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Dienstag den 17. November
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* Die Jahresberichte
der Landescommissäre über die Zustände und
Ergebnisse der innern Verwaltung
für das Jahr 1867.
Die auf Anordnung des Ministeriums des Innern bei dem
„Beziehungen" habenden Herausgeber der Badischen Landeszeitung,
Macklot, erscheinenden Berichte der Landescommissäre über die
Zustände des Landes enthalten stets viel Interessantes, wenn man
auch möglichst vorsichtig in deren Benützung sein muß, da es in
dem Interesse der betreffenden Commissäre liegt, die ihnen unter,
stellten Kreise in möglichst rosenfarbigcm Lichte erscheinen zu
lassen. Dies ist indessen doch nicht immer möglich, so vortrefflich
auch der gute Wille zum Schönfärben vorhanden sein mag, —
und so sind denn auch manchmal Klagen und Seufzer nicht ganz
zu unterdrücken, wenn sie auch nur leise und vorsichtig vernehm-
bar sind. Wir verdanken diese halbe Aufrichtigkeit nicht zum ge-
ringsten Theile dem Vorhandensein unserer stets schlagfertigen
Opposition?presse, die, wenn offenbare Schäden vollständig vertuscht
würden, sofort mit aller Schärfe den wahren Zustand der Dinge
kennzeichnen und in einer Weise beleuchten würde, die eine glän-
zende Niederlage für die Herren Commissäre zur Folge haben müßte.
Die Zeiten sind eben vorüber, wo ein Potemkin seiner Kaiserin
auf ihrer Rundreise zur Kenntnißnahme der Zustände ihres Reiches
schön gemalte Dccorationsdörfer in der Ferne zeigen und mit ge-
liehenen Kleidern reich herausstaffirte Bauern vorführen konnte,
die alle möglichen ,,,Wohlstands"-Theorien für einige Batzen ab-
leiern mußten. Diese Zeiten sind, wie gesagt, vorüber, und. in
einem büreaukratischen Musterstaat, wie Baden ist, müssen büreau-
kratische Tabellen doch einige Rücksicht auf die wirkliche Lage der
Dinge nehmen. Doch zur Sache, — wir beginnen
I.
mit dem Berichte des Landescommissärs Renk für die Kreise
Con stanz, Villingen und Waldshuü
Vor allem ist für uns interessant, daß in den genannten
Kreisen die Trauungen sich wesentlich, und zwar um 78 gegen
das Vorjahr vermindert haben und daß die erste Civilehe in
Schwandorf (Bezirk Stockach) vorgekommen ist, wo der katholische
Ortsgeistliche die Trauung aus dem Grunde verweigerte, wert
gegen sein Verbot die Braut ihrem Verlobten die Haushaltung
führte.
Die Auswanderung hat zugenommen, wobei ausdrück
lich gesagt wird, daß die angegebenen Zahlen nur die „amtlich
bewilligte Auswanderung darstellen, daß dagegen der faktische Weg-
zug viel bedeutender ist." Was thun wir also mit diesen Zahlen,
die das wahre Verhältniß doch nicht angeben? Auffallend ist der
zahlreiche Wegzug von jungen Männern, und es klingt daher fast
wie Ironie, "wenn der Bericht sagt: „In wiefern die Furcht vor
der Wehrpflicht eine vermehrte Auswanderung veranlaßt, wage
ich aus diesen vereinzelten Angaben nicht zu' entscheiden." Wir
aber wagen es, weil wir wissen, was unter dem „viel bedeu-
tenderen faktischen Wegzug" zu verstehen ist.
Was die Frage, ob Wohlstand, ob Nothstand betrifft, so meint
der Herr Landescommissär : „Von einem Nothstand kann nach dm
übereinstimmenden Berichten sämmtlicher Aemter meines Dienst-
bezirks keine Rede sein." Es wird dies damit begründet, daß
Verdienst genug für die arbeitende Klasse vorhanden sei und daß
sich dies besonders darin zeige, daß die Dienstboten, Tagelöhner
u. s. w. am meisten die Wirthshäuser, Tanzböden und andere
Vergnügungsorte aufsuchen. W>r haben darauf Folgendes zu er-
widern. Was zunächst die Berichte der Amtleute über die vor-
liegende Frage betrifft, so baden sie hierüber gar keinen Werth;
das Warum liegt auf der Hand. Wer hat denn zuerst das Wort
„Nothstand" in's Land hinausgeworfen? Kein Anderer als der
Abg. Lindau, der den Machthabern verhaßteste Mann, der Mann,
der die im büreaukratisch-badischen Musterstaat nie dagewesene
Kühnheit hatte, Herrn Jolly, Excellenz, selbst und dessen diesseits
des Oceans liberalste Regierunasweise (ha! ha!) in einem offenen
Briefe anzugreifen und dafür — freigesprochen worden ist!
Und da sollte ein Beamter wagen, irgend einen „Nothstand" in
seinem Berichte einzugestehen und damit „dem" — um mit Excel-
lenz zu reden — Lindau R^cht zu geben! Ha, ha! cs ist schwer,
keine Satyre zu schreiben. Ein Beamter sollte dies wagen, nachdem
erst die „Beziehungen habende" Landeszeitung ohne Umschweife
erklärt hat, ein Beamter müsse genau so handeln uud denken,
wie die Herren im Ministerium, — diese aber gar nicht zugeben,
daß etwas Anderes im Laude herrsche als „Wohlstand"!! Was
ferner aber den Wirthshaus- und Tanzbodenbesuch der arbeitenden
Klasse betrifft, so begreifen wir nicht, in wie fern daraus ein
Argument für den „Wohlstand" abgeleitet werden kann. Die
Leute, welche der Bericht im Auge hat, sind meistens ledige
Leute, die von der Hand zum Mund leben und deßhalb selten an's
Sparen denken. Sie haben rüstige Knochen, mit denen sie allezeit et-
was zu verdienen hoffen, und suchen sich nun für die vielen Strapatzen
in der Woche einen möglichst lustigen Sonntag zu verschaffen, un-
Jrn Leben schweigen und sterbend vergeben.
Nach dem Spanischen des Fernan Cabeller o.
(Fortsetzung.)
Sobald die Gerichtsbeamten das Haus verlassen hatten, eilte ich dahin,
um meinen armen Freunden Trost und Hilfe zu bringen. Nie werde ich die
Scene vergessen, die sich dort meinen Blicken zeigte! Man sah den Leichnam
zwar nicht, der noch in jenem Zimmer lag, aber man fühlte, daß er nahe war,
— das Haus roch nach «lut! Selbst das Wasser in dem Becken des Brun-
nens behielt seine rothe Farbe, als wenn das nachfließend» Wasser sich nicht
mit ihm habe vermischen wollen. Meine arme Freundin lag in Krämpfen;
erst als sie mich erblickte, konnte sie wieder weinen. Ihr Gatte war wie
nieder geschmettert, der Schreck schien sein Blut zu Cis erkältet zu haben, denn
Leichenblasse bedeckte sein Gesicht und seine Lippen. Ich nahm die unglückliche
Frau mit mir in mein Haus und behielt sie mehrere Tage bei mir. Inzwischen
erwirkte der Mann seine Versetzung nach einer entfernten Provinz, und die
Familie begab sich dahin, weil es ihr unmöglich war, länger an dem Orte
zu leben, an den sich so gräßliche Erinnerungen für sie knüpfen."
„Aber in welcher Absicht, zu welchem Zwecke wurde denn dieser Mord
verübt?" fragte der Fremde.
„Um das Opfer zu berauben, wie man sagt. Die alte Frau hatte —
so horte ich von ihrer Tochter — am Morgen desselben Tages eine bedeutende
Dumme Geldes von ihrem Notar zugesendet erhalten. Der Schreiber, welcher
sie überbracht hatte, gerieth auch in Verdacht, und obgleich ihm nichts nachge-
wiesen werden konnte, wurde er dadurch dennoch in seinem Rufe vollständig
-,u Grunde gerichtet. Wenn ein Verdacht ganz allgemein und einstimmig wird,
schadet er ost mehr, als ein erwiesenes Vergehen; denn in dem letzteren Falle
kann der Verbrecher Umstände anführen, die zu seiner Entschuldigung beitragen,
oder kann Reue an den Tag legen und dadurch Gnade vor Gott und den
Menschen finden."
„Ihre Bemerkung ist sehr richtig", erwiderte der Fremde. „Die mensch-
liche Gesellschaft, die nach erstandener Strafe milde ist und sein soll, ist vor
derselben unerbittlich. Aber haben Sie seitdem keine Nachrichten von Ihren
armen Nachbarn erhalten?"
„Anfangs wohl, aber in den letzten Jahren sind sie mir ganz aus dem
Gesichte gekommen. Es ist ihnen dort, an dem neuen Aufenthaltsorte, gut
ergangen. Der Mann hat den Militärdienst verlassen und andere Untenehmun-
gen begonnen, die sehr günstig sür ihn ausgefallen sind. Er ist jetzt einer
der geachtetstcn Männer in der dortigen Gegend, ist Alkalde gewesen, hat noch
andere Ehrenstellen bekleidet und gilt so zu sagen sür eine Notablität. Was
die Frau betrifft, so hat sie in ihrer häuslichen Zurückgezogenheit auch ferner
so glücklich gelebt, wie es mit jenen schrecklichen Erinnerungen möglich war."
„So daß alio", bemerkte der Fremde mit einem bitteren Lächeln, nur das
Haus noch den Eindruck bewahrt, der aus den Herzen der Menschen ver-
schwunden ist."
„Das Haus hat den Eindruck des Verbrechens bewahrt, in den Herzen
ist der Eindruck des Schmerzes erloschen. Kein Schmerz kann in dieser Welt
ewig dauern, so hat es das barmherzige Wesen angeordnet, das am Besten
weiß, was gut sür uns ist. Jeder kommende Tag bringt eine neue Sonne
und läßt die des vorhergehenden vergessen; jede Blume, die sich öffnet, zieht
den Blick von einer welkenden ab. Das Vergessen ist eine Wohlthat, ist der
Lebensbalsam, den Gott uns schickt, sowie er den Pflanzen den erfrischenden
Thau gibt. Was sollte aus uns werden, wenn wir nie vergessen könnten?"
„Ich weiß nicht", erwiderte der Fremde, „ob ich das, was Sie soeben ge-
sagt haben, erhabene Philosophie oder was sonst nennen soll." ffForts. f.)
* (Ob es wirklich noch Jesuiten gibt?) fragt H. Heine in
seinen Reisebildern, als er von Brixen spricht, und antwortet dann: „Manch-
mal will es mich bedünken, als sei ihre Existenz nur eine Chimäre, als spucke
nur die Angst vor ihnen nsch in unfern Köpfen, nachdem längst die Gefahr
vorüber, und alles Eifern gegen Jesuiten mahnt mich dann an Leute, dre,
wenn es längst üufgehört hat zu regnen, noch immer mit aufgespanntem
Regenschirm umhcrgehen. Ja mich dünkt zuweilen, der Teufel, der Adel und
die Jesuiten existsren nur so lange als man an sie glaubt."