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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 90-102 (1. August - 29. August)
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Tüddeutschland.
* Heidelberg, 3. August. Der oificiöse „Constitutionnel"
widerlegt die albernen, vom Berliner Preßbureau ausgestreuten Ge-
rüchte "über eine bevorstehende Einigung Oesterreichs und Preußens.
Er sagt u. A. über diese Gerüchte sehr bezeichnend:
„Sollten wohl deren Urheber besondere Gründe haben, sie in
Umlaus zu setzen? Man überläßt sich hierüber in der politischen
Welt verschiedenartigen Unterstellungen. Einige glauben, daß man
beim Herannahen des Schützenfestes die Gemüther für Preußen habe
günstig stimmen wollen, indem mau die beiden Mächte als eng
verbündet hinstellte. Andere sind der Ansicht, daß eine gewisse
Partei, welche mit Mißbehagen die so glücklich zwischen Oesterreich
und Frankreich herrschende Uebereinstimmung sieht, dieselbe Zu stören
versucht, indem sie das Gerücht eines Einvernehmens zwischen
Oesterreich und Preußen verbreitet und auf diese Weise in Paris
Mißtrauen gegen Oesterreich aussäet. Wenn dieß wirklich der Zweck
dieses kleinen Feldzuges war, kann man getrost sagen, daß der
Versuch entschieden verunglückt ist. Die Zusammenkunft in Salz-
burg, ebenso wie der Besuch des Kaisers von Oesterreich in Paris,
konnten nur das Wiener Cabinet in der Ansicht bestärken, die es
von dem ungemein friedfertigen Charakter der französischen Politik
hatte. Außerdem konnte Oesterreich bei einigen Gelegenheiten, die
sich darboten, sehen, bis zu welchem Grade ihm die Unterstützung
Frankreichs zugesichert war. Die orientalischen Angelegenheiten
namentlich haben hierfür mehrfache Beweise geliefert. In Rumä-
nien, in Serbien, in der Libanonfrage gingen die beiden Mächte
stets miteinander, und wenn die Aufregung in den Provinzen des
ottomanischen Reiches sich gelegt, wenn sich" der Aufstand in Kreta
nicht weiter aukgedreitet hat, so ist dieß hauptsächlich das Verdienst
des Zusammengehens beider Machte. Nicht allein in Oesterreich,
sondern auch in Deutschland hat man sich über die Wirkung der
auslro-frayzösischen Politik gefreut. Obgleich aus dem Bunde aus-
gewiesen, hört Oesterreich darum nicht auf, die deutschen Interessen
zu vertheidigcn. Nun aber verlangt die öffentliche Meinung in
Deutschland schon lange, daß Oesterreich seinen Einfluß im Orient
befestige und mehre. Indem es diesem Wunsche nachkommt und
ihn unter der Mitwirkung Frankreichs zur Ausführung bringt,
erwirbt sich Oesterreich einen neuen Anspruch auf die Sympathieen
Deutschlands. Es genügt, diesen verschiedenen Umständen Rechnung
zu tragen, um zu begreifen, daß es dem Wiener Cabinet nicht
einfallen kann, von einer durch so viele gute Resultate ausgezeich
neten Politik abzuweichen."
Es ist nicht blos bemerkenswert^ daß officiöse wiener Blätter
sich in ähnlicher Weise aussprechen, sondern daß insbesondere ein
sehr wohl unterrichteter wiener Correipondent in der Augsb. Allgem.
Ztg. fast dieselben Worte, wie der Constitutiounel gebraucht, was
auf nahe Beziehungen zwischen der ossiciösen österreichischen und
französischen Presse schließen läßt.
Heidelberg, 4. August. Die gothaischen Blätter be-
schweren sich so häufig über rücksichtslose Ausdrücke, welche von
einem Theil ihrer gegnerischen Blätter gegen sie gebraucht würden.
Da kam uns zufällig eine nicht mehr ganz neue Nummer ter
schwarz-weißen Schwäbischen Volkszeitung zu Gesicht, welche die in
Württemberg herrschende antipreußische Strömung mit dem zarte.,
Ausdruck„ Hundswulh" bezeichnet. Ist das nicht liebenswürdig?
Nebenbei sei bemerkt, daß dasselbe Blatt den Juden eine groß,
Lobrede wegen ihrer preußischen Gesinnung hält und rühmend
hervorhebt, daß durch ihre einstimmige Betheiligung an der Wahl
zu Gunsten Hölder's letzterer Nccke des Gothaismus in die Kammer
gewählt worden sei. Solche „nationale" Erfolge! Solches „Deutsch
thum"!
* Heidelberg, 3. August. In der Nacht von gestern aus
heute wurde ein Glasergeselle aus Wien am Brunnen des Klingcn-
thores erstochen gesunden, ohne daß der Thäler bis sitzt mit Sicher
hett ermittelt worden sein soll. Dabei darf nicht unernähnt ge-
lassen werden, daß die Leiche des Erstochenen circa 5 Stunden
lang an d^m besuchtesten Weg nach dem Schloß und der Molken-
kur vor aller Welt liegen bleiben mußte, bis es möglich war, daß
der stellvertretende Amtsarzt zur Jwpccüon eintrcffen konnte.
Unter dem Publüum war nur eine Stimme des Unwillens hie-
rüber; die Leute wußten aber wahrscheinlich nicht, daß feit der

nicht „unterthänigst nachgesuchten", sondern einfach verlangten
Entlassung des Herrn Dr. Fischer der provisorische GcriHtsarzt
in Neckargemünd zu suchen ist, indem keiner der hiesigen Aerzte
Lust hatte, dessen lästige und undankbare Stells provisorisch zu
übernehmen. Heidelberg ist der größte Bezirk für einen Gerichts-
arzt im Lande, zu dessen vollständiger Besorgung kaum zwei Aerzte
ausreichen; nun haben wir in loeo gar keinen Genchtsarzt, son-
dern der von Neckargemünd, der ohnehin mit seinem Bezirke genug
zu thun hat, muß von dort aus Zugleich die hiesige Stelle ver-
sehen ! Wir führen dies besonders noch deßhalb an, um Las hiesige
Publikum, wenn es dringcr.de Geschäfte mit dem Amtsarzt haben
sollte, daran Zu erinnern, daß des Tages mehrere Züge nach
Neckargemünd gehen und daß man im Falle gezwungenen mehr-
stündigen Wartens bis zum nächsten Zuge ein recht gutes Glas
Bier in der „ordentlichen Wirthschaft" am Karlsthore erhalten kann.
— Handschuchsheim, 3. August. Im Bad. Beobachter war
berichtet worden und auch der Pfälzer Bote that dessen Erwähnung,
daß auch in hiesiger Gemeinde die Mehrheit der Katholiken sich für
die Einführung der Communalschule erklärt habe. Dies ist, wie
aus einer Berichtigung des hiesigen kath. Ortsschulrathes im Bad.
Beobachter hervorgeht, ganz unrichtig, indem man hier durch-
aus keine Lust hat, dem schlechten Beispiel einiger andern Gemein-
den zu folgen.
/' WilhelmsfeLd, 2. August. In hiesiger paritätischen Ge-
meinde, in welcher die beiden Consessioneu bisher in schönstem
Frieden zusammcnlebten, treten leider in neuester Zeit Bestrebungen
zu Tags, welche uns Katholiken mit tiefer Bttrübniß erfüllen, uno
oie ganz geeignet sind, Zwietracht und Hader unter uns zu er-
wecken und den bisherigen confessiomllen Frieden zu stören.
So läuft in Nr. 174 der Heidelberger Zeitung vom 19. v. M.
ein Artikel von Wilhelmsfeld vom Stoppel, in welchem die Er-
richtung einer gemischten Schule mit evangelischem Hauptlehrer
und katholischem Uuterlchrer in wärmster Weise beantragt wird.
Zur Begründung dieses Antrags redet der Artikel von bedeutenden
Ersparnissen, welche durch die empfohlene Neuerung erzielt würden.
Jedermann aber, der die hiesigen Verhältnisse kennt, ist nicht blos
von der Nichtigkeit jener Angaben überzeugt, sondern es muß ihm
auch klar sein, daß für den Neubau eines für beide Consessioneu
bestimmten Schulhauses der hiesigen politischen Gemeinde ein
Kostenaufwand von mindestens 8—10,000 st. erwachsen müßte.
Vor Allem ist, wie jeder Sachverständige zugeben wird, die Er-
sparnißberechnung in jenem Artikel ganz irrthümlich aufgestellt.
Durch Eingehen der katholischen Hauptlehrerstelle und Anstellung
eines katholischen Unterlehrers würden allerdings 110 st. (nicht
150 st., wie jener Artikel meint) erspart; aber es steht sehr m
Fruge, ob diese Erfparmß der hiesigen politischen Gemeinde oder
nicht vielmehr der katholischen Schaffnerei Heidelberg Zu Nutzen
käme. Ein bevorstehender Neubau ern.es katholischen Schulhauses
kann der polttischen Gemeinde kerne Kosten verursachen. Denn ein
solcher Neubau ist von keiner Notwendigkeit geboten, da unser
Lchulbaus noch in ganz ordentlichem Zustande sich befindet. Weder
von Seelen der frühern Lehrer, die zum Theü lange hier waren,
noch auch von Seilen unseres gegenwärtigen Her u Lehrers wurde
bis j tzr in dieser Richtung eine Klage laut, und nur setzen in die
Anspruchslosigkeit unserer Herrn Lehrer das Vertrauen, Laß sie
auch in Zukunft mit ibrer Wohnung sich b- gnügen werden, so daß
vor Jahren an einen Neubau nicht zu denken sein dürfte. Durch
einen in späterer Zeit nothwendig werdenden Neubau werden wir
aber ebenfalls der politischen Gemeinde nicht lästig werden. Denn
Tank einer Stiftung des verstorbenen Geistl. Rarhes Mühling
besitzen wir einen Schulhansbaufond, der seinem Zwecke durchaus
nicht entzogen werden darf. Wir würden uns einer großen Jm-
pietät gegen unfern verstorbenen Wohltäter schuldig zu machen
glauben, wenn wir in den Vorschlag jenes Herrn Correspondenten
einwilligen und die Zinsen jenes Capuals jediglich zur Anschaffung
katholischer Religions - und anderer Lehrbücher zur Unterstützung
armer Schüler verwenden wollten. Wir können also besonders
aus Sparsamkeiteg ünden den Bau eines Communalschulhauses
nicht billigen. Ern socher würde unserer ohnehin so dürftigen Ge-
meinde gar zu schwere Opfer auferlegen, und wir zweifeln darum
auch nicht daran, daß Nicht blos die ganze katholische Gemeinde,
sondern Laß auch weitaus die größere Mehrzahl der protestantischen
 
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