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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 130-141 (3. November - 30. November)
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Donnerstag den 12. November

* Zur Lage.
Wer seine Ansicht über die Gestaltung der politischen Ver-
hältnisse kund gibt, begegnet je nach dem Parteistandpunkt und je
nach den Wünschen und Befürchtungen einer sehr verschiedenen Be-
urteilung. Darüber darf er sich um so weniger beschweren, als
ja selbst die Geschichte zur Magd der jeweils herrschenden Politik
in der Neuzeit degradirt wurde. Wer in Deutschland die Ansicht
der Wahrscheinlichkeit eines Krieges und zwar eines recht baldigen
Krieges vertritt, muß es sich gefallen lassen, mit dem Namen eines
Ultramontanen oder Demokraten beehrt zu werden. Wer friedliche
Symptome zu entdecken vermag, darf das gothaische Vorrecht eines
„Vaterlandsfreundes" beanspruchen.
So wenig Gewicht wir auf die Vergötterungsphrasen der
gothaischen Assecuranz-Gesellschaft legen, so dürfen wir doch aus
Herzensgrund den Wunsch hier aussprechen, daß der Friede unter
den Mächten des dreitheiligen Deutschlands und auf der Basis
eines förderalistisch geeinigten, starken, freiheitlichen Gesammtvater-
lands erhalten bleibe. Ja bei Gott! wenn wir die neuesten drei
imperialistischen Karten Deutschlands betrachten, so kann es uns
nicht darnach gelüsten, eine vierte zu sehen, auf der statt der
Miquellschen Main-Locomotive eine Girardin'sche Rhein-Locomotive
Platz gefunden hätte. Unendlicher Schmerz, Schamröthe wie Zornes-
gluth muß den deutschen Mann erfüllen, wenn er sieht, daß die
Geschicke seines Vaterlandes nicht durch den ureignen Willen der
Nation geleitet werden, sondern einer selbstsüchtigen Cäsaren-
politik auheimgefallen sind. Doch mögen sie noch so niederdrückend
für uns ausfallen, ein Trost ist uns Großdeutschen geblieben:
wir tragen keine Schuld an dem Unglück unsers Vaterlandes.
Doch wozu die Klagen, wenn uns höhnisch von Berlin zuge-
rufen wird: beugt nur mern Nacken unter das hohenzollern'sche
Joch, dann sind wir ja vereinigt und können den auswärtigen
Feind in seinen Prätensionen zurückhalten. Läge nicht der Bruder-
mord dazwischen — auch dieses Opfer könnte gebracht werden.
Was Frankreich betrifft, so zeigt es sich deutlich, baß die
vielerlei Gerüchte über die Person Napoleons, über feine geistige
und körperliche Schwächung, über seinen Widerwillen oder gar
Furcht vor einem neuen Kriege, über seinen täglich mehr dahin-
sinkendem Einfluß auf die Massen, über die steigende Macht der
Republikaner oder anderer feindlicher Parteien und über die Rück-
wirkung der spanischen Revolution auf Frankreich, sowie über seins
unschlüssige Politik wegen Italiens und Spaniens sich nicht be-
wahrheitet haben. Man erzählt sich in Paris folgende Geschichte.
Nach der Schlacht von Königgrätz berief Napoleon seine Marschälle

und verlangte ihre Ansicht über die Kriegsbereitschaft der Armee
zu wissen. Die einstinmngs Erklärung ging dahin, daß mit der da-
maligen Armee Preußen nicht entgegenzutreten sei. Keiner der
Marschälle wollte ihre Führung übernehmen. Napoleon, höchst be-
treten hierüber, frug wer sich der Reorganisation unterziehen wolle.
Da trat Niel vor und erbot sich, das Werk in zwei Jahren zu
leisten. Der Kaiser befrug weiter feine Dtaatsräthe, welcher sich
getraue, die Dinge zwei Jahre lang ohne Entscheidung hinzuhalten.
Das übernahm Moustier.
Wie viel oder wie wenig an dieser Erzählung erfunden ist,
wollen wir nicht untersuchen. Aber die Thatsachen scheinen keinen
besondern Widerspruch einzulegen. Die französische Armee ist der-
gestalt gerüstet, daß sie jeden Tag den Feldzug beginnen kann,
die Festungen an der Ostgrenze strotzen von Material und Pro-
viant, als Bundesgenossen wird auf Belgien, Holland, Dänemark
und Schweden gezählt, und Italien muß folgen, wenigstens unter
seiner jetzigen Dynastie. Was aber für Frankreich die Hauptsache
ist — der Krieg gegen Preußen ist dort populär, und als be-
zeichnend mag es gelten, daß die ungebildeten Massen die Preußen
nicht als Deutsche kennen, sondern als eine mit den Russen ver-
wandte Nation betrachten; ja mit Bedauern Iss prmvres ^.IIsmAuäs
als ein von Preußen unterjochtes Volk im Munde führen.
Die selbstständigen Politiker Frankreichs, auf deren Ansicht
Napoleon Gewicht legen muß, beurtheilen die französische Politik
der letzten Jahre keineswegs günstig. Was Thiers wiederholt auf
der Tribüne behauptet hat, stimmt mit ihrer Ueberzeugung über-
ein. Sie tadeln die durch französische Kräfte bewirkte Herstellung
des einen Italien, sie beurtheilen mit Nachsicht die Expedition
nach Mexico als eine eomsiilluison ti-bs prokonlls, die aber unglück-
lich ausgefallen ist, sie verurtheilen endlich aufs entschiedenste die
Haltung Napoleons im Jahre 1866. Und gerade dieser Umstand
ist es, der Napoleon dahin treiben muß, sein prsstlZs durch einen
Krieg auf Leben und Tod wiederherzustellen.
Die Stellung, welche Süddeutschland in einem Kriege zwischen
Frankreich und Preußen einzunehmen hat, hängt von Voraus-
setzungen ab, die erst im Momente des Krieges selbst eintreten
werden. Vorerst werden wir die Frage aufwerfen müssen: wo
steht Oesterreich, jenes deutsche Land, das wahrlich öfters als
Preußen für die Integrität und die Interessen des Gesammtvater-
landes eingetreten ist, das überdies die geographischen Verhältnisse
uns zum Schirmherrn angewiesen haben. Wenn Oesterreich trotz
der Bstheiligung deutscher Fürsten an Napoleon's I. Seite gegen es
seinen deutschen Beruf am Ende des vorigen und am Anfänge des

Im Leben schweigen und sterbend vergeben.
Nach dem Spanischen des Fern an Caballero.
(Fortsetzung.)

Als er vom Markte zurückkam, wunderte er sich, die Thür nur angeleynt
zu finden, so daß er sie öffnen und eintreten konnte, ohne sich des Schlüssels
zu bedienen. Wie groß war jedoch sein Staunen, als er sah, daß das Wasser
im Becken des Brunnens im Hose geröthet war; dieses Staunen wurde zum
Entsetzen, als er auf der weißen Treppsnwand den blutigen Abdruck einer
Handfläche gewahrte. Ohne Zweifel war der Mörder, als er die Treppe hinab-
stieg und sich mit menschlichem Blute bedeckt sah, von einer momentanen
Schwäche ergriffen worden und hatte sich an der Wand halten müssen, welche
den Abdruck der mörderischen Hand bewahrte, um den Schuldigen anzuklagen
und den von ihm genommenen Weg zu bezeichnen. Mit Grauen erfüllt stieg
der Bediente hinauf, den Blutspuren folgend, welche ihn von Stufe zu Stufe
bis zu der Stelle führten, an der die Unthat begangen worden war. Auf
diese Weise gelangte er zu dem düstern und entlegenen Schlafgemache der armen
alten Frau, welche nie au das Böse hatte glauben wollen, weil sie es nie zu
begreifen im Stande gewesen war.
„Die Spur geleitete ihn bis an die Thür des Gemaches und lief über
dessen Fußboden hin, der es nicht hatte einsaugen wollen, so daß es noch feucht
war. Die alte Frau lag mit offenen Augen, in denen sich noch der Schreck
ausdrückte, unter dessen Einfluß ihr Leben geendet hatte, ausgestreckt auf dem
Bett, und ein wachsbleicher Arm hing auf den Fußboden hinab, als hätte er
die Verlassenheit des unglücklichen Opfers andeuten wollen.
„Der von Entsetzen ergriffene Diener begann laut zu schreien und eilte
fort, um seine Gebieter herbeizurufen. Welcher Anblick zeigte sich den Unglück-
lichen ! Die junge Frau sank wie vom Blitze getroffen zu Boden und der Mann
wurde gleichfalls bleich und stumm vor Schrecken, wie es schien, hatte aber
dennoch mehr Fassung und ließ die Hausthür schließen, um die durch das
Geschrei des Dieners herbeigelockten Menschen abzuhalten, und machte dem Ge¬

richte Anzeige. Die Beamten kamen, aber sanden nichts als den stummen
Leichnam; sie sahen die blutenden, anklagenden Wunden, vermochten aber nicht
den Verbrecher zu entdecken; denn sonderbarer Weiss ließ sich kein begründeter
Verdacht auf irgend eine Person werfen, war kein sicheres Jndicmm, keine
deutliche Spur des Thäters zu finden. Der Diener, der unter dem Hausflur
schlief, hatte die Hausthür, welche sich nur von innen öffnen ließ, bei seiner
Rückkehr von der Straße offen gefunden, was die Vermuthung entstehen ließ,
daß der Mörder sich entweder am vorhergehenden Abend im Hause verborgen
habe oder durch das Dach eingedrungen sei. Die Magd hatte die Nacht außer-
halb bei ihrer Schwester zugebracht, in deren Hause eine Hochzeitsfeier gewesen
war, was von den dort gewesenen Gästen bezeugt wurde. Dennoch wurden
Beide verhaftet und erst nach längerer Zeit wieder in Freiheit gesetzt.
„Wie schrecklich die Thar mit ihren begleitenden Umständen gewesen fein
muß, läßt sich daraus entnehmen, daß der Diener, ein ehrlicher Mensch, von
der Idee, im Verdachte der Teilhaberschaft gestanden zu haben, so ergriffen
wurde, daß er den Verstand verlor und bei seiner Entlassung aus dem Ge-
fängniß in das Irrenhaus gebracht werden mußte. Die Magd sank durch ihre
Verhaftung und ihre vermuthete Theilnahmc an dem geheimnißvollen Ver-
brechen in der öffentlichen Meinung dergestalt, daß sie keinen Dienst wieder
bekommen konnte, von ihrem Bräutigam verlassen wurde und unter dem Drucke
der Schande und des Elends sittlich zu Grunde ging.
„Der Schleier, der dieses gräßliche Verbrechen umgab, war nicht zu lüften.
Das Volk schrie nach Rache, allein die Gerechtigkeit konnte ihr Schwert aus
keinen Schuldigen fallen lassen; Gott hatte sich die Bestrafung desfelben Vor-
behalten. Es wurde damals nichts entdeckt, es ist bis jetzt nichts entdeckt
worden und es wird wahrscheinlich nie etwas entdeckt werden!"
„Und was wurde aus dem Offizier mit seiner Familie?" fragte der
Fremde, welcher von der Erzählung lebhaft ergriffen war.
„Man wirft uns Spaniern vor," versetzte die Dame lächelnd, „daß wir
Alles leicht nehmen und immer nur der ersten Eingebung folgen. Mag es
wahr sein, daß uns die manchen Nationen eigene Gabe der kalten Berechnung
fehlt, aber wir haben auch ein warmes Herz."
(Fortsetzung folgt.)
 
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