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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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MM.

Donnerstag den 10. September



* „Der Berliner Hochverrathsprozeß gegen den
königl. hannöverischen Staatsminister Grafen Adolf
v. Platen zu Hallermund."
Unter obigem Diel ist in München (Druck von I. G. Weiß,
Umversilätsbuchdrucker) eine Schrift erschienen, welche mit Recht
in den weitesten Kreisen das größte Aufsehen der politischen Welt
erregt. Insbesondere sind auch für das juristische Publicum die
beigcsüglen Gutachten von Prof. Zachariä in Göttingen und Pros.
Neumann in Wien, welche das preußische Verfahren unbedingt ver-
urteilen, von hohem Interesse.
Unsere Leser haben schon mehr als eine Probe erhalten, wie
man in Preußen gegen alle Diejenigen mit Maßregelungen der un-
erhörtesten Art zu Felde zieht, welche irgend eine oppositionelle
Stellung einnehmen oder sich gar beigehen lassen, ihre Sympathieen
dem Fürsten zu wahren, dem sie in bessern Tagen den Eid der
Treue geschworen und der nunmehr durch ein böses Geschick Land
und Schloß seiner Väter Zu verlassen und als Flüchtling das Brod
der Fremde Zu essen genölhigt worden ist.
Graf Platen-Hallrrmund, erster Minister des Königs von
Hannover, hat auch im Unglück seinen Herrn nicht verlaßen, er
hat sich den Tharsachen nicht anbequemt, wie es die Windfahnen
thaten, — und ist dcßhalb verurtheilt worden. Hören wir!
Der preußische Staatsgerichtshof zu Berlin hat am 8. Juli
!868 den königl. hannöver'schm Staatsminister Grafen Platen
HaUermund in eontuinatiuin Zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren
und Zu 10 Jahre polizeilicher Aussicht verurtheilt.
„Dies Unheil", sagt der Verfasser der vor uns liegenden
Schrift, „hat — man darf nach den vorliegenden Zeugnissen der
Presse aller Länder, mit Gewißheit es aussprechen — in ganz Europa
eine allgemeine U bcrraschung über diese Art der GercchtuMtspflege
hervorgerufen. Diese Ueberraschung, dies Befremden über den in
feiner Art einzig dastehenden Fall gab sich auch da kund, wo man
über die einzelnen Momente diestr merkwürdigen Angelegenheit
nicht genauer unterrichtet war, und erweckte eben dadurch den
Wunsch dieselben kennen zu lernen". Folgen wir zu diesem Zwecke
der Darstellung des Verfassers.
Die hannövcr'sche Regierung befolgte vor dem Ausbruch des
Krieges von 1866 streng die einzig loyale Politik des Festhaltens
am Bundesrecht, sollte letzteres aber thaisächlich außer Wirksamkeit
treten, so werde sie einen neutralen Standpunkt einnehmen. Die
preußische Negierung schien mit dieser Haltung zrfrieden, denn sie
gab verschiedene friedliche Zusicherungen, die die hannöversch: Ne-
gierung veranlaßten, keine Rüstungen ihrerseits Zu betreiben. Dies
war ein entschiedener Fehler, da man die preußische Politik besser
hätte kennen müssen, als daß man sich durch derartige Zusicherungen
hätte beirren lassen distfen. So kam es denn auch, daß ganz im
Widerspruch mit jenen preußischen Zusicherungen eines schönen Mor
gens, als man in Berlin den richtigen Zeitpunkt gekommen sah,
die Kriegserklärung an Hannover erfolgte. Nach der Capitulation
von Langensalza begab sich der König von Hannover nach Wien,
von wo aus er am 28. Juli .1868 einen Brief an den König von
Preußen, der sich in Nckolsburg befand, mit Friedensamrbietungn
richtete. Der König von Preußen ließ den Ueberbringer des Brie-
ses, einen Adjutanten des Königs von Hannover, gar nicht vor
sich, indem er nicht in der Lage sei das Schreiben anzunehmen.
Zwischen dem König von Preußen und dem von Hannover ist also
kein Friede gesch! offen worden, vielmehr dauert, da letzterer
den Zustand der Drnge seit dem Frieden von 1866 nicht aner-
kennt, der Krieg Zwischen Bnden immer noch fort. Der Kaiser von
Oesterreich hat mit Preußen den Frieden von Prag geschlossen, —
oer König von Hannover hat daran keinen Theil, er ist einfach
aus stimm Lande vertrieben worden und es steht ihm jeden Augen-
blick zu, wenn er die Macht dazu besitzt, die Gewalt der Gewalt
eutgegeuzustellen, überhaupt alle Mittel anzuwenden, um das wie-
der zu erhallen, dessen mau ihn beraubt hat. Es ist das weiter
nichts als eine einfache Machtfrage, ein Recht des Stär?ern,
das hie^ in Frage kommt. Ter König von Hannover hat gegen
die Annexion seines Landes protestirt und der König von Preu-
ßen hat selbst ausgesprochen, wie wir sehen werden, daß der Kriegs-
Zustand zwischen ihnen Bemen noch sortdauere

Während nun der König von Hannover mit dem Kronprinzen
in Oesterreich verweil!e, verblieb die Königin Marie von Hannover
in dem Schlosse Marienburg, ihrem Privcueigenthum, in Hannover
zurück. Dies sah man in Berlin höchst ungern, — die Sieger von
Sadowa hasten Angst vor einer Frau. Es ist bekannt, welch' gro-
ßer Beliebtheit die Königin in Hannover sich zu erfreuen hat, —
ihr stilles Dulden, ihr hochherziger Muth, ihre große Wohlthätigkeit
hat ihr die Herzen ihres Volkes noch mehr zugewandt, als das Un-
glück hereinbrach, als dies sein konnte in den Tagen des Glückes.
Diese königliche Frau sollte also entfernt werden, — um die Mittel ist
man in Berlin ja nie verlegen. Ihr Aufenthalt wurde ihr dem-
gemäß durch Quälereien verbittert: man verhaftete unter ihren Fm-
stern den Ueberbringer eitles Briefes ihres königl. Gemahls, der an
sie gerichtete Brief selbst wurde erbrochen. Im norddeutschen Reichs-
tag wurde Bismarck darüber von hannöverschen Abgeordneten
zur Rede gestellt, er antwortete aber mit bekannter Barsch-
heit: „Wenn Ihre Majestät das nicht ansehen will, sdie Verhaftung
von Voten an sich so muß sie nicht in der Marienburg wohnen"
d. h. also, wenn man in ähnlichem Falle keiner Gewalt in feinem
eigenen Privatbesitz ausgesetzt sein will, muß man Preußen den
Rücken kehren.
Da indessen die Königin nicht ging, sondern ähnliche Quälereien
der kleinlichsten Art mit Ergebung duldete, wurde man ungeduldig in
Berlin und begann mit Drohungen. Hören wir den Verfasser,
wie diese Drohungen alsbalo in Scene gesetzt wurden:
Der Anlaß fand sich durch die Gefangennahme eines Briest
boten von Hietzing am 15. Mai 1867 Zu Frankfurt am Main.
Diese Gefangennahme ist der Ausgangspunkt sowohl der Droh-
ungen von unmittelbaren Gewaltmaßregeln gegen die Königin
Marie von Hannover, als der Hochverrathsprozesse, im besonderen
auch desjenigen gegen den königlich hannöverschen Minister, Grafen
Platen Hallermund.
Constaiiren wir also, was diestr Bricfbote, Namens Trimming,
bei sich führte.
Mau fand bei ihm einen Brief des Königs von Hannover an
die Königin Marie. Ferner drei Briefe des hannöverschen Staats-
m nisters Grasen Platen Hallermund. Der eine derselbe betraf die
Auszahlung fälliger Zins-Coupcns der Actien vom Georg-Marien-
Bergwerks- und Hütren-Verein durch den Bavquier A. Meyer in
Hannover. Nachdem dieser Brief in Folge dessen damals gedruckt war,
hat auch die Norddeutsche Allgemeine Zeitung anerkannt, daß er
Staatsgefährliches nicht enthalte. Der Zweite Brief an den Oberstall-
meister Grafen Platen Hallermund betraf die Sendung königlicher
Pferde. Der dritte Brief an den Juwelier Büsch in Hannover be-
traf Gegenstände des Geschäftes dieses Herrn.
Ferner hatte der Briefbote ber sich einen Brief des Schloß-
Hauptmanns Grafen Alfred Wedel an die Gräfin, die in Hannover
verweilte. Derselbe betraf Geldangelegenheiten der Familie Wedel.
Ferner hatte der Briefbote bei sich drei Briefe eines Adjutanten
des Kronprinzen, des Rittmeisters Volger. Der eine derselben be-
traf eine Unterstützung an einen kranken Officier, der andere ein
Urlaubsgesuch, der dritte die nachträgliche Bitte um den Abschied
von vier Officieren.
Sümmüiche andere Briefe, die der Briefbote bei sich führte,
waren von der niederen königlichen Hofdienerschaft an Mitglieder
ihrer Familien ihm mitgeg.ben, und betrafen die Angelegenheiten
derselben.
Keiner Reser Briefe enthielt auch nur die Erwähnung oes
Namens der Königin von Hannover. Der Leser wird sehr bald
erkennen, weßhalb dies mit besonderem Nachdrucke hier bemerkt wer-
den muß.
Druckschriften irgend welcher Art waren dem Boten nicht mit-
gegeben worden.
Es ist möglich, daß die preußische Regierung nicht von Anfang
an die Geringfügigkeit der Bedeutung dieses ihres Fundes erkannt
habe. Aber jedenfalls kam derselbe ihr sehr gelegen. Es ist noch
in allgemeiner Erinnerung, mit welcher Hast damals der Telegraph
durch alle Länder die Nachricht der Entdeckung einer ungeheuren
Verschwörung verkündete, wie Tag auf Tag die Blätter der preu-
ßischen Regierung in langen Leitartikeln die Furchtbarkeit dieser
Verschwörung besprachen, wie fast alle diejenigen Hannoveraner,
deren Namen in diesen Briefen genannt waren, Tag für Tag em-
 
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