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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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Süddeutschland.
* Heidelberg, 24. Ian. Die Landesbase ist wieoer ein
ma sehr beunruhigt über einen angeblich „neuen Bund", den
die Ultramontanen mit den Demokraten abgeschlossen haben sollen.
Den Anlaß zu dieser Annahme nimmt sie davon her, daß „ultra-
montane Blätter oie Leitartikel der demokratischen Correspondenz
drucken." Die Base nennt nicht gern den Boten; sie haßt ihn
dermaßen, daß, wenn es äußerst angeht, sie sich Umschreibungen
bedient, so ost sie mit demselben zu lhun bekommt. So auch im
vorliegenden Falle: die „ultramontanen Blätter" sind hier
blos der Psälzer Bote; denn nur dieser hat einen Artikel aus
der demokratischen Correspondenz abgedruckt: „Gevatter Tod" be-
titelt. Wir können übrigens die Base beruhigen: mit den Demo-
kraten, die sie im Auge hat, haben wir nichts zu schaffen, jenen
Subjecten, die an dem Mannheimer liberalen Schandtage mit
den Servilen verbündet das freie Vereinsrechi unter die Füße ge-
riet en und eine „Parthie Schwarzwild zum Aushauen" annoncirt
haben. Pfui Teufel über solche Subjekte! Wohl aber gibt es
andere Glieder der Demokratie, die wir hoch schätzen und ver-
ehren und mit denen wir vielfach verwandte Anhaltspunkte haben.
So z. B. gibi es in der württembergischen Demokratie höchst
achlungswerihe Namen, und Katholiken gmen Klangs wie Probst
und Wiest haben einen großen Einfluß unter ihnen, ja gehören
ihnen vollkommen an.
dj Gerchsheim im Jan. Auf den Erlaß des yochw. erz-
bischöflffchen Ordinariats gegen das Pflüger'sche Lesebuch beeilten
sich sämmtliche hiesige Schüler auf Anordnung ihrer Eltern jenes
Buch in die Schule zurückzuliefern. Hauptlehrer Sch. wollte je-
doch durchaus das Buch nicht wieder annehmen, worauf oie Kin-
der dasselbe auf dem Tische zurückließen, ohne es bis heute je-
mals berührt zu haben. Dies brachte den Lehrer gewaltig in
Harnisch, zumal da am folgenden Sonntag der Pfarrer in feiner
Predigt sagte: „So lange man Euch sagt, Eure Schulen seien
katholisch, so lange könnt Ihr auch fordern, daß man Euren
Kindern katholische Bücher in die Hand gibt." Sofort fabri-
cirte nun der Lehrer mit Rathschreiber S., der zugleich Ortsschul-
rath ist, folgenden Bericht an Kreisschulrath Scherer in Tauber-
bischofsheim :
Großherzogliche Kreisschulvisttatur.
Bericht des Ortsschulraths in Gerchsheim,
die Einführung des neuen Lesebuchs betr.
„Das neue Schullesebüchlein seit Mitte September in der hiesigen Volks-
schule bereits eingeführt, erfreute sich bisher der allgemeinen Sympathie: Alles,
Alt und Jung, hatte an dem schönen Büchlein seine Freude, bis am 3. d. M.
und amSonntag darauf unser Pfarrvermalter, ein Römling und ultramontaner
Heißsporn, wie es nicht bald ein zweiter gibt (man meint die Landesbafe hätte
als Vorlage gedient), von der Kanzel herab in aufreizender Sprache dieses
liebe unschuldige Büchlein (wie herzig! !) als „confefsionslos" von einem pro-
testantischen Oberschulrathsmitglied verfaßt, in gewohnter Weise durch alle
Dimensionen verdächtigte, als wenn die Einführung desselben den Untergang
der Welt zu Folge hätte. Schließlich fordert er die versammelte Gemeinde
mit einer Donnerstimme eindringlich auf, sie sollten sich mit aller Kraft gegen
die Einführung dieses „unkatholischen" Lesebuchs wehren, ja sie sollten es ohne
Weiteres wieder zurückgeben.
Dies geschah auch.
Die folgenden Tage darauf gaben sämmtliche Schüler (60 2. u. 3. El.)
mit dem Bemerken das Büchlein sei „lutherisch" zurück. Ein Versuch, Kinder
und Eltern durch eine wohlmeinende ruhige Belehrung der Sache von ihrem
Jrrthum zu befreien, war vergebens. Der Lehrer ist bei solchen Vorkomm-
nissen am übelsten dran; rhn traf ein Donnerkeil mit den Worten: „Ein katho-
lischer Lehrer führt so ein freimaurerisches Lesebuch nicht ein."
Wohldieselben setzen wir nun pflichtgemäß in Kenntniß zur Notitznahme
und etwaiger wohlgefälliger Rathsertheilung.
Gerchsheim, den 15. November 1867.
Der Ortsschulrath:
x.u. Hier hatten sie ein Plätzchen leer gelassen, wahrscheinlich
um Hrn. Scherer zu täuschen, als wäre der Bürger-
meister etwa abwesend gewesen.)
., Hauptlehrer.
Sch - . . ., Ratbschreiber.
Auf vorstehenden Bericht hin glaubten nun die beiden lieben
Leuie wahrscheinlich, Kreisschulrath Sch. werde sofort die Hände
und Zunge des Staatsanwalts in Bewegung zn fetzen, um den
geistlichen Heißsporn des Amtsmißbrauchs anzuklagen und ihn an
die Strophe: „Bis Rastatt hin dort Halts" zu erinnern. Allein
die Sache siel anders aus. Dem Herrn Kreisschulrath muß es
wohl ausgefallen sein, daß sich ein Lehrer und Rathschreiber in
emem Bericht als Ortsschulrath ausgaben. Denn alsbald traf

nachstehende Antwort ein an den kath. Ortsschulrath dahier, wo-
zu zu bemerken ist, daß dieselbe durch den Postboten dem Rath-
schreiber Sch. eingehändigt und erst am Abend durch den Lehrer
im Wirthshaus dem Bürgermeister erbrochen überreicht wurde.
Bürgermeister S. eilte sofort in's Pfarrhaus, nm sofort Mitthei-
lung zu machen. Die Antwort lautet:
Großherzogliche Kreisschulvisitalur.
Kkosbach-Tauberüischossheim.
Tauberblschofshnm, 30. November 1867.
Dis Einführung des 2. Theils des neuen Lese-
buchs für Volksschulen,
hier,
den Amtsmißbrauch des Hrn. Pfarroerwesers
K ...... in Gerchsheim betr.
Nr. 3818. Der kath. Ortsschulrath in Gerchsheim wird hiermit aufge-
fordert, umgehend Abschriften von Nr. 3 und 4 seiner Sitzungspotokolle zu
fertigen, deren Aechtheit von sämmtlichen Mitgliedern zu beglaubigen und an-
her vorzulegen.
Die in dem anliegenden -Berichte des Ortsschulraths vom 15. d. M. ge-
machte Anzeige ist von den übrigen Ortsschulrathsmitgliedern, insbesondere von
dem Herrn Vorsitzenden desselben durch Unterschrift Zu beglaubigen oder in
einem befonderen Berichte auszuführen, warum die Unterfchrift verweigert
wird. Scherer.
Darauf finden sich nun Bürgermeister S. und die übrigen
2 Mitglieder des hiesigen sog. kath. Ortsschulraths bewogen, Fol-
gendes zu erwidern:
Großherzogliche Kreisschulvisitatnr!
(Wir geben den Wortlaut absichtlich in feiner unveränderten
Form, damit man sieht, daß die Eingabe nicht geimpft ist.)
Bericht des Ortsschulraths von Gerchsheim
auf die vom 15. November d. I. gemachte
Anzeige von Hauptlehrer Sch. und Ratb-
fchreiber Schr. betr.
„Auf anliegenden Bericht erlaubt man sich zu erwidern:
Durchaus Unwahrheit ist: wie die ganze Gemeinde bezeugen tcmn, daß
fragliches Lesebuch von der allgemeinen Sympathie, Alt und Jung freudig aus-
genommen wurde, es ist gerade das Gegentheil. Von einer aufreizenden Sprache
wie es im Bericht steht, können wir so viel sagen, daß Pfarrverwalter alles
mit lauter Stimme fpricht. Pfarrverwalter sagte aus der Kanzel, er habe sich
eines von diesen Büchlein bringen lassen und habe es von vorn bis hinten selbst
durchgegangen, habe zwar nichts darin gefunden, was geradezu gegen unsere
Religion wäre; am andern Sonntag sagte Pfarrverwalter, das Buch sei nicht
wegen dem zu tadeln, was drinn steht, sondern wegen dem, was nicht drinn
steht, es sei auch nicht vom Oberschulrath befohlen, sondern nur empfoh-
len, und sagte auch, in kath. Schulen gehören kathol. Bücher. Dann sagte
er, was soll ich jetzt rathen, indem das Buch schon bereits hier angeschafft ist,
ihr werdet selbst wissen, was ihr zu thun habt. Dies alles können wir be-
zeugen mit der ganzen Gemeinde. Uebrigens glauben wir nicht, daß Pfarr-
verwalter sein Amt dadurch mißbraucht habe, nachdem er nach einem Ordina-
riatserlaß handelte, der die Geistlichen aufforderte, die Leute über das neue
Lesebuch zu belehren. Wahr ist zwar, daß die Eltern das neue Lesebuch durch
ihre Kinder zurückschickten, aber daraus geht ja schon hervor, daß das Lesebuch
nicht mit Freuden ausgenommen wurde, von dem Belehren der Kinder und El-
tern wissen wir nichts. Unterschreiben konnten wir den Bericht nicht, erstens
weil wir nichts davon wußten, zweitens hätten wir ihn auch nicht unterschrie-
ben, weil es unwahr ist. —- Zugleich protestiren wir Unterzeichnete gegen ein
solches ungesetzliches Vorgehen, daß 2 Ortsschulräthe ohne den Vorsitzenden
sich als Ortsschulrath in einem Berichte unterzeichnen, und wie es dies-
mal der Fall war, daß verehrl. Zuschrift, ohne Vorwissen des Vorsitzenden er-
brochen und im Wirthshaus, also an einem nicht passenden Ort, dem Vor-
sitzenden erbrochen überreicht wurde vom Lehrer. Ueberhaupt treibt es der
Lehrer wie er will, er hat auch dem Vorsitzenden des Ortsschulraths noch nie
eine Anzeige erstattet, wenn er keine Schule halten wollte, überhaupt sieht und
hört man die Unzufriedenheit über den Lehrer im Allgemeinen und die Gemeinde
hat für den Lehrer Sch. so wenig Sympathie, als für das fragliche Lesebuch,
wäre ein anderer Lehrer hier gewesen, so wäre es vielleicht nicht vorgekommen."
Gerchsheim, den 6. Dezeber 1867.
Der Ortsschulrath:
Sch., Bürgermeister. Ad. F. Lor. H.
(Der weitere Verlauf im nächsten Blatte.)
Rauenberg. Bei dem Brande am Sonntag vor Weih-
nachten in Wiesloch hatten sich auch die Rauenberger recht eifrig
gezeigt mit Löschen, Wassertragen und Hülfe aller Art. Einer der-
selben hatte dabei das Unglück, daß eine dünne Wand unter seinen
Füßen zusammenstürzte und er im Fallen zwei Rippen brach. In
Folge dessen mußte der Mann einige Zeit darnieder liegen und
konnte auch nach seiner Wiederherstellung längere Zeit keine Arbeit
mehr thun. Da er sehr arm ist, so war das Unglück für ihn und
seine Familie gar groß. Der verehrte Herr Bezirksarzt Molitor,
welcher ihn bei seiner Krankheit behandelte, sorgte nun in höchst
anerkennenswerthem Eifer dafür, daß von Seilen der Feuerver-
sicherungsgesellschaften dem armen Manne eine Unterstützung zn
Theil wurde. Die Bemühungen des Herrn Bezirksarztes, welchem
 
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