Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 40-51 (2. April - 30. April)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1868.


Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Der schwarze Gentleman.
Lus den Erinnerungen eines Lrzies.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

Hiezu gesellte sich noch das Mitleid, welches Julie für Edmund empfand.
Mehrmals hatte sie ihn nach plötzlichen Anfällen tiefer Schwermuth unterworfen ge-
sehen, welchen stets ein erschreckender Zustand folgte. Plötzlich erblaßte der
Graf in solchen Fällen, seine Augen richteten sich mit leichenhafter Starrheit
auf einen bestimmten Punkt im leeren Raume, und seine sonst so ruhigen
Züge wurden furchtbar verzerrt. Seine zusammengepreßten Lippen erlaubten
ihm kaum das Athmen und in Allem machte er den Eindruck eines plötzlich
von namenlosem Entsetzen Erfaßten, ohne daß sich hiefür die geringste Ursache
erkennen oder irgend etwas das Herannahen eines solchen Zustandes ahnen
ließ. Von seiner Umgebung wurden diese Erscheinungen als eine Folge des
Feldzuges betrachtet. Einmal, nicht lange nach dem Tode der Gräfin, passirte
es bei einer Ausfahrt, auf welcher Edmund die Damen zu Pferd begleitete.
Bei einer Wendung des Weges stieß er einen Schrei aus, blickte starr vor sich
hin und siel dann vom Pferde. Während die Damen ausstiegen und sich über
ihn beugten, erhob sich plötzlich ein lautes Getöse, und sie sahen, wie wenige
Schritte von ihnen entfernt, ein gewaltiger Fels, der sich halb über den Weg
geneigt hatte, herabgestürzt war. Ohne den Edmund zugestoßenen Unfall wür-
den sie durch den Felsen zerschmettert worden sein.
Ueber dies Ereigniß enthielt das Tagebuch des Grafen Folgendes:
„Wie könnte ich noch an dem zweifeln, was sich mir auf so überzeugende
Weise offenbart? Habe ich nicht mehr als einmal gesehen, wie die Hand mit
dem flammenden Ring einen Tscherkeffensäbel von meinem Haupte abwehrte?
Und hat sie nicht jetzt wieder den warnenden Finger gegen mich erhoben? War-
nend zeigt sie mir die Hand, und drohend stammt mir der Ring entgegen.
Wann wird diese Drohung sich verwirklichen? Und werden diese Erscheinungen
mir stets allein sichtbar sein? — Aber wozu diese fortwährenden Gewissens-
bisse? Nur die That kann Folgen gebären, was nicht gethan wurde exfftirt
nicht, und was nicht existirt, kann keine Wirksamkeit entfalten. Für meine
Handlungen bin ich verantwortlich; können aber Gedanken mir zum Vor-
wurf gemacht werden?"

(Fortsetzung folgt.)

1- Erzbischof Hermann.
Kaum war das Festgeläute von der erhebenden Feier des
Jubiläums unseres greisen Oberhirten verklungen, als schon die
schmerzliche Kunde von dem plötzlichen Ableben des Jubilars ein-
traf und die ganze katholische Welt in tiefe Trauer versenkte.
Lr zb isch of Hermann, der Heldengreis, ver so muthig und
ausdauernd bis an sein Ende gestritten, ist nicht mehr. Sellen
ist es einem Menschen durch die Gnade Gottes beschieden, ein so
außergewöhnliches Maß der Jahre in Gesundheit des Geistes und
des Leibes zu erreichen, noch seltener, einen so großen Schatz der
Erfahrungen zu sammeln, wie dies in einer an gewaltigen, welt-
erschütternden Ereignissen so überreichen Periode der Weltgeschichte
möglich war, in welcher der Heimgegangene Prälat sein schönes
Leben verbrachte. Ist doch schon das furchtbare Drama der fran-
zösischen Revolution mit all seinen Schrecknissen an Hermann's
Jugendjahren vorübergezogen, hat er doch das Weltkaiserthum
Napoleon Bonaparte's in gerechterem Alter entstehen und den er-
drückenden Koloß beim Erwachen eines neuen Völkersrühlings
Zusammenstürzen sowie darauf eine neue Ordnung der Dinge be
gründen sehen! Aber seine hervorragendere Thätigkeit fiel in die
Zeit, wo diese neue Ordnung durch furchtbare Revolutionen unter-
graben und mit Gewalt der Waffen stets wieder von neuem be-
festigt wurde. Doch nicht genug, — am Abende seiner Tage
war es ihm nochmals beschieden, einen Krieg ohne Beispiel an
Erfolgen und Kürze der Zeit über sein von ihm geliebtes deut
sches Vaterland hereinbrechen zu sehen, einen Krieg, der ihn mit
tiefstenl Schmerz erfüllte, weil Brüder gegen Brüder die Waffen
zückten und über den Hausen erschlagener Söhne des gemeinsamen
Vaterlandes ein neuer Zustand der Dinge begründet wurde, der
keine Dauer des Friedens gewährt, vielmehr stets neue Kriegs
gefahren in einer bedeutungsschweren Zukunft in Aussichr stellt.
Doch weit wichtiger als Kriege, Revolutionen und politische
Umgestaltungen sind in dem Leben des hochbelagten Kirchenfürsten
die Kämpfe, die auf kirchlichem Boden den hochwürdigen Herrn
unmittelbar selbst auf den Schauplatz der Action riefen. Erzbi-
schof Hermann war es nicht vergönnt, ein ruhiges, friedliches Da-
sein inmitten einer glücklichen, zufriedenen Schaar der Glaubens-
genossen zu genießen, — Hermann war ein Held en greis, der
trotz der Bürde der Jahre beständig in vorderster Reihe des Tref-
fens stehen mußte, um die zahllosen Angriffe abzuwehren, die ohne
Unterlaß, ohne Maß, ohne Beispiel gegen die von ihm vertheidigte
Kirche gerichtet waren, und unter welchen keine an Heftigkeit, Bos-

* Was nun?
Man war bisher gewohnt, die sogenannte ultramontane Partei
als ein winziges Häuflein darzustellen, das in keiner Beziehung
Beachtung verdiene und höchstens mit vornehmem Spotte oder
mit cynischer Rohheit behandelt werden müsse. Scharfe unpar-
teiische Beobachter sahen die Sache jedoch längst mit andern Augen
an und warnten vor jeder Ueberhebung und Selbstüberschätzung, deren
bittere Früchte nicht ausbleiben könnten. So kamen die Wahlen
zum Zollparlament, und diese waren es, welche den Uebermüthigen
einen Denkzettel gaben, den sie uoch lange nicht werden verschmerzen
können. Waren sie ja doch ihrer Sache so sicher gewesen, daß sie
noch vor Scheiden aus der Kammer bei der üblichen Cour die

heit und Erbitterung denen glichen, die in den letzten Jahren seinen
erzbischöflischen Sitz umtosten. Niemals hat der Bischof geschwankt,
nie hat er der Würde und dem Recht seiner Kirche einen Buchstaben
geopfert, und wenn die Hand des Greises zitterte, zitterte nicht vor
Angst und Bangigkeit, sondern unter der Wucht fast eines Jahr-
hunderts, dann war es ein Blick auf den Gekreuzigten, der ihn den
Hirtenstab noch fester umfassen ließ, und das „non p088uinn8"
war die einzige Antwort, die er maßlosen Anforderungen entge-
gensetzte.
Es kann nicht unsere Sache sein, uns in weiteren Betrachtun-
gen über die ereignißvollen Jahre zu ergehen, jene schmerz- und
leidensvolle Zeit, in der unser greiser Oberhirte seinen milden Stab
über seiner Erzdiöcese führte, — eine geübtere Feder und dem
hohen Verstorbenen näher stehende Kraft wird wohl die dankbare
und schöne Aufgabe übernehmen, das Leben des Erzbischofs Her-
mann v. Vicari, seine Kämpfe und Leiden der lauschenden Mit-
und Nachwelt zu verzeichnen. Wir begnügen uns mit dem freudi-
gen Gefühle, das unserer Trauer sich beigesellt, daß es dem Greise
noch vergönnt war, die Saat früherer Jahre fröhlich gedeihen zu
sehen: das Erwachen und Aufstreben des katholischen Geistes durch
alle Theile des bewohnten Erdballes, wie insbesondere in unserem
schönen, von einem so biederen und ehrenfesten Volke bewohnten
Badnerlande. Und so rufen wir denn schmerzerfüllt, aber gotter-
geben an der Gruft unseres Heimgegangenen Kirchenfürsten: Ruhe
in Frieden, du treuer Hirte, du! Uns aber bleibt nur übrig, am
Rande dieses Grabes, das keine Schrecken hat, das feierliche Ge-
löbniß zu thun, unablässig das Beispiel des Heldengreises Hermann
vor Augen zu haben und allen ungerechten Anforderungen und
Drohungen ein ebenso festes: non pO88umn8 entgegenzurufen!

(Fortsetzung.)
Edmunds Briefe vom Kriegsschauplatz enthielten viel Interessantes über die
Sitten der Tscherkeffen, aber nichts über die Gefahren, denen er täglich aus-
gesetzt war. Nur aus anderen Quellen erfuhr man zu wiederholten Malen,
wie er sich stets in der vordersten Reihe befand und den Tod förmlich zu
suchen schien.
Im Mai, des Jahres 1817 traf endlich der Brief ein, welcher zur unend-
lichen Freude der Seinigcn die Nachricht enthielt, daß er in's elterliche Haus
zurückkehre. Aber d_>r Vater sollte seinen Sohn nicht noch einmal umarpnen,
und als Edmund wieder auf dem Schlosse ankam, lagen ihm, dem letzten
Sprößling eines alten Geschlechts, alle Sorgen des FamiÜenhauptes ob.
Das zweijährige Kriegsleben hatte seinen Körper gekräftigt und seinem
ohnedies schon imponirenden Wesen einen gewissen gebieterischen Anstand ge-
geben, welcher dem Uebergewicht, das seine hohe Intelligenz und seine Geburt
ihm neben andern verlieh, noch zu Hülfe kam. Und war er schon an und für
sich einer der seltenen Menschen, zu denen sich alles Schwächere hinneigt, so darf
man sich nicht darüber wundern, wenn Julie, als noch vor Ablauf eines
Jahres die verwittwete Gräfin ihrem Gatten nachgefolgt war, den Bitten des
alleinigen Erben nicht wiederstehen konnte. Vielleicht hätte ihr Stolz sich
empört, wenn er auf Grund ihrer hülflosen Lage sie um ihre Hand gebeten
hätte. Aber statt ihr vorzustellen, daß sie eine von ihm abhängige Waise sei,
berief er sich auf seine eigene Verwaisung, in welcher nur sie ihm Trost und
Ruhe gewähren könne, und statt den Bruder bei ihr vertreten zu wollen, flehte
er sie an, den Schmerz um den geliebten Verblichenen mit ihm gemeinsam zu
tragen.
 
Annotationen