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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Donnerstag und Samstag.

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Trägerlohn und Postaufschlag.
« Jus.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

1868.

Donnerstag den 9. Januar

* „In ÜLAiantt Ertappte."
„Alessandro Manzoni, der berühmte, noch von Göthe geschätzte
Erzähler und angesehene italienische Deputirte, bemerkt in der
Vorrede zu seinem Büchlein: „die katholische Moral" : „Die kirch-
lichen Dinge mit Voltairischer Aetzlauge begeifern, nennt man
Philosophie; kommt aber dann Jemand und gibt sich die Mühe,
die irrigen Anschauungen über die angegriffenen Dinge zu recti-
ftciren, so sagt mau ihm, das seien Reden, die in die Kirche ge-
hörten und in den Katechismus, nicht aber in die begonnene
Discussion." Wir schicken — aus dem Gedächtnisse citirend —
diese Worte voraus, um gewissen Ein würfen gegen das Folgende
die Spitze abzubrechen.
Dieser Tage fanden wir unter dem Redactions-Material den
Text eines päpstlichen Schreibens, das Pius IX. an den Cardinal-
Vicar voll Rom gerichtet hat und welches, mehrere unter der rö
mischen Bevölkerung herrschende Mißstände berührend, die Mittel
zu deren Beseitigung angibt. Diese Mißstände sollen in das
Gebiet der Moral; wir sind uns aber wohl bewußt, daß ein poli-
tisches Blatt nicht der Ort und der Redacteur nicht der Mann
ist, über solche Dinge Vorlesungen zu halten. Wir legten deshalb
das Schreiben, obgleich dasselbe, wenn wir's abgedruckt hätten,
nirgendwo geschadet haben würde, zur Seite. Nun aber finden
wir in der Freitags Nummer der „Köln. Ztg." nachstehende Corre-
sponöenz:
„ O Rom, 28. Dec. An die Geistlichen von Rom sind
dieser Tage zwei Hirtenbriefe erlassen worden. In dem ersten
befiehlt der Papst denselben, künftig die lange Soutane an Stelle
des kurzen Rockes zu tragen, den die meisten Geistlichen angenom
men hatten. Der zweite bezieht sich auf die Gotteslästerer, die
Heilighallung der Festtage und die Damen-Toiletten; er ist eine
Neproducüon des Schreibens Pius' IX. an den Cardinal Patrizi.
Es soll besonders den Inhaber von Werkstätten und Läden zur
Pflicht gemacht werden, bei ihren Untergebenen keine Gottesläste
rung zu dulden, sondern die Fehlenden aus der Stelle zu ent
fernen. Der gegen die Gotteslästerung gerichtete Jesuitenverein
Brirna xminariu hat sich schon über alle frommen Cougregationen
und Gesellschaften von Rom ausgedehnt. Die öffentliche Gewalt
ist angewiesen, unverzüglich die in ÜnZrnriti Ertappten zu ver-
haften. Was die Heiligung der Festtage betrifft, so tritt das
alte Gesetz vom 30. Juni 1847 wieder in Krast. Die gegen-
wärtigen Damen-Toiletten sollen nicht mehr für den Kirchenbesuch
zulässig sein, und besonders streng wird den Frauen das Tragen

der ChignonS untersagt. Die Damen der bessern Stände werden
aufgefordert, den übrigen mit einem guten Beispiele voranzugehen.
Neben dem Chignons werden die sogenannten chinesischen Costumes
auf den päpsrl. Index gesetzt."
Man vergleiche damit den wirklichen Text des Schreibens
und bilde sich dann ein Uriheil über die Treue, womit der römi-
sche Corrcspondenl der „Köln. Ztg." sein Excerpt angefertigt Hai.
„Ehrwürdiger Brüder, Gruß und apostolischen Segen!
So sehr mitten unter den gegenwärtigen Bitterkeiten Uns
der Glaube Unseres guten römischen Volkes, seine Religion
und die lebhafte andauernde Zuneigung, welche es Uns bei
allen Gelegenheiten beweist, stärken, um so größer ist Unser
Schmerz, wenn Wir sehen, daß auch diese geliebte, Unserer Au-
torität und Wachsamkeit insbesondere anvertraute Stadt nicht
unberührt ist von den Uebsln, welche die allgemeine Verdorbenheit
mit sich bringt. Drei Uebel beklagen wir vorzüglich: die Gott-
losigkeit der Blasphemie, die sich besonders unter dem Volke ver-
breitet, die Nichtbeachtung der Festtage und den Mangel an Ach-
tung vor dem Golteshause. Diese Uebel äußern sich, wenn auch
die Bevölkerung im Allgemeinen fromm ist, und fordern den gött.
lichen Zorn heraus, wie es uns die heil. Schriften und die Ge-
schichte bezeugen. Durchdrungen von der Heiligkeit Unserer Pflicht,
zu wachen über den Ruhm Gottes und das Heil der Seelen, und
die himmlischen Züchtigungen von Uuserm Volke so viel als nur
möglich abzuwehren, empfehlen wir in Folge dessen dir, verehrter
Bruder und Vicar, in Unserm Namen und mit unbeschränkter
Vollmacht zur Ausrottung Vieser Uebel Vorkehrungen zu treffen.
Sicherlich wird es gut sein, den Eifer der Pfarrer, Beichtväter
und Prediger, der Obern der frommen Institute, und selbst der
guten Laien zu beleben, damit Jeder seinerseits klug die Mittel
anwende, die in seinem Bereiche liegen, um durch Belehrung,
Rügen, Ermahnungen und sedweve Art von Lwbeswmken zur
Tilgung dieser Scandale und zu der Umkehr der Schuldigen bei-
zutragen. Zu diesem Behufe darf die kirchliche Autorität die
Strafgesetze, welche zur Besserung ver Schuldigen und zur Abwen-
dung der Gefahr des Verderbens für die Uebrigen eingesetzt sind,
nicht außer Uebung kommen lassen.
„Wir haben das Vertrauen, daß der wesentlich religiöse und
fromme Character Unseres Volkes den Erfolg der angewendeten
Mittel, die übrigens auch anderwärts nicht ohne Vortheil und
ohne Früchte sein würden, unter ihm sehr erleichtern werde. Dem
Laster der Blasphemie könnte man eine Art von Apostolat, gebil-
det aus den Familienvätern, den Vorstänven der verschiedenen

Abenteuer eines englischen Polizeiofficianten.

(Fortsetzung.)
„Haben wir dich!" schrie Levasseur und schlug mir in's Gesicht. „Du
Hund! du Miserabler! Da siehst du, daß man noch raffinirter sein kann wie
du. „Aus Wiedersehen!" hatte ich dir gesagt, als ich eingeschifft wurde, hier
siehst du^ daß ich Wort gehalten habe. Wir haben uns wiedergefunden. Dü-
barle! Siehe nur die flehentliche Miene des elenden Tropfes!" Und von
Neuem schlug er mir in's Gesicht. „Du solltest dankbar gegen mich sein,"
begann er wieder, „denn du siehst, wie ich ein Mann von Wort bin. Ich
bin es stets, Hallunke! und habe noch nie gesäumt, eine Ehrenschuld zu ord-
nen. Auch dir habe ich eine abzutragen und du sollst sie sofort erhalten,
Spitzbube!" Mit diesen Worten setzte er mir eine Pistole an die Stirn und
legte seinen Finger an den Drücker.
Instinktmäßig schloß ich meine Augen und stand in einer Minute alle
Angst des Todes aus. Aber meine Stunde war noch nicht gekommen. Anstatt
des Schusses, der mich in die andere Welt schicken sollte, hörte ich das laute
Gelächter meiner Feinde, die sich an meinem Schrecken weideten.
„Komm', komm'," sagte Dübarle, auf dessen Gesicht ich manchmal den
Ausdruck eines Mitleids zu sehen glaubte, „du kannst durch diesen Lärm unfern
Mann, der unten ist, beunruhigen. Warte wenigstens, bis er fort ist. Ueber-
dws ist auch noch nichts entschieden. Wir wollen vorerst darum würfeln, wer
den ersten Schuß auf den Kopf unseres Gefangenen abfeuern darf."
„Bravo! Bravo! Das ist ein köstlicher Gedanke!" rief Levasseur. „Herr
Waters, merken Sie sich das, Ihr Leben ist unser Einsatz! Ei, was für eine
'chone Partie ! Auf deine Gesundheit, du Schurke, auf dein zukünftiges Glück,
wenn du mir diesmal durchgehen solltest!" Mit diesen Worten näherte er sich
hatte silbernen Trinkschale, welche ihm Dübarle mit Wein gefüllt
„Sieh'," sagte er, „kennst du diese Schale, dummes Vieh, das du
bist?"

Nach der Beschreibung erkannte ich in der That, daß es eins der auf
dem Portman - Square gestohlenen Geräthe war.
„So komm' denn," sagte Dübarle, „und laß uns unser Spiel be-
ginnen."
Das Spiel begann . . . Aber ich will mich nicht zu lange an den Details
der schrecklichsten Episode meines Lebens aufhallen. Oft treten mir die Bilder
in der Nacht vor die Seele und ich fahre dann in jähem Schrecken aus dem
Schlafe.
Außer dem tiefsten Ingrimm, welcher mich in Gegenwart dieser beiden
Elenden quälte, litt ich den furchtbarsten Durst, welcher sich durch die fieber-
hafte Aufregung des Blutes und den Knebel, den man mir im Munde stecken
gelaßen hatte, fortwährend steigerte, und ich kann heute noch nicht begreifen,
wie es kam, daß ich nicht ohnmächtig niedergebrochen bin. Endlich war das
Spiel aus. Levasseur hatte gewonnen. Wüthend wie ein wildes Thier sprang
er auf.
Aber in demselben Augenblicke trat Frau Jaubert eilig herein.
„Wir können den Mann, der unten ist, nicht mehr länger zurückhalten",
rief sie. „Er sagt, ihr wolltet euern Gefangenen ermorden, und schwört,
daß er in keine solche Sache verwickelt sein wollte. Ich habe versucht, ihm das
Unsinnige seiner Befürchtungen vorzustellen, aber es gelang mir nicht. Ihr
müßt deshalb selbst hinuntergehen und ihn besänftigen."
Später wurde mir erst die ganze Sache klar, welche ich in jenem Augen-
blicke nicht ganz fassen konnte. Levasseur hatte Frau Jaubert und Martin be-
logen und ihnen gesagt, daß er mich nur einige Tage gefangen halten wollte,
um mich zu verhindern, vor dem Gerichte gegen einen seiner Freunde zu zerr
gen. Er hatte sie versichert, daß er mir kein Leid zufügen würde. Ferner
aber hatte er der Wittwe so viel Geld versprochen, daß sie sich damit nicht
allein nach Paris hätte begeben können, sondern ganz wohl ein kleines Ge-
schäft beginnen konnte.
„Zum Teufel mit diesem Störenfried!" schrie Levasseur, als er die alte
Modistin angehört hatte. „Geh mit mir, Dübarle! und wenn es uns nicht
gelingt, diesen Spitzbuben zu überzeugen, so werden wir ihn auf eine andere
Art bald zum Stillschweigen bringen. Sie aber", setzte er hinzu und wandte
sich an Frau Jaubert, „Sie bleiben hier!"
(Fortsetzung folgt.)
 
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