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131.
Donnerstag den 5. November
Zur Warnung.
(Demokr. Corresp.)
Für den Lahrer Volkskalender „Der hinkende Bote" wird bis
nach Norddeutschland hinein Reclame gemacht. Wir warnen unsere
Freunde, sich nicht anführen zu lassen. Kein deutschgesinntes Blatt
sollte sich zu solchen Reclamen hergeben. In seinem politischen
Theil ist dieser „Bote" der ganz gewöhnliche Bismarcksche Emissär.
Seinen Namen des „Hinkenden" führt er insofern mit Recht, als
bekanntlich Lügen kurze Beine haben. Die Thatsachen, wie er sie
schildert, sind bis zum Unglaublichen gröblich entstellt.
In der bekannten Zollparlaments-Debatte, die durch Mittnacht's
Namen und Rede charakterisirt ist, sollen es die Schwaben gewesen
sein, die den Eindruck der erhaltenen Schläge kaum hätten verwi-
schen können.
Bei der Competenzfrage in Sachen der hessischen Weinsteuer
hat Völk, der „wackre Mann", so sagt der Hinkende, die schwäbi-
schen Hariköpfe so zurechtgedonnert, daß sie noch jetzt das „Ohren-
sausen" davon haben.
Gegen die Hungersnoth in Ostpreußen soll die preuß. Regie-
rung, wenn auch etwas spät, doch „gründlich" geholfen haben —!!
Die bekannte Stieberei mit dem Dichter Bernhard Fischer
nimmt der „Hinkende" für baare Münze!
Daß die gesammte Abruzzenpolitck einfach todtgeschwiegen wird,
versteht sich dabei von selbst. Der „Stoß ins Herz" Deutschlands
existirt für den Bismarckischen Sendling natürlich nicht.
Wiefern der „Hinkende" die Eigenschaften der Urtheilsfähigkeit
und der Loyalität vereinigt, dafür folgendes Beispiel: Gegen seinen
Landtag sei Bismarck allerdings hart und barsch, gegen das Zoll-
parlament aber sei er höflich; also je mehr Millionen vertreten
seien, desto mehr Respect werde Bismarck haben, also hinein in
den Nordbund!—Daß der Unterschied in Wahrheit der ist: seinen
Landtag hat Bismarck, also zeigt er ihm sein wahres Gesicht; den
Süden will er haben, also cajolirt er ihn, —das kann doch nur
der Blödeste verkennen oder der Perfideste anders darstellen.
Und solch Zeug gibt sich als des Namens Hebel würdig! Das
bietet man dem schwäbischen Stamm ins Angesicht! Das soll deutsch
sein, Belehrung für's deutsche Volk! Solch ein Bote gehört vor die
Thür, nicht ins Haus; den lasse niemand über die Schwelle, der's
bei sich sauber halten will.
Wäre nicht dieser ganze Abschnitt „Weltbegebenheiten" mit
einer halb naiven, halb liederlichen Leichtfertigkeit auf's Papier ge-
worfen, unser Spruch würde noch ganz anders lauten — etwa in
der Art, wie Bismarck seinen Landtag behandelt. Als erste Ver-
warnung mag dies genügen.
Im Leben schweigen und sterbend vergeben.
Nach dem Spanischen des Fernan Caballero.
In der volkreichen spanischen Stadt M— bot sich noch vor wenigen
Jahren den dahin kommenden Fremden eine gewaltig auffallende Erscheinung
dar, welche sich jedoch der Aufmerksamkeit der Einheimischen schon lange durch
den täglich gewohnten Anblick entzogen hatte. Dieselbe bestand in dem selt-
samen Contraste, den ein in einer sehr eleganten und belebten Straße belegenes
schmutziges, verschlossenes, düsteres und vernachlässigtes Haus mit den beiden
anstoßenden Gebäuden bildete. Die letzteren waren so weiß wie Marmor, ihre
Balkone und Gitter waren schön angeslrichen und das Eisen derselben mit einer
so frischen grünen Farbe bekleidet, wie die der Pflanzen und Blumen war,
die in geschmackvollen Vasen alle Fenster schmückten. Das zwischen ihnen
stehende leere Haus dagegen, mit seinen düsteren Mauern, den verrosteten
eisernen Beschlägen und den verschlossenen Fensterläden, schien das Tageslicht
und die Blicke der Menschheit zu fliehen, als wenn es aus dem frohen und
thätigen Leben verbannt und mit einem Fluche beladen wäre.
In dem einen jener beiden Nachbarhäuser empfing eine reizende und
liebenswürdige Dame zur Feier ihres Geburtstages eine große Anzahl Gäste.
Indem sie sich an einen in ihrer Nähe fitzenden Herrn wandte, sagte sie:
„Also haben Sie noch immer kein Haus gefunden, das Ihnen zusagt?"
„Nem, Sennora," erwiderte der Herr, ein Fremder, welcher erst kürzlich
in die Stadt gekommen war. „Unter den mir angebotenen waren die meisten
zu klein sür meine zahlreiche Familie, und die übrigen hatten eine schlechte
Lage. Meine Frau geht sehr wenig aus und wünscht deßhalb, daß unsere
Wohnung m einer guten Gegend der Stadt belegen sei."
„In diesem Stadttheile ist in der That fast gar keine Wohnung zu finden,"
bemerkte ein anderer Gast. ' '
„Aber ich sehe," versetzte der Fremde, „daß das anstoßende Haus nicht be-
wohnt ist; ich glaube, es würde sür mich passen. Wie kommt es, Sennora
daß Sie davon nicht gesprochen haben?"
„Sie haben Recht," erwiderte die Dame, „ich habe nicht daran gedacht
Allem wir sind hier sämmtlich daran gewöhnt, dieses Haus so zu sagen zu den
Süddeutschland.
* Heidelberg, 2. Nov. Endlich doch einmal wieder ein
kleiner erfreulicher Lichtstrahl aus Bayern! Der König hat sich
doch nicht Alles gefallen lassen von der Frechheit der Bettelpreu-
ßen, er hat dem Dichter Geibel, der bei ihm mit 1400 fl. in die
Kost ging, den Brodkorb etwas höher gehängt, nachdem dieser die
Unverschämtheit so weit getrieben, daß er mit der einen Hand
das bayerische Geld nahm und mit der andern auf Bayern hin-
deutete, das als ein herrliches Annexionsobject für Preußen von
ihm bezeichnet wurde. Die badischen Bettelpreußen machen schon
schwache Anläufe zur „sittlichen Entrüstung", — nur ruhig im
Glied gestanden, Ihr Herren, und laßt Euch von dem Spucknapf
am Landgraben den Satz wiederholen, der als Devise auf den
Grund dieses edlen Porzellangeschirres gemalt ist: „Weß Brod
ich ess', deß' Lied ich sing." — Zu allen Zeiten liebten es die
Fürsten zur Verherrlichung ihrer Person und zum Lobhudeln ihres
Regiments Dichter, Sophisten (Professoren) und Hofzeitungsschrei-
ber in ihrem Solde zu haben, die in zahllosen Wendungen und
Phrasen den „Allerhöchsten" für's Geld als den weisesten, milde-
sten, gerechtesten Machthaber zu beweihrauchen haben. Eine kost-
bare Schilderung von diesen Parasiten gibt Wieland in seinem
Agathon, wo er dem Minister des Tyrannnen Dionysios von
Syrakus folgende Schilderung derselben in den Mund legt:
„Der Minister bewies ihm mit den Beispielen seiner eigenen
Vorfahren, daß ein Fürst sich den Ruhm eines vortrefflichen Re-
genten nicht wohlfeiler verschaffen könne, als indem er Philosophen
und Poeten in seinen Schutz nehme, Leute, welche für die Ehre,
seine Tischgenossen zu sein, oder für einen mäßigen Gehalt bereit
seren, alle ihre Talente ohne Maß und Ziel zu seinem Ruhm und
zu Beförderung seiner Absichten zu verschwenden. — „Glauben
wir", sagt er, „daß Hieron der wunderthätige Mann, der Held,
der Halbgott, das Muster aller fürstlichen, bürgerlichen und häus-
lichen Tugenden gewesen sei, wofür ihn die Nachwelt hält? Wir
wißen, was wir davon denken sollen. Er war, was alle Prinzen
sind, und lebte, wie sie alle leben. Er that, was ich und ein
jeder Andere thun würde, wenn wir zu unumschränkten Herren
einer so schönen Insel, wie Sicilien ist, geboren wären. Aber er
hatte die Klugheit, Simoniden und Pindarn an seinem Hofe zu
halten. Sie lobten ihn in die Wette, weil sie wohl gefüttert und
bezahlt wurden. Alle Welt erhob die Freigebigkeit des Prinzen;
und doch kostete ihm dieser Ruhm nicht halb so viel als seine
Jagdhunde. Wer wollte ein König sein, wenn e.n König das Alles
wirklich thun müßte, was sich ein müßiger Sophist auf seinem
Faulbette oder Diogenes in seiner Tonne einfallen läßt ihm zu
Tobten zu zählen, daß Sie sich nicht wundern dürfen, wenn ich unterlassen
habe, es seinem Leichentuche zu entziehen."
„Zu den Todten?" fragte der Fremde erstaunt. „Soll das heißen zu den
nicht mehr existirenden Dingen?" (Forts, folgt.)
Mainz, 80. Oct. Ein Unterthan Les großen preußischen Reiches saß
dieser Tage in Castel in einem Hotel nicht ersten Ranges und that sich behag-
lich an einem Schoppen Apfelwein. Soeben hatte er nach einem scharfen
Trünke das Glas zurückgesetzt, als ein Italiener, der mit den Melodieen seines
Leierkastens Deutschlands Söhnen ihre sauer verdienten Kreuzer abbettelt, in
die Stube trat. Der Italiener forderte den Preußen auf, mit ihm Karte zu
spielen. Vielleicht die jüngste Spannung in politischer Beziehung zwischen
beiderseitigem Vaterlande, vielleicht auch das Vergnügen am Apfelwein hielt
den Preußen ab, sich in dieses freundschaftliche Spiel mit dem Italiener ein-
zulassen. Der Italiener fragte Len Deutschen, welchem Reich er angehöre. Im
Hochgefühle seiner Nationalität, in edlem Bewußtsein bekennt der Deutsche:
ich bin ein Preuße. Diese Worte waren kaum gesprochen, als der Italiener
auf ihn zuspringt und in vollem Zorn ihm — — — die Nase abbeißt. Der
gute Preuße nimmt sein Nasenstück in die Hand, das jener wieder ausge-
spieen, und geht in seine Wohnung. Von hier begibt er sich zu Herrn Dr.
Klober in Castel und bittet um Heilung seiner italienischen Wunde im preußi-
schen Gesichte. Wo ist, sagt Herr Dr. Klober, das Stück Nase? Zu Hause,
war die Antwort. Der Preuße holt auf Aufforderung des Arztes den theueren
Theil seiner Nase und nothdürftig wird er ihm angehestet, obwohl er bereits
erkaltet war. So kam der deutsche Sohn nach Mainz in's Rochusspital, wo
er wohlversorgt in einem Bette den Zorn des Italieners und seine schwere
Verletzung bedenkt. Eine eigene Vorrichtung schützt den verwundeten Theil.
Große Sorgfalt, genaue Beobachtung ist empfohlen und Alles wird aufge-
boten, um dem deutschen Mitbruder seinen mit Recht gebührenden Theil zu
sichern. Das schwer zufallende Thor des St. Rochushospitals ist doppelt und
dreifach bewacht, damit des Italieners Wuth an dem Rochushospital eine
Schranke findet. (M. A.)