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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

Offenes Sendschreiben
an Herrn Staatsminister Jolly in Karlsruhe.
Mit Erlaß vom 20. d. M. haben Sie meine Beschwerde gegen
den Beschluß des Großh. Bezirksamtes Bühl vom 17. d. M., wo
nach die „beabsichtigte Volksversammlung und jede Volksversamm-
lung wegen Befürchtung von Ruhestörungen im Interesse
der öffentlichen Sicherheit" im Voraus verboten wird, als
unbegründet zurückgewiesen.
Die ganze Angelegenheit hat ein bedeutendes öffentliches Inte-
resse. Sie werden daher auch wohl begreifen, daß ich vorziehen
muß, dieselbe in öffentlicher Weise zu erledigen, anstatt Berufung
an das Großh. Staatsministerium einzulegen.
Dem öffentlichen Urtheile darf ich vor Allem nicht vorent-
halten, wie es in Baden für dieselben Verhältnisse zweierlei
Maß in Anwendung der Gesetze gibt.
Ich verlangte in geschlossenem Raume meine Wähler zu spre-
chen. Ich hatte noch nicht einmal eine Einladung ergehen lassen,
als bereits das Verbot erfolgte. Nun lese ich, daß an denselben
Tagen meinem Collegen Kirsner gestattet war, in seinem Bezirke
öffentlich ausgeschriebene Versammlungen unter Zuzug von aus-
wärtigen Freunden abzuhalten. Ich höre ferner, daß meinem Col-
legen Fauler kein Hinderniß bereitet wurde, in Freiburg eine
„großartige" Versammlung „mit dem freien Bürgerthum" zu ver-
anstalten. Und gestern fand in hiesiger Stadt in einem geselligen
Locale ein pompös ausgeschriebener „Bürger-Abend" statt, in wel-
chem mein College Bluntschli ohne irgend einen Anstand die Be
derUung der Zollparlamentswahlen für Baden den öffentlich einge
ladenen hiesigen und auswärtigen Freunde der Sache vortragen
konnte. Wohlgemerct, Herr Jolly, Herr Geh. Rath Bluntschli in
einer öffentlich ausgeschriebenen Volksversammlung außerhalb seines
Wahlbezirkes! Al i r dagegen verbieten Sie eine Besprechung mit
meinen Wählern! Die angeblichen Gründe des Bezirkamtes Bühl
halten Sie als opportun aufrecht! Ich erlaube mir diese Gründe
näher zu prüfen.
Wegen „Befürchtung von Ruhestörungen" wird die Besprechung
verboten! Von wem wäre denn eine Ruhestörung zu befürchten?
Von meinen Wählern gewiß nicht! Wenn also eine Ruhestörung
in Wahrheit zu befürchten wäre, so könnte sie nur von der entgegen-
stehenden Partei ausgehen, — Sie werden mir erlauben müssen,
dieselbe als Regierungspartei zu bezeichnen, nachdem Sie, Herr
Jolly, in der Erklärung vom 20. Dez. 1867 sich mit derselben
identificirt haben. Diese Regierungspartei ist aber in dem Be-

zirke der beabsichtigten Versammlung gar klein. Die Ihnen zu
Diensten stehenden statistischen Notizen müssen meine Behauptung be-
stätigen. Sollte diese Ihre Partei, die sich jederzeit so sehr als
constitutionell rühmt, so weit bereits entwickelt sein, daß sie den
Gegner nicht mehr ertragen kann?
„Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" heißt der zweite Grund
auf welchen sich Ihr Verbot stützt! Wie, Herr Jolly, die „öffent-
liche Sicherheit" wäre gefährdet in unserm freien Baden? Gefährdet
durch das Erscheinen eines mit großer Majorität gewühlten Abge-
ordneten in der Mitte seiner ihn sehnlichst erwartenden Wähler? Von
meinen Wählern weise ich jeden Vorwurf, der ihnen wegen Gefährdung
der öffentlichen Sicherheit gemacht werden könnte, entschieden zurück!
Die Besprechung würde ebenso friedlich und ordnungsliebend ver-
laufen, als eine andere, bei welcher auch Sie einer der „ Veranstalter"
waren, welche Ihre Partei ans Ruder brachte, welche im Wider-
spruche mit denr Gesetze abgehalten wurde auf dem Rathhause
in Durlach.
Der Vorwurf der „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit"
könnte deßhalb wiederum nur allein auf Ihre — die Regierungs-
partei fallen!
Allein soweit kenne ich unsere Verhältnisse —- ein ernstliches
Wort Seitens des Bezirksamtes und Seitens Ihres Parteicoliegen
Bürgermeisters Conrad in Bühl — würde jede Gefahr von Ruhe-
störungen beseitigen; warum wird dieses Mittel nicht beliebt? Sie
werden mir erlauben, den Grund hiefür für mich zu behalten!
Sie haben vorgezogen die Versammlung zu verbieten.
Ihr Parteigenosse Bluntschli und der Ihnen unterstehende
Hr. Stadtdirector Stößer haben in dem gestrigen „Bürger-Abend"
unsere Situation klar dargelegt: „Das Volk steht uns und wir
stehen dem Volke zu fern". Man muß das Volk mehr „aufzuklären
und zu gewinnen suchen", so lauteten die Ergüsse! Deßhalb ist es
natürlich geboten, daß man die politischen Gegner vom Volke abzu-
schneiden sucht! Das ist für mich das Motiv des Verbotes!
Allein bedenken Sie wohl, Herr Jolly! Eine Partei, welche das
Vertrauen des Volkes erst zu erlangen suchen muß, dürfte nach
constüutionellen Begriffen gar nicht das Ruder führen, das ist
nach meinen Begriffen — Parteiherrschaft der Minorität! Von die-
sem Standpunkte aus erscheint mir das Verbot recht gut begreiflich!
Einem Abgeordneten vindicire ich vor Allem die Pflicht, die
Interessen feines Bezirkes genau kennen zu lernen! Der Abgeordnete
muß nach constitutionellen Begriffen stets in Fühlung mit feinen
Wählern, bleiben und die Erinnerungen an die Verhältnisse des letzten
Landtages lassen mir diese Nothwendigkeit noch deutlicher hervor-

Der schwarze Gentleman.
Aus den Erinnerungen eines Arztes.
(Fortsetzung.)
Feliz, gerieth mit der Hand auf eine Krystallscherbe, und verletzte sich der-
maßen, daß das Blut hervorsprang. Edmund hob ihn aus, verband die wunde
Hand, empfahl ihn unserer Sorgfalt und ritt, der Pflicht der Gastfreundschaft
genügend, mit den Jägern davon.
Nachdem sie fort waren, versank Felix nach und nach in einen Zustand
halber Bewußtlosigkeit, und während ich neben dem Sessel, in den er sich mit
geschlossenen Augen zurücklehnte, leise mit der Mutter sprach, entschlüpfte mir,
ich weiß selbst nicht wie es kam, mit Bezug auf den verlorenen Ring die
Worte Verlobung und Braut.
Felix öffnete sofort die Augen und fragte mit fieberischer Betonung:
„Braut? Von wem sprecht Ihr?"
„Von Niemanden", antwortete ich verwirrt. Aber damit gab er sich nicht
zufrieden, denn als die Mutter nach wenigen Augenblicken das Zimmer verließ,
sah er mich mit großen fragenden Blicken an, und so mußte ich ihm denn
Alles erzählen, was für mich mit dem Ringe zusammenhing, wobei ich das
Ganze ins Lächerliche zu ziehen suchte.
Felix wurde immer aufmerksamer und träumischer. „Braut?" wiederholte
er. „Da wärest Du ja nicht mehr meine Schwester!"
Diese Worte machten mich betroffen; stumm senkte ich die Augen, es folgte
em langes, verlegenes Schweigen, und um es um jeden Preis zu brechen,
fragte ich ihn nach der Ursache seines Unfalls.
„Das weiß ich selbst nicht", antwortete er. „Als ich mich niederließ, muß
mein Knie aus einen Stein oder sonst etwas Scharfes gestoßen sein, denn ich
empfand einen durchdringenden Schmerz, der sich selbst jetzt noch nicht ver-
loren hat".

„Komm", sagte ich, „wrr wollen sehen, ob wir der Ursache auf die Spur
kommen können".
Die Diener hatten den Saal noch nicht betreten, und es lag dort noch
Alles so wie wir es verlassen. Indem Felix sich bückte, um das Taschentuch
aufzuheben, beugte auch ich mich nieder, um nach dem verhängnißvollen schar-
fen Gegenstand zu suchen.
„Da hab' ich's!" rief Felix, etwas aus den Falten des Taschentuchs her-
vorziehend. Denke Dir unser Erstaunen, als es der Ring, mein Verlobungs-
ring war.
Schweigend und beide tief erröthend, blickten wir einander an, und Gott
mag wissen, was in unseren Herzen vorging. Das Schicksal hatte sein Urtheil
gefällt, und wir fühlten, daß es wahr gesprochen.
Wie mag es zugegangen sein? Darnach fragten wir uns erst später, als
wir Arm in Arm durch die Allee gingen, an deren Ende die Sphpnx steht.
Unsere Taschentücher mußten neben einander gelegen und ich muhte sie' ver-
wechselt haben.
Felix stellte mich seinen Eltern als seine Braut vor, und sie segneten uns
als Brautleute, wie sie uns als Geschwister gesegnet hatten. Es schien ihnen
nicht unerwartet zu kommen. Wie eigentümlich, jetzt die Braut Dessen zu sein,
welcher noch vor einer Stunde mein Bruder gewesen! Aber ich fühle, daß sich
in meiner Brust ein Dunkel gelichtet hat, welches mich, wenn ich in mich selbst
schaute, häufig in Verlegenheit setzte. Mein zweiter Vater wollte die Verlo-
bung, welche ihn ganz glücklich macht, sofort nach der Rückkehr der Jäger pro-
clamiren; die Mutter aber hielt es nicht für passend, Jemandem etwas davon
zu sagen, bevor Edmund, das künftige Haupt der Familie, seine Einwilligung
dazu gegeben.
Edmund kam aber nicht mit den Andern zurück. Anfänglich murde dies
im allgemeinen Getümmel nicht bemerkt, und wir Frauen waren vollauf mit
der Anrichtung des Mahls beschäftigt. Als man sich endlich nach ihm erkun-
digte, konnte Niemand Aufschluß über ihn geben.
(Fortsetzung folgt.)
 
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