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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 90-102 (1. August - 29. August)
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93.

Samstag den 8. August


* Zur Usedon^schen Note.
Es ist, wie wir am Schluffe dieses Aufsatzes sehen werden,
schon länger als 100 Jahre die Aufgabe der preußischen Politik,
die deutsche Neichsgewalt so viel wie möglich zu schwächen, ja Oester-
reichs Untergang herbeizuführen, um Preußen an seine Stelle zu
erheben. Friedrich II. (den wir den Großen zu nennen uns nie
entschließen können) bewies dieses Streben im Wort und in der
That und seitdem ging es so sehr in das innerste Blut der preu-
ßischen Staatsmänner über, daß selbst Friedrich Wilhelm II., ob-
gleich er sehr conservativen Grundsätzen huldigte und in gewisser
Beziehung als Großdeutscher gelten konnte, gleichwohl den schmäh
lichen Basler Frieden abschloß und damit die Grundlage schuf für
das neueste preußische Werk.
Sehr bezeichnend ist es, wie das spezifische Preußenthum auch
unter den späteren Königen das Testament Friedrichs II. beharr-
lich zur Ausführung zu bringen suchte, obgleich ein Friedrich Wil-
helm III. starr an der heiligen Allianz festhielt und noch auf dem
Todesbette seinen Nachfolger hiezu verpflichtete, und obgleich Fried-
rich Wilhelm IV. in ehrenhaftester patriotischer Gesinnung die
deutsche Kaiserkrone ausschlug, weil er das gegebene Wort heilig
erachtete und von einer Zweitheilung Deutschlands das Schlimmste
befürchtete. Wir erinnern in dieser Beziehung nur an die famose
geheime Denkschrift, welche das preußische Ministerium des Aus-
wärtigen in den Zeiten der intimsten Freundschaft mit Metternich
über die Politik Preußens verfaßt hatte und zuerst von Kombst
veröffentlicht wurde. Darin werden die schönsten Grundsätze nach
Machiavelli empfohlen und insbesondere als Aufgabe Preußens be-
zeichnet, alle rcactionären Maßregeln als von Oesterreichausgehend
darzustellen, in die Preußen nur widerstrebend eingewilligt hätte.
Diese Scheinheiligkeit gipfelte sich in der von preußischen Federn
dargestellten Ergebnisse des Karlsbader Congresses von 1819, der
Bundesordonnanzen von 1832, der Wiener Conferenz von 1834.
Als bedeutungsvollster Schachzug gegen Oesterreich muß die damalige
Herstellung des Zollvereins erscheinen.
Diese Bestrebungen unter der Negierung des Königs Friedrich
Wilhelm III. nahmen unter seinem Sohne und Nachfolger eine
noch deutlichere Gestalt an, als das Frankfurter Parlament be-
rufen war, um eine Verfassung für ganz Deutschland zu geben.
Kein anderer deutscher Volksstamm wußte aber auch mit solchen
Prätensionen, mit solchem fortgesetztem Eigendünkel, als könne nur
er an die Spitze gestellt werden, aufzutreten. Würdig secundirtcn

die großen Geschichtsbaumeister.*) Mit seltner Umsicht und feinem
Takt suchten damals die für die preußische Spitze arbeitenden
Volksmänner, Abgeordneten und Schriftsteller die lange gehegten
Plane zu verwirklichen, die Süddeutschen zu ködern, die Deutsch-
Oesterreicher durch Vorspiegelung eines engen Bündnisses in ihr
Interesse zu ziehen. Allein Friedrich Wilhelm IV. machte ihnen
durch Nichtannahme der Kaiserkrone einen Strich durch die Rech-
*) Anmerkung. Gegen diesen Verfälscher der Geschichte wollen wir
einen Mann reden lassen, den selbst die National-Liberalen als einen der Ihrigen
stets im Munde führen: E. M. Arndt's Worte in seinem „Geiste der Zeit"
über Friedrich's II. Monarchie paffen auch heute noch auf's Haar. Er sagt
Seite 314:
„Und welchen Sinn hatte die Monarchie Friedrichs des Einzigen? Doch
wohl einen sehr nationalen? denn er hieß ja so gern der Schützer und Be-
schirmer der deutschen Freiheit, und seine Zeitgenossen riefen es so gerne vor
ganz Europa aus, daß Friedrich, der Preußen König, ein Deutscher war. Leere
Klänge, womit man immer gespielt hat. Auch hier ging es so. Diese preu-
ßische Monarchie war eine in Europa ganz neue Erscheinung. Lob und Tadel
arbeiteten anfangs frisch daran, doch des großen Mannes größerer Genius
siegte, und man fand endlich alles was er gemacht hatte, sehr gut. Der ange-
strengteste und despotischste Soldatenstaat voll der unleidlichsten monarchischen
Aristokratie hieß das Werk des Weisen und Guten und das glücklichste Land
Europens. Fremd war der Sinn dieser Monarchie allem, was deutsch heißt,
und ist es noch ; daher die Abneigung, ja fast, der Abscheu der kleinen Staaten
Deutschlands, wann es heißt, der preußische Adler soll über ihren Thoren seine
mächtigen Fittiche ausspreiten. Der deutsche Sinn liebt das Gerechte und
Gleiche, dazu das Formale. In den untern Regionen des Lebens ist er gern
üppig und gutmüthig fröhlich, ohne mit Polizei und Aufsicht so viel zu thun
zu haben, als im preußischen Staate, wo alles aristokratisch, streng und despo-
tisch herrscht, ohne die kleinen Freuden und Freiheiten des Lebens Zu achten,
ohne welche die großen in der Regel nichts werth sind, weil sie ohne sie kaum
sind. Der norddeutsche Sinn an sich ist schon streng und spröd, despotisch an-
gestrengt ist er dem waidlichen süddeutschen noch viel fremder geworden, und
wenn ja noch etwas Gemeinsames zwischen dem Norden und Süden Deutsch-
lands stand, so hat die preußische Monarchie es völlig aufgehoben. An oeutsche
Begeisterung und Theilnahme für diesen Staat war also nie zu denken.
Auch hat der große König im Ernst nie daran gedacht, die deutsche Nation
bildend und schützend um seine Adler zu versammeln, und ein gemeinschaftliches
Ziel der Politik und Bildung auszustecken. Es ist nichts lächerlicher, als ihm
patriotischdeutsche Ideen beilegen zu wollen. So patriotisch hat Richelieu und
Louvois an Deutschland gedacht und darüber gesprochen, so patriotisch führt
jetzt Bonaparte und Talleyrand, fein Knecht, und die deutschen Churfürsten
seine Knechte, den Namen Deutschland und Deutschlands Freiheit im Munde.
So, denke ich, spricht aus dem Reichstage der Thiere der Wolf wohl zuweilen
für die Freiheit und die heiligen Rechte der Hirsche. Friedrich brauchte die
deutschen Staatskörper und die Fürsten, wozu sie brauchbar waren, ein Gegen-
gewicht gegen Oesterreich zu erzeugen oder wenigstens Oesterreichs altes Ueber-
gewicht zu schwächen, und so ließ er wohl von deutscher Freiheit und Gerechtig-
keit zuweilen ein Wort fallen, das unschädlich wie so viele Lügenworte mitlies
und zu einer Zeit das Seinige wirkte. Der König nach seinem Gemüthe eines
vollendeten Despotismus haßte alles Nationale an einem Volke, weil es dem
Despotismus entgegen strebt, und alles Föderative an den Deutschen."

zauberte, sprelte «L. Armand m den Lludb's und nach Jahresfrist kehrten!

Ein Lebenslauf.
(Aus der Augsburger Abendzeitung.)
Der König der Pariser Lumpensammler ist nicht mehr. Vor Kurzem
hauchte St. Arman in einer elenden bretternen Mansarde, in einer dumpfen,
feuchten Stube, auf einem Strohlager seine Seele aus. Am nächstfolgenden
Tage, an einem Mittwoch, in den ersten Morgenstunden, ward der Leichnam
auf einen Karren geladen, um in einem gemeinfamen Grabe auf dem Fried-
Hofe zu Montmartre die letzte Ruhestätte zu finden. Die Nachricht von dem
Tode des Lumpensammlers fiel wie em bitterer Wermuthstropfen in den schäu-
menden Becher der Lust so manches Roues, von denen das Straßenpstaster
des modernen Babylon wimmelt, denn St. Armands Biographie ist ein me-
Mkllto mori sür Jeden, der noch eines Gedankens in seinem blasirten Gehirne
fähig ist, St. Armand's Memoiren find lehrreicher als manche Fastenpredigt.
In den ersten Tagen des Julsiönigthums, als der Mann, der nach Laffayette's
Ausspruch, „die beste Republik" repräsentirte, mit dem rothen Paraplui über
die makadamisirten Boulevards flonirte, verkündete der Theaterzettel, daß eine
Demoiselle Barbarin) die „Sylphide" in der großen Oper tanzen werde. Bar-
barini glich dem Mädchen aus der Fremde, Niemand wußte zu sagen, woher
sie kam und doch erzählte die tausendzüngige Reclame Wunder von ihr, sie
war die verkörperte Grazie des Tanzes, sie kam direct aus dem Olymp, „um
die Ecke links, da wo die Höckerin sitzt", sagte Heine. Barbarini kam, sah und
siegte, dre Pariser waren von dem glänzenden Erfolg der Tänzerin wie be-
rÄ V' - Janin, der Feuilletonist der Dedats, bewies mit der Gründ-
H^aldikers, daß dieses Mädchen ein Kind der großen Nation sei,
- m der Barbarini aus den Brettern der großen Oper wurde als
ein Nationalsieg proclamirt. Die Siege der Barbarini waren so zahlreich, daß
man Mit 'hren Lorbeeren die ganze Armee der großen Nation hätte schmücken
Wunderkind liebte, ja noch mehr, es entfloh mit seinem
Ll-bhaber der Marqms St. Armand hieß. Der Roman der Barbarini gab
den Feuilletonisten mel zu schaffen, das Glück St. Armand's wurde in allen
Zungen der Welt gepriesen. Während Barbarini in London am Druryland-
Theater mit der Kunst ihrer Beine die Pfunde aus den vollen Taschen hervor-

Beide nach Paris zurück — arm wie die Kirchenmäuse von St. Paul und
Notredame von Paris. Die „göttliche Fanny" hatte mittlerweile der Barbarini
mit Erfolg Concurren; gemacht; es entstand ein Wettkampf mit den Beinen,
der die Pariser Welt außer Athem brachte. St. Armand begann nun einzu-
sehen, daß gewöhnliche Kunstmittel nicht mehr ausreichten, um der Barbarini
zum Siege zu verhelfen, außerordentliche Mittel mußten erdacht und herbeige-
schafft werden, um den erblassenden Stern am Himmel Terpsichore's im neuen
Ltrahlenglanze erscheinen zu lasten. Das Kleid der Sylphide sollte die ge-
sunkenen Flügel des Seraphs auf's Neue beschwingen. Die Sylphide sollte in
einem silberdurchwirkten Kleide den Meeresfluthen entsteigen, das Kleid sollte
von ächten Perlen strotzen, Smaragden den Fächer schmücken, das Unerhörteste,
das für unmöglich Gehaltene sollte sich verwirklichen, durch Glanz und Luxus
sollten die Augen der verwöhnten Pariser Kinder geblendet werden, und dazu
gehörte viel, sehr viel Geld, über hunderttausend Francs, während er und sie,
wie gesagt, arm waren wie die Kirchenmäuse. Die Tänzerin machte ihrem
herabgekommenen Galan bittere Vorwürfe, sie weinte Tag und Nacht über ihr
Unglück, und man weiß, was Weiberthränen bedeuten, zumal wenn es die
schönen Augen einer saloppen Tänzerin sind, können sie Steine erweichen und
St. Armands Herz war kein Stein, zumal da er wußte, daß der russische Nabob
Graf Schuwaloff als N benbuhler im Hintergründe stand. In seiner Verzweif-
lung rannte St. Armand von Mäkler zu Mäkler ; dieses aller Orten poesielose
Geschlecht wollte der Zukunft der Beine einer Barbarini nicht vertrauen und
in seiner Verzweiflung blieb der unglückliche Manu an einem Dornstrauche
hängen, der in Gestalt einer polnischen Gräfin Wanda auf seinem Lebenswege
sich entgegenstellte. Die Gräfin war eine Dame von 44 Jahren, doch stolz
und feurig, leidenschaftlich und heiß, sie liebte St. Armand mit der Gluth
eines Moskowitischen Brandes und sie wähnte sich von dem jungen St. Ar-
mand wieder geliebt, er schenkte ihr sein Herz, sie ihm ihr Portefeuille mit
Bankbillets, die Barbarini hatte ihr Kleid, ihre Perlen, ihren Smaragdfächer
mit Moskowitischem Gold erkauft, sie triumphirte über die göttliche Elsler
und der dicke Jules Janin konnte ein ganzes Feuilleton über das Wunderkleid
der Tänzerin schreiben.

(Schluß s»lgt.)
 
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