbst das Haupt der Revolution Garibaldi hat nicht
anders gekonnt, als zu rufen: „mir können nicht;" wir wollten
den Papst vertreiben, wir wollten die Fahne der Revolution auf
dem Capitol aufpflanzen, aber, rief er aus, als er er fliehend
vor der Heldenschaar, welche zum Schutze des päpstlichen Stuhles
herbeigeeilt war, in den Eisenbahnwagen sprang, — „wir können
nicht!"
Redner fordert auf, auszuharren im Opfer des Gebetes, der
Geldspenden, des Kriegsdienstes im päpstlichen Heere, wenn nöthig,
des Blutes.
Mächtig bewegt von den Sitzen sich erhebend, stimmte die
Versammlung in das dreifache Hoch auf den heiligen Vater ju-
belnd ein, welches den Schluß von Moufangs herrlicher Rede
bildete!
Herr Domkapitular Weickum von Freiburg schilderte sodann
in kernigen kräftigen Worten die Ähnlichkeit der Lage unseres
hochw. Erzbischofs Hermann mit jener des hl. Vaters. Wie man
diesem das Erbgut Petri rauben will, den Boden, auf welchem
Er frei und selbstständig die Kirche regieren kann, so geht mau
darauf aus, unserm Oberhirten den Boden immer mehr zu ent-
ziehen, auf welchem der Einfluß der kathol. Religion zur Geltung
gebracht werden kann: Schule, Ehe, Familie u. s. w. Er erwähnt
die königlichen Worte in der Thronrede des Königs von Preußen,

') Wir müssen aus die Reden von Zell und Andlaw in der nächsten
Nummer auszugsweise nach dem Bad. Beobachter zurückkommen, da die von
Heidelberg in der Versammlung anwesenden Herren erst am Schlüsse von
Andlaw'S Rede in Freiburg eintrafen und der Beobachter bis jetzt erst üell's
Ansprache mitget^ " '

welche zum Trost der preußischen Katholiken ausgesprochen wurden
und zeigt im Einzelnen, wie in Preußen die Katholiken in Kirche
und Schule frei sich bewegen können, ja gewissermaßen begünstigt
seien, womit er die gleichfalls erhebenden, fürstlichen Worte unseres
durchlauchtigsten Großherzogs, K. H., am 7. April 1860 vergleicht,
auf deren endliche Erfüllung das kathol. Volk seit fast 8 Jahren
sehnsuchtsvoll hoffe, wobei er das Verhalten der Räche der Krone
einer eingehenden Kritik unterzieht.
Redner widerlegt sodann die üblichen Redensarten von „kleri-
kalen Forderungen" und 'unmäßigen Ansprüchen der Kirche und
weist nach, daß die Kirche keine Gnade will und keine Gunst, son-
dern nur ihr Recht und wie gerade die letzten Unterhandlungen
nur daran gescheitert seien, daß die Minister sich nicht dazu ver-
stehen konnten, das bescheidene Maß dessen, was die Kirche bewil-
ligt haben wollte, doch wenigstens auch als ein Recht der Kirche zu
erklären. Aus all diesem sei ersichtlich, daß unser greiser Oberhirte
in derselben Lage, wie der hl. Vater, sagen müsse: „non po88n-
NIN8 !"
Es mußte einen tiefen Eindruck in den Herzen der versammel-
ten Katholiken machen, aus dem Munde eines Mitgliedes unserer
Kirchenregierung in so kräftigen Worten die bedrückte Lage der
Kirche in unserem Vaterlande Baden schildern zu hören, und gewiß
war die Stimmung eines jeden guten Katholiken in der Versamm-
lung die, einstimmig mit dem Oberhirten zu rufen: non xo88vnin8,
es geht nicht!
Als nun der Vorsitzende, Hr. v. Andlaw, den bis jetzt noch
nicht in der Mitte der Versammlung gesehenen Abg. Lindau, den
„wahren Freund des Volkes", ersuchte, zu der Versammlung zu
sprechen, da wirkte der Name Lindau wie ein Zauber auf die Ver-
sammelten, so daß der anhaltende stürmische Ausdruck der Liebe für
oen Gefeierten erst nach einiger Zeit diesem Redner es gestatte, zum
Worte zu kommen.
In kräftigen Worten legte Lindau der Versammluvg den
ganzen Ernst unserer Lage dar, wie sie ihm namentlich auch seit sei-
ner Wirksamkeit als Abgeordneter klar geworden. Dem Berichter-
statter des Pf. B., welcher Theilnehmer der Versammlung war, scheint
die Schilderung unsrer Zustände und die, wie Redner berichtete, in
gewissen Kreisen mit einer nichts zu wünschen lassenden Offenheit
und ohne Scheu ausgesprochene Tendenz, daß die kathol. Kirche aus
dem Wege geräumt werden müsse, erschreckend genug, um auf einen
Blick „hinter die Coulissen" verzichten zu können. Lindau begründete
seine Behauptung durch die Erfahrungen seiner öffentlichen Thätig-
keit und versicherte, daß er den Ausdruck „Heuchelei" in der Kam-
mer recht wohlüberlegt habe und nicht anstehen werde, ihn Solchen
gegenüber zu wiederholen, die nach dem neuen Schulgesetzentwurf
jetzt noch von katholischen Schulen mit frommer Miene zu sprechen
wagten.
Besonders hervorgehoben wurde auch noch von dem Redner der
Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern. Doch tröstet und erhebt
den Redner der Gedanke, daß den Katholiken allerwärts die Augen
aufgehen, daß sie klar zu sehen beginnen, mas man mit ihnen
vorhabe. Er führt uns die große Katholikenbewegung, besonders
am Rhein und in Westphalen, von welcher er Zeuge gewesen, vor
Augen und betont namentlich, wie dort im Gegensatz zu unsren
traurigen Parteizuständen in jenen preußischen Landestheilen Staats-
und Gemeindebeamten sich nicht zu scheuen brauchten, offen, ja in
hervorragender Weise Theil zu nehmen, was bei uns einem öffent-
lichen Beamten unmöglich sei. Redner schöpft aus der Ueberzeugung,
welche immer mehr wach werde unter den Katholiken aller Länder,
daß wir Alle die gleichen hohen Interessen zu vertheidigen haben
und daß die Leiden der Katholiken in Baden alle Andere mitleiden,
die Zuversicht, daß der jetzt so heftig entbrannte Kampf zum Sieg
der guten Sache führen werde und daß einst auch unsere Feinde
genölhigt sein werden auszurufen: „non po^nnnmst" Was wir
gewollt haben, wir können es nicht!
Wie gar oft, im Verlaufe der Rede, so wurde auch, als Lin-
dau die Tribüne verließ, der stürmische Beifall der mächtig ergriff
neu Versammlung laut.
Nach ihm unterzog Pfarrverweser Knecht den neuen badischen
Schulgesetzentwurf in längerer gediegener Rede einer unbarmherzigen
Kritik, wie dieses neueste gegen die kathol. Kirche gerichtete Werk es
nicht besser verdient.
 
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