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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0413

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/"L Preis vierteljährl. 40 tr.
^44 X Trägerlohn und Postaufschlag.
Mztz- Jns.-Geb. 2 !r. die Spaljzelle.

-M 103 Dienstag den 1. September



* Die Behandlung des Herrn vr. Fischer im
badischen Staatsdienst.
m.
Der am Ende unseres II. Artikels mitg^theilie Ministerial-
erlaß spricht aus, daß zu einer besondern Anerkennung der von
Fischer bei der Choleraepidemie in Walldürn geleisteten Dienste
ein genügender Grund nicht vorhanden sei, „da Dr. Fischer nur
in Folge eines kategorischen Befehls seiner vorgesetzten Behörde
seinen amtlichen Pflichten genügte." Nur in Folge des kategorischen
Besebls, sagt der Herr Minister! Ist damit einfach das Telegramm
des Directvls des Obermedicinalraths an Fischer gemeint, so zeugt
diese Form des Auftrags für die Wichtigkeit desselben und hätte
dessen Ausführung eher die Anerkennung und Dankbarkeit des
Staates, dem die Dienste geleistet wurden, zur Folge haben sollen,
um so mehr, als der Großh. Obermedicinalrath, wie wir mit Be-
stimmtheit erfahren haben, dem Ministerium erklärt hat, Fischer
habe seine Senduug mit Auszeichnung vollführt.
Soll aber in jenem Satze des Erlasses ein Norwurf gegen
Fischer liegen, als ob er erst hätte gezwungen werden müssen,
so ist damit vielleicht gemeint, daß er nicht plötzlich abreiste, sondern
vor seiner Abreise zuvor noch bei dem Director des Obermedicinal-
raths den Auftrag seines vorgesetzten Bezirksarztes in Betreff des
verwaisten Physicatsdienstes aussührte. Da sich Fischer dann streng
an die Anordnung jenes ihm vorgesttzten hohen Beamten hielt, welcher
weder einen Tadel, noch einen kategorischen Befehl in obigem Sinne
aussprach, so wäre ein solcher nach zwei Jahren hervorgeholter
Vorwurf des Ministers ein ungerechter, dem wahren Sachverhalte
durchaus nicht entsprechender gewesen.
Zudem ist es noch sehr fraglich, ob Fischer überhaupt dienst-
lich verpflichtet gewesen wäre, nach Walldürn zu gehen, da er von
Sr. Königl. Hoheit zum „Assistenzärzte bei Großh. Amtsgericht und
Oberamt Heidelberg" also zu gerichts- und überhaupt staatsärzt-
lichen Funktionen, nicht aber zur Behandlung von Cholerakranken
in einem entfernten Amtsbezirke ernannt war.
Wir haben früher bereits gesehen, daß Fischer nicht nur nicht
die Stelle des Amtsarztes in Heidelberg erhielt, sondern daß man
ihm sogar noch ein neues Probejahr auferftgle; wir haben ferner
gesehen, daß man kein Wort des Dankes für die ausgezeichneten
Leistungen Fischers bei der Choleraepidewie nöthig zu haben glaubte,
sondern die gefahrvolle Tbatigkcit Fischers für eine verdammte
Pflicht und Schuldigkeit erklärte, während in Walldürn angestellte
Beamte, die ihren Posten nicht verlassen durften, mit Auszeich-
nungen überhäuft wurden; wir haben endlich gesehen, daß Fischer
die Antwort auf seine Beschwerde gegen das ganze Verfahren, g"gen
den Minister des Innern, welche er vor den Snrffn des Thrones
niederlegte, durch denselben Minister erhielt, eine Antwort, die ein
längeres Verbleiben Fischers im Staatsdienste unmöglich machte.
Als nunmihr das Regierungsblatt die Uebertragung dcs Pkysicats
an Pros. .Knaufs, der bisher noch nicht in der bezirksärzOichtn
Praxis sich umgesehcn hatte und obendrein ein jüngerer Arzt als
Fischer ist, bekannt machte, richtete Fischer follgendes Schreiben su
seme vorgesetzte Behörde:
Großh. Odrrmköiriyalrklh l
Bericht-
Den Dienst des Bezirks-Arztes und
Bezirksassiftenz-Arztes in Heidel-
berg ditr.
Da jetzt der Nachfolger des f Herrn Medicinalmthes Mezger
ernannt ist, so erlaube ich mir, Großh. Obermedicinalrath zu er-
klären, daß ich hiemü die Verpflichtung, Stellvertreter des Bezirks
A rztes wie seither zu sein, für ei loschen Haire und muß Hochden
selben geziemend, aber dringend ersuchen, die Anordnung tresftu zu
Wollen, welche mir baldmöglichst die Bürde dieses Mruües ad-
nehme.
Dringende Gründe nöthigm mich Zu der fernere Bille, Großh.
OderM-kdLctnalrmh wolle baldmöglichst höhern und höchsten Orts
auch mnue Entlassung als Assistenzarzt, meine Entlassung a-»s dem
Stamsdirn-ermrdande bewirken.
Dieses hohe Collegium, welches mein? o-'.- ''ich.- Dhäügkeü,

wie ich weiß, würdigte, muß mit mir fühlen, zu welch' schwerer
Bürde mein Amt mir geworden ist, nachdem höher» Orts alle An-
erkennung mir versagt wurde, als ich zur Zeit der Noch dem
Staate mit Lebensgefahr das Opfer meiner Dienstleistung brachte,
zu welcher ich nimmermehr verpflichtet sein kann, während ich jetzt
noch Zurücksetzung und völliges Jgnorirtwerden erleiden mußte.
Dazu noch die Inquisition und Bedrohungen von Seiten des
Großh. Ministeriums im Jahre 1865 wegen meiner politischen und
religiösen Ueberzeugung! Hätte ich strafbare Handlungen begangen,
so wäre das Strafgesetzbuch zur Verfügung gewesen.
Zuletzt noch, ohne daß ein Dienstvergehen vorlag, wurde mir
die Kränkung angethan, ein sechstes Probejahr bestehen zu sollen.
Ich habe mir vor wenigen Wochen erlaubt, vor Se. Königs.
Hoheit dem Großherzog ein freies Wort zu sprechen und näher be-
gründet, warum ich zu der Ansicht gezwungen bin, daß das Großh.
Ministerium von meiner politischen und religiösen. Ueberzeugung
die Beweggründe nahm zu dem Verfahren, welches dasselbe schon
seit längerer Zeit mir gegenüber einzuhalten für gut findet — ein
Verfahren, welches nach meiner innigsten Ueberzeugung eine Strafe,
dafür sein soll, daß ich die Freiheit für mich in Anspruch nehme,
nach meiner Ueberzeugung zu leben und zu handeln, welche freilich
zu dem Wirken des jetzigen Ministeriums auf kirchlichem und politi-
schem Gebiete in unversöhnlichem Widerspruch steht.
Von demselben Ministerium, gegen welches ich Beschwerde ge-
führt, erhielt ich gestern zur Erwiderung die abfchlägliche Beschei-
dung einer Bitte, welche ich gar nicht gestellt Habs. Somit bin
ich ohne Entscheidung geblieben. Ich verzichte auch darauf: mem
Gewissen hat für mich entschieden!
Die höchst auffallende, nach so langer Zeit erst ausgestellte
Behauptung in erwähntem Erlaß, daß ich in Betreff meiner Sen-
dung nach Walldürn „nur in Folge eines kategorischen Befehls"
meiner vorgesetzten Behörde meinen amtlichen Pflichten genügte, ist,
wie Großh. Obermedicinalrath, namentlich der Herr Director des-
selben, wissen wird, nie und nimmermehr der Wirklichkeit ent-
sprechend. Ich weiß von keinem kategorischen Befehl.
Das weitere Probejahr kann ich nicht im ministeriellen Sinne
bestehen. Ter Preis meiner religiösen und politischen Gesinnung
den es mich, wie ich überzeugt bin, kosten würde, ist ein zu hoher..
Als freier Mann habe ich meinen Einschluß gefaßt,— das Band, das
mich an diesen Etaalsdienst fissclte. Zerreisse ich mit freudigem
Herzen!
Heidelberg, 24. Juni 1868.
Auf diese Eingabe erhülr jcdoch Fischer keine sofortige Ant-
wort. Man sollte glauben, daß nach solchem Briefwechsel wie er
zwischen Fffcher und dem Ministerium des Innern
batte, die Entlassung Fischers sofort cwcenommen Morden wäre,,
blsonrer wenn man noch die stolze Sprache de'- Letzteren berück-
sichtigt: „Dieses Band zerreiße ich mit Freuden!" Jnd-ssm schien
man an maßgebender Stelle märe den gleichen Stolz für angemessen
m erachten, sondern die Sache aus einem rem praktischen Ges
sichtspunku a ffufassen. Ter nmsrnamtte BeZirksarZt Dr. Knauff
blsünd sich mimlich noch auf längeren Reisen, welche cr aus Staats-
kosten zm V.sichtigung größerer Sp'täler unternahm, Man umßLß
also doch Jemand haben, der die PyysicaM.eschäfte bi sorgte, —
und wer hätte das bester chrm können als eben r. Fischer, dex
leit einer Reihe von Jahren in der gerichtsärztlicheu Praxis bß-
deutende Erfahrung und Gewar.dheit bewiesen hatte? Allein Dr.
Fischer wor nicht Willens bis Zur Nückkch seines Nachfolgers auf
seine Entlassung zu warten, Zr drang Dielnr hr in einem ZrmitM
Schreiben auf sofortige Enthebung von seinem Dienste.
Unter dem 3. Juli d. I. richtet Fischer eine weitere ElngM
cm seine vorgesetzte Behörde; er schreib :
Großh. GdermMciMmih l
Bericht
des BeZ.-Assistenz Arztes Dr. Fischer in Heidelberg..
Dm Dienst des Bezirks-Arztes
dahier be:r.
Am 24. s. M. erlaubte ich Mir Großh. Obermedicinalrath
dringend zu nsuchrn, Hochderfxlbe wolle die Anordnung treffen,
welche Wir- hKldMöglichft Sie Dienstvernchtung des VezrrksKlMs
ad nehme.
 
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