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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 52-64 (2. Mai - 30. Mai)
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Telegramm.
I.. Berlin, 7. Mai. BluntschMs Antrag auf Adresse
an den König mit 186 gegen 149 verworfen. Damit die
Competenziib'erfchreiLung des Zoilparlaments verhütet. Der
Protest der süddeutschen Fraction gab den Ausschlag!
Die Trennung des Kirchen- und Organisten-
Dienstes vom Schuldienst.
i.
Gon der Bergstraße, im April. Die nun gesetzlich voll-
zogene Trennung des Kirchen- und Organistendienstes vom Schul-
dienst legt dem Kirchenvermögen, beziehungsweise den Kirchenge
meinden, neue schwere Steuern aus. Diese Gemeinden besaßen seit
her aus die Leistung des herkömmlichen Kirchen- und Organisten-
dienstes durch den Schullehrer eine Gewohnheit und gesetzliches Recht,
mochten nun hiersür besondere kirchliche Besoldungen vorhanden
gewesen sein oder nicht. Waren solche nicht oder nur in geringem
Betrage ausgeworfen, da lag eben darin der Beweis sür die kir ch-
li che Gründung solcher Schulstellcn: oer Schullehrersgehalt wurde
von der Kirche oder Kirchengemeinde dafür bestimmt, daß der
Lehrer nicht blos in der Schule unterrichte, sondern auch dafür,
daß er die Jugend für das kirchliche Leben heranbilde, sie practisch
einübe in die Obliegenheiten künftiger Kirchengememdeglieder behufs
Theilnahme und Mitwirkung beim öffentlichen Gottesdienste z. B.
Gesang und Gebet, sie hierin überwache und leite, somit nicht nur
die intellectuelle und sittliche Bildung für das bürgerliche Leben
vermitteln, sondern gleichmäßig dis Heranwachsende Jugend auch
für ihren kirchlichen Beruf, ein Zusammenwirken mit dem geist-
lichen Vorstande der Genwinde, tüchtig mache. Außerdem mußte
der Lehrer, als dazu besonders herangebildete und befähigte kirch-
liche Person, beim öffentlichen Gottesdienste, wie bei sonstigen kirch-
lichen Culthandlungen für die Gesammtheit wie für Einzelne der
Kirchenglieder die nöthigcn Dienste besorgen. Die Verrichtung
dieser Dienste, als der für diesen Zweck mitbegründeten
Schulstelle anhaftend, wurde von der Gemeinde als ein ihr
zustehendes Recht gefordert, ohne daß hier eine besondere Besol-
dung beansprucht werden konnte. Der Kirchen- und Organisten-
dienst war, so zu sagen, ein Servitut, das auf der Schulftelle
haftete, zu deren Leistung der jeweilige Inhaber derselben verpflichtet
war. Der badische Staat hat bei Annexirung der kirchlichen Schulen
als Staatsanstalten die vorgefundene Realunion der Schul- und
Kirchendienste gesetzlich anerkannt; dre vom Staate angestellten

Schullehrer bleiben Kirchendiener nach wie vor, einerlei ob sie als
solche eine besondere Besoldung bezogen oder nicht; die in den
Staatsanstalten gebildeten Lehrer wurden zum Kirchendienste in
derselben vorbereitet, die hie und da bestehenden Meßner- und Or-
ganistengehalte als integrirende Theile der Schulbesoldung ange-
rechnet, wodurch der Staatskasse eine nicht geringe Erleichterung
in Besoldung der Lehrer erwuchs.
Durch das Gesetz vom 8. März d. I. ist die seitherig gesetz-
liche Verbindung der Dchul- und Kirchendienste gelöst. Die fernere
Ausübung des Meßner- und Glöcknerdienstes ist den Schullehrern
gänzlich verboten. Zum Organistendienst können dieselben durch
die Oberschulbehörde ungehalten werden, jedoch nur gegen eine an-
gemessene Vergütung kirchlicher Seits, die nötigenfalls durch die
genannte Stelle festgesetzt wrrV. Bekanntlich wurde seiner Zeit
die jährliche Summe von 100 fl. als Minimum der Entschädigung
für die Versetzung des Organistendienstes von den sogenannten
Beiräthen anerkannt; um einen geringeren Preis wird auch die
Versetzung des beschwerlichen Meßner- und Glöcknerdienstes nicht
zu erhalten sein. Was jedoch die Vergütung für den Organisten-
dienst betrifft, so hört man, daß manche Lehrer mit der genannten
Summe von 100 fl. sich nicht zufrieden geben wollen und bereits
2—300 fl. fordern, weil bei ihren Leistungen die Kunst
bezahlt werden müsse. Natürlich, wo keine Concurrenz, ist
bekanntlich die gesuchte Waare theuer.
Es fragt sich nun, wer diese neue Steuer zu bezahlen habe,
Kirchenfond oder Kirchengemeinde, d. h. die einzelnen Kirchspiels-
genossen? Dort, wo seither genügende Gehalte für Organisten- und
Kirchendienste aus irgend welchem Fonde bezahlt wurden und die
seitherigen Functionäre sich damit zufrieden gaben, ist die Frage
erledigt, -— jedoch nur thcilweise, wie wir weiter unten hören
werden. Wie steht es aber dort, wo für beide oder, den einen
und andern dieser Dienste seither eine besondere Vergütung ent-
weder nur in geringem Betrage oder gar nicht gegeben wurde,
eben weil diese Leistung als Servitut auf der Schulstelle haftete,
wofür aber jetzt eine ganz neue beträchtliche Ausgabe erfordert
wird? Wo hinreichende Kirchensonds vorhanden, wird vielleicht
die kirchliche Oberbehörde dieselbe zur Uebernahme dieser Kosten
ermächtigen; was wird aber dort geschehen, wo das Kirchenver-
mögen zur Bestreitung solcher bedeutenden Ausgaben nicht hinreicht,
was bei der Mehrzahl unserer Kirchenfonds der Fall sein dürfte?
Es wird wohl eine Kopfsteuer erhoben werden müssen, und somit
zu den übrigen Steuern noch eine ständige ^Kirchensteuer sich
gesellen.

Reisen und Abenteuer einer Schachtel Bonbons.
(Fortsetzung.)
Clarissa kam hochverguügt nach Hause: chr kleineVeilchen-Bouquet hatte
ihr ein schönes Geschenk eingetragen. Sie eilte damit zu ihrer Mutter.
„Kind," sagte diese ernst, „Du weißt, was Dir der Arzt diesen Morgen
empfohlen hat: saftiges Fleisch, Bouillon und wenig Gemüse, und vor Allem
weder Kuchen noch Zuckerwerk. Sei artig und folgsam und mache den albernen
Kasten gar nicht auf. Alles was von Straudin kommt, ist doppelt gefährlich,
denn seine Bonbon's sind schwer wie Blei. Ich kaufe Dir auch den blauen
Sammtgürtel, um den Du mich gestern gebeten hust."
„Wie Du willst, Mama," entgegnete die Tochter, „aber dann mußt Du
mir erlauben, mit dem Kästchen anzufängen, was mir beliebt."
„Recht gern, und was?"
„Die gute Elise hat die halbe Nacht an meinen: Ballkleide gearbeitet und
war diesen Morgen so müde, daß sie fast einschlief, als sie mich frisirte. Sie
wird sich sreuen, wenn ich ihr die Bonbons gebe."
„Thu das, mein Kind," sagte die Mutter, und Clarissa schenkte das
Kästchen ihrem Kammermädchen.
Elise ist eine treue, ehrliche Person, nicht eben häßlich, und dabei eine
ächte Pariserin. Als solche liebte sie über alles in der Welt die stolze, glor-
reiche französische Armee und zwar in einem ihrer nobelsten Repräsentanten.
Ihr Vetter Karl diente als Korporal im zweiten Jägerregiment, drittes Ba-
taillon, vierte Compagnie, und seitdem er avancirt war, hatten sie sich mit
Einwilligung ihrer Eltern verlobt und zwar schon seit ziemlich langer Zeit.
Unterdessen hatten die beiden einander recht lieb und bauten Luftschlösser für
die Zukunft. Diesem Corporal gab Elise das Kästchen. Der Corporal dankte
seinem Schatz sür das schöne Geschenk, das er freilich nicht nach seinem ganzen
Werthe zu würdigen wußte, obwohl ihn: Elise gesagt harte, daß Bonbons in
der Schachtel seien und noch dazu so feine, wie sein General sie nicht besser-
essen könne.
Aber auf dem Wege nach der Kaserne raisonnirte unser Soldat anders : j

Was thue ich mit den Bonbons, sagte er zu sich selber, — Leckereien für Kin-
der ! Mir wäre eine Pfeif? und ein Tabak lieber gewesen. Ich bringe den
Kasten der Frau meines Wachtmeisters. Man muß sich gut mit seinen Vor-
gesetzten stellen, man kann nicht wissen . . .
Gesagt, gethan. Die Frau Wachtmeister empfing den jungen Mann, der
ihr ein so hübsches Neujahrsgeschenk brachte, auf das Höflichste, nöthiate ihn
zum Sitzen und bot ihm ein Glas Liqueur an, das Karl auch bereitwillig an-
nahm und leerte. Sie sprach noch an demselben Abend mit ihrem Gemahl zu
Gunsten des Jägers; aber der Alte war nicht bei Laune, was ihm oft passirte,
wenn er in der Schenke zu viel getrunken und im Rams zu viel verloren
hatte. Ein anderes Mal, dachte die Frau, denn sie war sehr gutherzig. Das
Kästchen Bonbons, schon nach der prächtigen Hülle zu urtheilen, schien ihr aber
zu vornehm, um es zu behalten und etwa den Kindern zum Naschen zu geben.
Als sie daher am nächsten Morgen in die Lorenzkirche ging, nahm sie die
Schachtel mit, um sie ihrem alten Pfarrer zu schenken; in ihrer Einfalt be-
dachte sie nicht weiter, daß ein solches Geschenk für einen Priester nicht eben
passend sei.
Der gute Pfarrer nahm das Kästchen freundlich an, schon um die Geberin
nicht zu beschämen. „Feine Bonbons sind darin?" fragte er lächelnd. „Schönen
Dank, wenn auch nicht für mich, so doch für meine Schüler in der Kinderlehre;
die werden sich freuen!" Er begab sich in die Sacristei, als ihm eine vor-
nehme Dame entgegen trat: die Herzogin von T., sein Beichtkind. Das kun-
dige Auge ihrer Durchlaucht siel sofort auf das Straudin'sche Packet, das der
Pfarrer arglos in der Hand hielt.
„Hochwürden!" sagt sie scherzend, „man sollte glauben, sie machten welt-
liche Neujahrsgeschenke, wie wir in unseren profanen Kreisen."
„Man Hail mir das Kästchen für unsere Armen gegeben, gnädigste Frau,"
erwiderte der Pfarrer fast verlegen.
„O, dann ist es käuflich," sagte die Herzogin rasch und holte eine Bank-
note aus ihrem emaillirten Portemonnaie, froh, daß sie die Gabe, die sie schon
lan ? ihrem Buchtvater zugedacht, ihm in so delicater Weise zuwenden konnte.
(Fortsetzung folgt.)
 
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