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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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Der Südbund.
(Pf. Ztg-)
Der Gedanke eines Südbundes scheint preußischerseits doch
für kein so hoffnungsloses Project gehalten zu werden, da die
Kreuzzeitung schon wieder einen Artikel gegen denselben bringt.
Sie gibt sich die überflüssige Mühe, zu beweisen, daß der Südbund
militärisch weder Oesterreich noch Preußen, noch Frankreich ge-
wachsen wäre, wenn es einer dieser Mächte in den Sinn käme,
ihn zu bekriegen. Obwohl nun aber das Faustrecht wieder in
die moderne Politik eingeführt wurde, so ist es doch kaum wahr-
scheinlich, daß Oesterreich und Frankreich eine inoffensive Conföde-
ration — an einen aggressiven Südbund denkt ja Niemand —
nicht in Ruhe lassen würden. Eine Gefahr könnte nur von Preu
ßen kommen, das aber dann den Prager Frieden verletzen würde
und es eben darum nicht mit dem Südbund allein zu thun hätte.
Denn Oesterreich könnte u. würde sich die Aufsaugung des Südens
durch Preußen nimmermehr gefallen lassen und brauchte nur einen
Finger auszustrccken, um Frankreich Zum Verbündeten zu haben.
In dieser durch den Krieg von 1866 von Preußen geschaffenen
Lage können die Südstaaten ihre Selbstständigkeit erhalten, ohne
der Gefahr der Annexion ausgesetzt zu sein. Mit Ausnahme einer
kleinen Partei will aber überdies Niemand einen preußenfeindli-
chen Südbund, sondern im Gegenheill einen solchen, der zu Preu-
ßen in ein freies Allianzveihältniß treten, damit zugleich eine
Wiederannäherung an Oesterreich vermitteln und so den europäi-
schen Frieden aus die feste Grundlage stellen soll, aus welcher er vor
1866 gestanden. Fünszig Jahre lang, während welcher Preußen
und Oesterreich verbündet waren, hat keine Macht Deutschland
anzugreffen gewagt, während gegenwärtig, trotz der enormen Aus-
gaben für das Militär, nur Wenige an die Erhaltung des Frie
dens glauben wollen. Dieser Zustand kann nicht fortdauern; er
wird aber nicht enden, wenn es nicht Süddeutschland gelingt,
zwischen Preußen und Oesterreich ein neues Bindeglied zu bilden.
Und dies ist wieder unmöglich, wenn Preußen fortfährl, die süd-
deutschen Staaten sich zu unterwerfen, statt ihre Selbstständigkeit
zu schonen und sich damit ihre loyale, freiwillige, nicht erzwungene
Freundschaft zu gewinnen. Das ist unsere Idee vom Südbunde.
Wer kann bestreiten, daß er, so ins Leben gerufen — was bei
allseitigem, gutem und ehrlichem Willen keine großen Schwierig-
keiten böte — ein Glück für Deutschland wäre!

* Zum Südbund.
„Und doch bewegt sie sich!" dürfen wir sagen. Fast gleich-
zeitig mit dem (nicht etwa scherzweise, sondern alles Ernstes ver-
suchten) Nachweis von Bismarck-Braß, der Südbund sei geographisch,
historisch, militärisch, politisch unmöglich, kommt aus München die
Nachricht, Bayern arbeite an der Bildung einer ständischen süd-
deutschen Commission zur Beaufsichtigung des süddeutschen Defen-
siv-Systems im Zusammenhang mit der Verthewigung Gesammt-
deutschlands, und die betreffenden Verhandlungen mit Württem-
berg und Baden würden demnächst beginnen. Eine Bestätigung
nebenbei unsrer vor längerer Zeit gegebenen Mittheilung, dis da-
mals natürlich officiös dementirt wurde.
So bewegt sie sich also. Aber freilich in welchem Tempo!
Daß die vielbesungene österreichische Landwehr bequem nachkommen
kann. Zwei Jahre nach Königgrätz demnächstiger —! — Beginn
—,— von Verhandlungen — !— über Bildung — !— emer
Commission! Das klingt wie „alle zwei Jahr einen Theelöffel
voll zu nehmen." Und Verhandlungen noch dazu mit Carlsruhe
in Preußisch-Baden, bei denen Prinz Wilhelm, Jolly Bluntschli,
Roon, Moltke, König Wilhelm mitsprechen werden! Nun, wenn
der jüngste Säugling in Süddeutschland der älteste Silbergreis
Europa's geworden, vielleicht daß dann der erste Artikel des be-
treffenden Staatsvertrages „fertig" ist (so wird der künftige Frö-
bel melden) bis auf „ganz unerhebliche redactionclle Schwierig-
keiten, für welche eine persönliche Verständigung der Minister mit
bester Aussicht auf rache Erledigung demnächst eintreten wird."
Armes Süddeuischland! arme deuische Nation! Niedergewor- »
fen durch die Gewalt der Waffen, dem Ausland gegenüber bestän-
dig gefährdet, wehrlos gemacht durch Zerreißung ihrer mühsam
gesammelten Kraft, hat die Nation, selbst im Unglück ihrer Pflicht
getreu, sich selber treu, sofort den einzigen Gedanken hervorgebracht,
der noch Rettung versprach, aber wie immer, verstanden ihn ihre
Staatsmänner nicht, sondern glaubten es besser zu wissen, und
nun sie schließlich doch nichts Besseres, nichts Anderes haben, ver-
stehen sie ihn falsch, entstellen und verderben ihn, an. Kopf so arm
wie plump von Hand.
Denn ein Zeugniß zwar für den Südbund ist's, daß die Staats-
weisen immer wieder und wieder darauf zurückkommen müssen, aber
schlimmer wahrlich läßt sich die Idee des Südbunds wohl nicht
verpfuschen, als mit diesem bayerischen Project geschieht. Einen
*) Wir entnehmen diesen trefflichen Aufsatz der Demokratischen Correspon-
denz, jedoch nicht ohne einige Milderungen. Die Redaktion des Psäzer
Boten.

Skizzen aus Ost-Indien.
Ron einem deutschen 8eemanne.
(Fortsetzung.)
Ungeduldig begaben wir uns zur Cajüte, und nachdem sich der Alte vom
Schiffsjungen hatte einen Grog mischen und ein Kästchen mit Cigarren bringen
lassen, begann er folgendermaßen:
Jungens, ihr habt mich um die Erlaubniß gefragt, ob ihr mit der Back-
bordswache an Land gehen dürft, und ich habe euch diese Erlaubniß gegeben.
Ich weiß, daß ihr alle sür einen stehen werdet, wenn eine Gefahr vorhanden
ist, denn ihr seid ja Seeleute. Aber es ist meine Pflicht als euer Vorgesetzter
euch auf die euch drohenden Gefahren aufmerksam zu machen. Wenn ihr in
die Stadt kommt, so verweilt so viel als möglich in dem Theile, wo Europäer
wohnen, und verirrt euch nicht in die sog. eÜEk torvn, denn dort ist der
Versammlungsort der schlechtesten Subjecte auf Gottes Erdboden. In der
großen e1iin686 torvn sind genug und zu viel Kneipen, wo die malavischen
Piraten noch bis heute hinkommen. Hier unterbrach der Obersteuermann den
Kapitan mit der Frage, ob es denn auch noch malayische Piraten gebe 2 Von
chinesischen Seeräubern habe er zwar gehört, aber geglaubt, daß die malavischen
durch die Energie der holländischen und englischen Regierung vertilgt worden
waren ; wenigstens habe er bei seinen zahlreichen Fahrten in Ostindien niemals
nn malayisches Piratenschlff zu Gesicht bekommen. — Nein, mein lieber Freund.
Die haben noch kernen malayischen Piraten gesehen, fuhr der Alte fort. Aber
wissen Sre warum? Weil Sie die Reise nach Ostindien immer mit den großen
^??waff>reten Schiffen der holländischen Maatfchappr, gemacht haben
niemals an Schiffe wagen, wo sie sich höchstens blutige
Kopse und ^od holen konnten. Hätten Sie aber, wie ich, das chinesische
Affr, überhaupt diese Gewässer, in welchem wir uns
setzt befinden, jemals mck einer kleinen Brigg oder mit einem schwachen Schooner
befahren, so wurden Sie anders sprechen.
Wir kannten nun unfern Kapitän als einen alten erfahrenen Seemann
der wie seder andere unseres Standes etwas ausschneiden mußte, wußten aber

auch, daß er uns gegenüber nicht von Gefahren sprechen würde, wenn keine vor-
handen wären, und ließen ihr ohne weitere Unterbrechung fortfahren:
Wenn ihr trotz meiner Warnung doch in eine solche Spelunke, wie diese
chinesischen Zro§ 8Üop8 sind, hineingerathen solltet, so haltet fest zusammen;
denn wenn die Schufte sehen, daß so starke Burschen wie ihr einig seid, so
werden sie es nicht wagen, ihre Versuchungen an euch zu probiren. Kommt
ihr aber getrennt und vereinzelt in ein solches Nest, so werden sie vielleicht
folgendes Mittel anwenden. Zuerst lassen sie euch durch einen Aufwärter
fragen, ob ihr nicht mit Kameraden ein Glas Arrac trinken wollt, der dort
sehr gut ist; nehmt ihr diese Einladung an, so werden sich einige von diesen
Hunden, deren bester Platz an der Frockraae wäre, zu euch setzen und euch
ein Spiel Vorschlägen, in dem ihr im Anfänge gewinnt; dann verliert ihr aber
Schlag auf Schlag, der reichlich gespendete Arrak steigt euch zu Kopse und
wenn ihr noch dazu heftig werdet und aufbrausen wollt, so macht euch ein
Schlag mit einem üto prosorvsr völlig besinnungslos und am andern Morgen
befindet ihr euch an Bord eines großen Bootes, welches mit euch der hohen
See zusteuert. Gewöhnlich ist der Unglücksmensch, der sich in dieses Nest ver-
liert, aber so betäubt, daß er sich willenlos fortschleppen läßt, und dann ist
das Resultat dasselbe. Vor dieser größten Gefahr warne ich euch eindringlich,
dann aber auch noch vor den Tigern, welche ebenfalls in jenem verrufenen
Stadttheile häufig sind.
Nach vielem Drängen von unserer Seite entschloß sich der gute Alte, uns
sein Abenteuer mit einem Tiger zu erzählen: Vor etwa 3 Jahren kam ich mit
der kleinen Hamburger Brigg „Louise Leonde" zum ersten Male hier an; da-
mals war ich Oberfteuermann und hatte ebenso wie ihr jetzt den Wunsch, an
Land zu gehen. Mein Capitän, der ein alter rauher Seemann war, warnte
mich nicht vor den Gefahren, welche Singapore darbietet, und so schritt ich
meine erprobte Doppelpistole bei mir führend, in der Dämmerung fürbaß.
Ich folgte einem chinesischen Marktschreier, der versprach, eines Jeden Porträt
für 6 Pence (25 Kreuzer Silber) aus Elfenbein zu malen. Mehrere Bilder
hatte er bereits beim Scheine einer bunten Papierlaterne vollendet. Endlich
bog ich auf's Gerathewohl in eine andere Gaffe ein, welche auf den schmalen
Meeresarm zuführte, der die Stadt vom Festlands trennt.
(Fortsetzung folgt.)
 
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