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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 52-64 (2. Mai - 30. Mai)
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.N 64._ Samstag den 30. Mai 1868.


LLK- Wegen des hohen Pfingstfestes wird unser
Blatt am nächsten Dienstag nicht erscheinen.
Süd deutsch Land.
* Heidelberg, 27. Mai. Die gestrige Demokratische Corre-
spondenz bringt zwei vortreffliche geistvolle Aufsätze: „Die badische
Frage" und „ein großpreußischer Dreiklang". Bei den bekannten
Zuständen unserer Presse können wir ersteren Artikel nicht, wie wir
wünschten, unfern Lesern mittheilen, und von letzterem nur das,
was über Bismarck und Marquardt Barth gesagt ist, die Stimme
des Königs Wilhelm, die zum Dreiklang noch gehört, müssen wir
aus ähnlichen Gründen ungehört lassen. Es heißt dort:
Bruderherz Bismarck.
Ein Festsaal im Tempel der materiellen Interessen! Ein
Bankett bei der baute 6uauee! ein Frühstück bei — Juden! Fest-
redner Hr. v. Magnus, dessen Ahnen nicht der Thusnelds im
Teutoburger Walde die Schleppe trugen. Aber die Politik ist auch
ein Geschäft, und was thut man nicht für seinen deutschen Beruf!
So hat sich denn auch Graf Bismarck herabgelassen und redlich
beigesteuert zu dem nationalen Picknick. Es war das reinste Eon-
fect, der süßeste Marzipan, was er gespendet. Nicht mehr „Blut
und Eisen" — nein, „pflegen wir dies Familienleben!" Nicht mehr
Bruderkrieg — nein, „süddeutsche Brüder" und „Bruderherzen
und Bruderhände werden Sie hier finden für jegliche Lage des
Lebens!"
Für Kriegsgelder offene Bruderhände! für die Leiber Eurer
Söhne schlagbereite Arme, für nationalen Drang und freiheitliches
Streben Bruderherzen, nur etwas rauh! Er hat's bewiesen der
Graf Bruderherz. Deutschland fühlt sie, die Bruderhand, von
Schleswig bis Böhmen. Deutschland kennt es, das Bruderherz
von Biarritz bis Luxemburg.
Aber der Mißbrauch, den dieser edle Deutsche mit der demschen
Sprache treibt, geht uns weniger an als seine politischen Pläne,
und wenn wir auch verzichten, in unserm Sprachschatz das Schrrst-
wort zu haben, das sich auf solche Reden gebührt — seine Politik
zu erörtern können wir leider nicht verzichten.
In jeglicher Lage des Lebens können Sie auf uns rechnen,
d. h. auf Deutsch: wir bitten dringend, auf Sie rechnen zu dürfen.
Das stimmt zu der Rede des Königs, und zusammen mit den Wor
ten, die kurz vorher der bayerische Ministerpräsident in einer an
ihm ganz ungewohnten Aufwallung ziemlich spitz gegen Frankreich
richtete, gibt es einen recht netten Beweis, daß Graf Bruderherz
in der That so weit ist, auf Süddeutschland einiges Gewicht zu

legen. Vermuthlich zur Abwehr gegen die Consequenzen seiner
eigenen Politik. Denn so gottvergessen wird hoffentlich Niemand
sein, ihm diese Consequenzen ersparen zu wollen, ihm, dem Träger
einer Politik, die Deutschland vergewaltigt, verzettelt, zertheilt hat.
Für deutsche Männer muß vielmehr die Moral aus all den Ber-
liner Freundlichkeiten genau die entgegengesetzte sein; für deutsche
Männer ist des Grafen Bruderherz Verlegenheit allzeit Gelegenheit;
uns gehen seine und der Seinigen Gefahren nur so weit an, als
sie eine Mahnung sind, Deutschland gegen ihn und von ihm zu
befreien.
Für deutsche Männer! Also nicht für den, der kein Deutscher
mehr ist, nicht für
Herrn Marquardt Barth.
Schon oft haben wir auf die Demoralisation hingewiesen,
welche das Verbrechen von 1866 über uns gebracht hat. Wir
haben geglaubt, das Schlimmste davon liege hinter uns; unsere
Phantasie erlahmte, wenn sie sich eine neue Steigerung des Rene-
gatenthums zu denken versuchte, aber die Leistungen dieser National-
Liberalen überbieten durch die That, was wir uns vorzustellen
nicht vermögen. Anknüpsend an den Krieg, den Bruderkrieg von
1866, gedenkend der schweren Opfer, welcher dieser Krieg dem
Vaterlande und der Heimalh auferlegt, hat Hr. Marquardt Barth
dem Manne ein Hoch gebracht, der diesen Krieg geplant, angezettelt,
gemacht hat. Selbst den Berliner Großpreußen ist das zu viel
gewesen, was dieser Süddeutsche gethan. Wir hoffen bei der Ehre
unserer Nation: man wird Hrm Marquardt Barth das nicht ver-
gessen. Wir sind ein Gedulds.Volk, aber hier dieser, das vertrauen
wir, hat die Grenze überschritten selbst der deutschen Geduld. Es
stehe gezeichnet vor allem Volk, der Name Marquardt Barth!
Heidelberg, 28. Mai. Zur Beleuchtung der Rede, womit
das Zollparlament geschlossen wurde, liefert der Stuttgarter
„Beobachter" einen interessanten Beitrag. Es stellt ihr und nament-
lich wohl dem Satze derselben: „Nicht die Macht, welche Gott in
meme Hand gelegt hat, sondern die Rechte, über welche ich mit
meinen Bundesgenossen und den verfassungsmäßigen Vertretern
ihrer Unterthanen in freien Verträgen übereingekommen bin, wer-
ben mir jetzt und in Zukunft zur Richtschnur dienen", den Wort-
laut derjenigen Rede zur Seite, welche König Wilhelm am 18.
Juni 1860 nach der Zusammenkunft mit Louis Napoleon an die
versammelten Fürsten Deutschlands hielt. Es hieß in dieser vor
dem Kriege von 1866 gehaltenen Rede: „Ob Deutschland in
näherer oder fernerer Zeit Gefahren drohen, ich spreche heute als
am Jahrestage eines denkwürdigen Sieges in diesem erlauchten

Die holländischen Zuaben im päpstlichen Heere.
(Fortsetzung.)
Peter Willemse aus Tilburg, der auch zu Bagnorea kämpfte, glaubte
Angesichts der Sache, wofür er so muthig stritt, mitten in dem Schrecken und
dem grauenhaften Getümmel eines Bajonettangriffes, ringsum vom Tod be-
droht, den Himmel über sich offen zu sehen. Was Wunder's, wenn er schreibt :
„Lebt wohl, liebste Eltern! Brüder und Schwestern, tausendmal lebt wohl!
ich reiße mich los von Allen die mir theuer sind. Morgen hoffe ich wiederum
das füße Commando zu hören: Voran Kinder! muthig voran! Für Pius IX.!
und dann : Feuer ! — Ich werde Euch nach jedem Kampfe schreiben; falle ich,
wird ein Anderer Euch Nachricht geben."
Man hat in jüngster Zeit kaum etwas gelesen, das mehr ächt katholischen
und ächt ritterlichen Sinn athmete, als die Berichte, welche derselbe wackere
Peter Willemse in seine Heimath gesendet hat. „Was für Kämpfe harren unser" !
ruft er aus. „Wir Glückliche, die wir nicht mit Pilatus zu fragen brauchen:
Wo ist die Wahrheit! Wir sehen unfern Erlöser in seinem Statthalter auf
Erden, in Pius IX. Nun denn ! all unser Blut wollen wir gerne daran geben,
wenn es zum Frieden der Kirche nöthig ist. Das Wort eines unserer Kamera-
den gilt für uns Alle. Ich muß sterben, sagte er, aber ich bin gewiß, daß ich
in den Himmel komme. Wir wähnen jedoch nicht, der liebe Gott bedürfe unser,
um seiner Kirche den Frieden geben zu können; allein in welcher anderen
Schule bildet er seine Erkorenen, als in der des Opfers? — Helfet uns, denn
das Uebel ist groß und fordert die wirksamsten Heilmittel. Die Einheit unserer
Kirche ist eine so innige, daß man jetzt den Katholiken leicht erkennen kann.
Da das Haupt leidet, müssen alle wahre Katholiken mit ihm leiden; denn das
ist eben der Liebe ächter Prüfstein."
Zwölf hundert und noch mehr dieser streitbaren Jünglinge standen in den
Tagen der Triumph-Feier der hl. Märtyrer von Gorkum zu Schutz und Schirm
um Petrus Fels gereiht. Alle hatten es geschworen, für den Frieden und die
Einheit der Kirche in den Tod zu gehen; und Mentana kann es bezeugen, wie
treu sie ihren Schwur gehalten. Von 24 Zuaven, die auf dem Schlachtfelde
lagen, waren II Holländer, und unter den 57 Verwundeten dieser berühmten
Truppen zählten die Niederlande 24 ihrer Söhne. Wer verschont blieb, glaubte

sich ob dieses glücklichen Looses gleichsam entschuldigen zu müssen. „Ich war
in allen Gefechten", schreibt Einer von ihnen, „das von Bagnorea allein aus-
genommen ; wir hatten indeß bei Valentano, Ischia, Farnese, wo wir unfern
braven Dufournel verloren, noch genug zu thun. Ach ! ich konnte nicht überall
zugegen sein, doch am Ganzen habe ich meinen guten Antheil gehabt. Ich stand
siebenmal im Feuer. Heute beziehe ich die Wache von St. Peter; alles für
St. Peter!"
Wo Großes und Erhabenes die menschliche Brust bewegt, da erwacht wie
von selbst das Lied. Und könnte es auch stumm bleiben, wenn im Herzen jede
Fiber schwingt? So prägt sich auch der tiefgläubige opferbereite Dinn, der
gegenwärtig die holländische Jugend entflammt, besonders in den zahlreichen
sogenannten Zuavenliedern aus, welche jetzt in Holland allerorts auftauchen.
Die beiden folgenden, ein Lager- und ein Schlachtlied, können in ihrer zwar
schmucklosen, aber markigen Weise als Muster aller gelten.
(Fortsetzung folgt).

Aus dem obern Siegkreise, 25. Mai. Heute Mittag gegen 3 Uhr
entlud sich über einen Theil der Bürgermeistereien Much, Ruppichteroth und
wahrscheinlich auch Neunkirchen, ein furchtbares Gewitter mit Sturm, Hagel-
schlag und Wolkenbruch. Binnen wenigen Minuten hatte der Hagel, welcher
mitunter in der Dicke von Hühnereiern, durchschnittlich in Taubeneierstärke siel
und mit immenser Kraft herniedersauste, die sämmtlichen Garten-, Feld - und
Baumfrüchte der betroffenen Ortschaften zerstört, und der Wolkenbruch das
Land überschwemmt und verwüstet. Schwere Eichen und andere Bäume sind
entwurzelt, zerbrochen oder geschält, Tausende von Fensterscheiben zertrümmert,
Häuser zerbrochen, Dächer abgetragen; doch, was das Schlimmste ist, die schönen
Ernte-Hoffnungen eines ganzen Jahres sind total zerstört. Wenn un'erer
armen Gegend nicht von außenher beigesprungen wird, so ist sie auf lange
Zeit hinaus ruinirt.
 
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