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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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und Land.

Preis Vierteljahr!. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

llk77.

Donnerstag den 2. Juli

1868.

Berichterstattung des Abgeordneten Lindau
über seine Thätigkeit im Zollparlamente.
(Fortsetzung.)
Hr. Lindau fährt fort: Nun handelte es sich um die Wahl
des zweiten Vize präsidenten. Da ging es schärfer her. Die Go-
thaer wollten durchaus einen Erfolg haben; nämlich einen der
Ihrigen zum zweiten Vizepräsidenten; sie hatten zum Candidaten
den Hrn. v. Roggenbach. Mit den Gothaern und Altliberalen ver-
einigte sich die Fraction der preußischen Fortschrittspartei, die sich
in der Hauptsache, wenn es auf das Großpreußenthum ankömmt,
von den Nationalliberalen nicht unterscheidet. Die preußischen
Conservativen aber mochten mit diesen und namentlich mit den
süddeutschen „Beitelpreußen" bei dieser Wahl nicht zusammen gehen,
um Hrn. v. Roggenbach durchzudrücken; sie stellten ihrerseits den
Herzog von Ujest als Candidaten auf, auch ein Hohenlohe.
Unser Candidat war der vortreffliche Herr v. Zu-Rhein, Re-
gierungspräsident von Würzburg. Im ersten Wahlgange erhielt
zwar Herr v. Roggenbach mehr Stimmen als der Herzog v. Ujest,
aber keiner der drei Candidaten hatte die absolute Mehrheit, d. h.
mindestens eine über die Hälfte aller abgegebenen Stimmen. Man
hat uns, die süddeutsche Fraction, auf verschiedene Weife für von
Roggenbach zu gewinnen und zu ködern gesucht, allein wir blieben
unerweichlich, und ließen den Herrn v. Roggenbach durchfullen.
Bei der engeren Wahl zwischen v. Ujest und v. Roggenbach warfen
wir uns auf die Seite der Conservativen und stimmten für den
Herzog von Ujest. Dieser Erfolg unserer Partei machte die größte
Sensation; wir waren für ausschlaggebend erkannt und erprobt.
Den Hauptverfuch der Nationalliberalen, das Zollparlament
in das Verhältniß einer politischen Körperschaft hinüber zu zerren,
bildete der Antrag von Metz und Bluntschli, eine Antwortadrefse
auf die Rede zu erlassen, womit der König von Preußen das Zoll-
parlament eröffnet hatte. Es war das ein keckes Unterfangen und
streng genommen sogar Landesverrath, insofern dabei darauf ge
rechnet war, daß die Süddeutschen sich daran beiheiligen sollen.
Denn wir können nur eine Antwortsadresse auf die Thronrede
unseres eigenen Fürsten beschließen; wir stehen in keinem Bundes-
Verhältnisse zu dem Könige von Preußen. (Stürmische Zurufe:
Ja wohl, ja wohl!) Die National-Liberalen hatten es auf den
Vertragsbruch, auf die Erweiterung der Competenz des Zollparla
ments angelegt. Unsere Aufgabe war, allen diesen Versuchen einen
Damm entgegenzusetzen. Die Adresse sollte den Eintritt in den

norddeutschen Bund unmittelbar vorbereiten, der Antrag auf den
Eintritt lag schon parat für den Fall, daß die Adresse durchgegangen
wäre. Wir aber protestirten gegen die Adresse; wir haben an den
König von Preußen keine Adresse zu richten, denn der König von
Preußen ist nicht unser Oberherr. (Wiederholte stürmische Zustim-
mung). Die süddeutsche Fraction erklärte, daß sie unter Protest
den Saal verlassen werde, wenn über den Adreßantrag nicht die
einfache Tagesordnung beschlossen werden würde. Der Protest
war aufgesetzt, von uns Allen unterzeichnet, und einem Mitglieds
unserer Fraction übergeben, damit dasselbe ihn sofort bei dem
Präsidenten niederlege, wenn über den Adreßantrag Bluntschli und
Genossen etwas anderes als einfache Tagesordnung beschlossen
werden sollte. Unmittelbar hätten wir dann allesammt sofort den
Saal verlassen.
Unsere entschiedene unbeugsame Haltung gegen allen Schwindel
der National-Liberalen bewog unter anderen Gründen auch die
Conservativen, gegen die National-Liberalen für einfache Tages-
ordnung zu stimmen, und es hatte dies eine große Niederlage der
National-Liberalen, insbesondere der badischen zur Folge. Der An-
trag Bluntschli-Metz war auch von badischen National-Liberalen
und ein Paar bayerischen nationalliberalen Volkssplittern unter-
schrieben worden; kein Name eines Württembergers oder der Mehr-
heit aus Bayern stand darunter; die badischen National Liberalen
haben sich von ihrem Obermeister Bluntschli fangen und in die
Patsche führen lassen. (Händeklatschen.) Diese schwere Niederlage
machte die National-Liberalen sehr bestürzt und niedergeschlagen;
sie hatten sicher gehofft, für ihre politischen Zwecke Errungenschaften
zu machen; Bluntschli und Genossen gingen nicht nach Berlin um
für die Wohlfahrt des Volkes zu streiten, sondern um ihre fixe
Idee, den Eintritt Badens in den Nordbund in Verwirklichung zu
setzen. Damit hatten sie nun gleich beim ersten Anlauf gründ-
lich Schiffbruch gelitten, ihre Sache war eine verspielte, Holland
ist bei ihnen in Noch; sie sannen den Plan für einen zweiten
Versuch aus.
An einem schönen Morgen wurden wir völlig überrascht mit
einem Anträge von Bamberger, den Bundesrath zu ersuchen, bei
der großh. hessischen Regierung dahin zu wirken, daß die Wein-
steuer in Hessen mehr in Einklang mit den Besteuerungssätzm des
Zollvereins gebracht werde. Diesen Bambergerffchen Antrag fan-
den wir schön gedruckt auf unseren Plätzen liegen, gar zierlich,
und so harmlos und unverfänglich lautend, daß wir wirklich sanden,
die Schlauheit der Gothaer mache sich würdig unserer Bewunde-
rung. Für uns war es eins Kleinigkeit, auf der Stelle loszube-

Skizzen aus Ost-Indien.
Von einem deutschen 8eemnnne.

(Fortsetzung.)
Bevor wir unser Schiff verließen, hatte man uns vor dieser Hölle des
Lasters gewarnt, und in Folge dieser Warnung ließen wir unsere Offiziers-
abzeichen an Bord und ruderten, jeder mit einem guten Coltschen Revolver
bewaffnet, 8 Mann stark, dem User zu. Die verworfensten Geschöpfe des
ganzen niederländischen Ost-Indiens finden sich hier in diesem berüchtigten
Mister Cornelis em, hier tritt das Laster in seiner abschreckendsten Gestalt auf,
und es gehörte kein kleiner Muth dazu, den Eintritt zu versuchen. Doch ein
Griff an die Brusttaschen unserer Matrosenüberröcke, wo wir den selten fehlen-
ten Revolver trugen, beruhigte uns wieder. Was, hieß es, wir, die wir Tag
und Nacht mit den Elementen kämpfen, die wir jede Minute bereit sein müssen
vor dem Richterstuhl des Allmächtigen zu erscheinen, wir werden uns vor
Menschen fürchten? Nein, niemals! Unser chinesischer Führer theilte zwar
unsern Muth nicht, und nachdem wir ihm eine Rupie (1 Silbergulden) für
seine Mühe gegeben hatten, vertieften wir uns in das bunte Gewühl.
Hier ist das ganze Jahr Markt es geht zu wie aus einer holländischen
LUrmeß, bis die schreckliche Wirkung des Opiums sich bemerkbar macht Wir
traten in einen solchen Opium süop. Ein dichter betäubend wirkender Nebel
empfing uns. Auf's Gerathewohl tappten wir fort, bis wir fühlten, daß wir
an emem geschloffenen Fensterladen standen. Ein wuchtiger Schlag einer
Matrosenfaust fprengte den Laden und die draußen von tausenden von farbigen
Papierlaternen verbreitete Helle strömte herein. Bei dieser Beleuchtung bot sich
uns ein gräßliches Schauspiel dar. Hinter einem durchsichtigen Vorbana laa
°>>f -m-r A-t ch° -m Chmch, d.r „°ch dl- LfchÄ
Oplumpfetse rn der Hand hielt. Der Unglückliche war betäubt und einige
Malayen waren eben daran, ihn — buchstäblich — anszuziehen. Nachdem sie
dieses Bubenstück vollbracht hatten, kam der Chinese wieder halb zu sich und
^af ihn der durch das Fenster hereinkommende
? Hie rhn gänzlich zu sich. Er bemerkte die beiden Räuber,
welche sich eben hmwegschleichen wollten. In der Nähe vor seinem Lager

lehnte ein stumpfes Messer, nach Art der mexikanischen Machetes. Dieses er-
blicken, ergreifen und mit dem Rufe „Amok" hinausspringend, war das Werk
einer Secunde. Jetzt begriffen wir, daß wir einen Amokläufer vor uns hatten.
Er stürmte an uns vorüber, ohne uns glücklicher Weise zu bemerken, erreichte
die beiden Räuber und tödtete sie; dann raste er weiter, Alles niederstoßend,
was ihm in den Weg trat. Kurz nachdem wir ihn hatten entspringen sehen,
erscholl aus einem an der Straße stehendem Häuschen der dumpfe Ton eines
chinesischen Gong, welcher sich überall wiederholte und welchem bald ein Schuß
folgte. Der unglückliche Amokläufer hatte geendet. Diese Amokläufer sind
eine Spccialität Batavia's. Nachdem sie durch den übermäßigen Genuß von
Opium wahnsinnig geworden sind und sich einer Waffe bemächtigt haben,
stürmen sie auf die Straße; es heißt, daß sie noch so viel Unterscheidungsgabe
besitzen, um einen Feind zu erkennen. Diesen Feind suchen sie auf und er-
morden ihn, so daß der erste Mord vorsätzlich geschieht. Der Anblick des Blutes
aber versetzt den Unglücklichen in die größte Raserei und er rennt fort und
mordet, was ihm in den Weg kommt, so lange bis ihn eine Kugel trifft.
Zum Schutzs gegen diese Amokläufer steht in jeder Straße ein kleines
Haus, in welchem sich ein Wächter mit einem Gong (Art von Pauke) befindet,
woraus er schlägt, sobald ein Amokläufer loskommt. Auf dieses Signal muß
Jeder, der ein Feuergewehr besitzt oder eines solchen habhaft werden kann,
dasselbe ergreifen und wie ein Jäger auf den Anstand gehen, um das mensch-
liche Wild, wenn es ihm schußgerecht kommt, zu erlegen.
Nach diesem Schauspiel, welches selbst uns, die wir doch an aufregende
Scenen gewöhnt waren, erschütterte, spürten wir keine Lust, noch länger zu
bleiben, sondern zogen uns aus ein hart an der Stadt liegendes kleines Fahr-
zeug zurück, wo wir gastliche Aufnahme fanden und ruhig den Morgen erwar-
ten konnten. Am folgenden Tage beschlossen wir, den Onkel unserer Kamera-
den zu besuchen, um doch auch einen anderen Eindruck von der „Königin des
Ostens" mitzunehmen, als den gestern Abend erhaltenen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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