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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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81. Samstag den 11. Juli_ 1868.


Zur Wahrheitsliebe des Kraichgauboten.
X Bruchsal, 7. Juli, Es ist bekannt, daß der Kraich-
gaubote in seinen Miltheilungen über kath. Angelegenheiten
immer auf Seite jener steht, die mit Unwahrheiten und gehässigem
Wesen um sich werfen. Hier eine Probe.
In Nr. 14 vom 1. Februar d. I. berichtet derselbe wie
folgt: „Kaiser Max hat den Jesuitenpater Fischer bis zum letz-
ten Augenblick für seinen besten Freund gehalten; ihm übergab
er auch in der Sterbestunde seine geheimsten Papiere. Diese hat
jetzt der Pater dem Präsidenten Juarez ausgeliefert und sich mit
ihnen aus der Gefangenschaft losgekauft."
Für den Kraichgauboten war es natürlich ein besonderes
Labsal, an das unglückliche Ende des Kaisers einen Schurkenstreich
eines Jesuiten knüpfen zu können, und da ein großer Theil der
Lesewelt durch die liberale Presse so zugeschnitten ist, daß selbst
die handgreiflichsten Unwahrheiten bereitwilligst als baare Münzen
hingenommeu werden, wenn nur ein Jesuit im Spiele ist, so hat
wohl auch obige Mittheilung viele gläubige Herzen gefunden.
Wir haben aber jene seither nicht aus dem Auge verloren
und gaben uns Mühe, den Thatbestand fest zu stellen. Es ist
uns gelungen, und wir können unseren Lesern die angenehme Mit-
theilung machen, daß der ganze Bericht des Kraichgauboten von
A. bis Z. unwahr ist.
Um die vielgepriesene Wahrheitsliebe des Kraichgauers in das
gehörige Licht zu setzen, theilen wir über den angeblichen Jesuiten-
pater Fischer den wirklichen Sachverhalt mit.
Fischer wurde zu Ludwigsburg geboren und gehört
protestantischen Eltern an. Als junger Student, ausgerüstet mit
trefflichen Talenten, begab er sich vor Vollendung seiner Studien
nach Amerika, wo er im Laufe der Zeit das amerikanische Bürger-
recht erwarb und als Advocat auftrat. In Boston machte er
Bekanntschaft mit den katholischen Geistlichen und führte mit gutem
Erfolg einen Prozeß des dortigen Bischofs. Die religiöse Frage,
die in Amerika die trefflichsten Männer dem Katholicismus zuführt,
blieb uicht ohne Einfluß auf den Rechtsgelehrten Fischer. Die
ererbten protestantischen Voruriheile gegen die kath. Kirche schwan-
den bei fleißiger Forschung und Fischer wurde Katholik und
widmete sich dem geistlichen Stande. Er verließ die vereinigten
Staaten und kam nach Mexiko, ehe das neue Kaiserreich errichtet
war. Ausgestattet mit herrlichen Gaben des Geistes war er von
den Bischöfen in den Concordatsangelegenheiten nach Rom ge-
sendet worden und wurde nach seiner Rückkehrt von Kaiser Max
als Privatsecretär benützt.

Als das Kaiserreich zusammenbrach und der unglückliche
Kaiser in Queretaro erschossen wurde, war Fischer in Mexiko und
wurde daselbst verhaftet. Seine spätere Freilassung verdankte er
der Regierung zu Washington, wohin er sich sofort begab und so-
dann nach Europa in seine Heimath zurückkehrte, und zwar als
ein ganz armer Priester, der sich jetzt im Schwabenlande um
eine einfache Pfarrei bewirbt. Dies in Kürze der Sachverhalt.
Es ist somit unwahr, was der Kraichgauer berichtet, daß
Fischer ein Jesuit sei, unwahr, daß er in der Sterbestunde des
Kaisers von diesem die geheimsten Papiere erhielt, unwahr, daß
er diese gegen seine Befreiung dem Juarez ausgeliefert; unwahr
ist Alles, was der Kraichgaubote über und gegen Fischer veröffent-
licht hat. Dieser ist kein Jesuit, war nicht in der Sterbestunde
beim Kaiser, besaß nichts von seinen geheimsten Papieren und
konnte somit diese auch nicht an Juarez ausliefern, um seine eigene
Befreiung zu erwirken, die er nur der Vermittelung der Washing-
toner Regierung verdankte.
Im Allgemeinen ist es eine peinliche Sache, wenn man so
greller Unwahrheiten überwiesen wird. Ob dies beim Kraichgau-
boten auch der Fall ist, mögen wir mit Bestimmtheit nicht behaup-
ten, denn ihn sicht es blutwenig an, eine unwahre Berichterstat-
tung abgegeben zu haben, insofern diese die Katholiken angeht.
Ein solches Benehmen ist ja der Ausdruck jener weltberühmten
Toleranz, von welcher wir Katholiken so vieles zu verzeichnen
haben. —.

SLiddcutschland.
* Heidelberg, 8. Juli. Wie wir in der letzten Nummer
bereits mittheilen, stellt die Karlsruher Zeitung die von dem Schwä-
bischen Merkur und der Heidelberger Zeitung gebrachte Mitthei-
lung über die Erzbischofswahl als unwahr in Abrede. Es heißt,
die badische Regierung sei nicht mit dem römischen Stuhl in
unmittelbare Unterhandlung getreten. Dabei übersieht aber das
officiöse Organ vollständig, daß in jenem Artikel das Hauptgewicht
nicht darauf gelegt war, daß die badische Regierung Unterhand-
lungen pflege, sondern daß die preußische diese Aufgabe in
ihrem Namen und mit ihrer Zustimmung übernommen habe. Dies
ist aber von der Karlsruher Zeitung nicht widerlegt und somit
die Abläugnung ohne jede Bedeutung. Andrerseits wollen wir
aber damit freilich nicht für Freund Weckbäck eine Lanze brechen,
sondern gönnen es ihm von Herzen, daß er von dem Organ seines
Freundes Jolly seine Mittheilung hat als unwahr bezeichnen
lassen müssen. Die Karlsruher Zeitung ist diesmal sehr prompt

Skizzen aus Ost-Indien.
Ron einem deutschen 8eemanne.
(Fortsetzung.)
Der Capitän suhr weiter: Hier war es beinahe stockfinster und ein un-
heimliches Gefühl überkam mich; doch was kümmerte mich das viel! Mit
meiner Stärke und meinen 36 Jahren hätte ich den Kampf mit IO Chinesen
oder Piraten ausgenommen, und so bummelte ich immer weiter. Ich war fast
bis an den Meeresarm gekommen und hörte deutlich das Rauschen des Wassers,
welches der rückkehrenden Fluth vorausgeht. Meine Augen aber suchten ver-
gebens die Finsterniß zu durchdringen und so beschloß ich nach kurzem Aufent-
halte, zur ü-tzneü tovn. dem Wohnsitze der wenigen in Singapore lebenden Eu-
" ropäer, zurückzukehren. Jetzt hörte ich ein dumpfes Brüllen, welches immer
näher kam und mir das Blut zu Eis erstarren machte. Ich hatte schon viele
Tiger brüllen gehört, in der Umgebung von Calcutta und tiefer im Innern
des Landes, uno konnte mich daher nicht täuschen. Instinktmäßig machte ich
meme Pistole schuhgerecht, lockerte mein großes Messer in der Scheide und be-
schleunigte meine Schritte, um zu menschlichen Wohnungen zu gelangen, wo ich
ziemlich sicher zu sein hoffte. Jetzt hörte ich das Brüllen in furchtbarer Nähe
und als ich mich umwendete, sah ich zwei Augen wie glühende Kohlen durch
die Dunkelheit glänzen. An Flucht war nicht zu denken. Ich schickte also ein
.^bet zum Himmel und empfahl meine Seele dem Allmächtigen. Die
glühenden Punkte waren in meiner unmittelbaren Nähe, etwa 15 Fuß von
m,r und unbeweglich. Die drohende Gefahr ließ mich meine ganze Kaltblütig:
kett wieder finden. Ich wußte, daß der Tiger jetzt zum Sprunge klar war,
' ' em ziemlich guter Pistolenschütz war, so drückte ich auf die Bestie
l nutzte ich sie nur leicht verletzt haben, denn im nächsten Augenblicke
» erhob sich, wie ich an den Augen merkte, das Thier und schnellte auf mich zu.
In ^rselben Secunde feuerte ich meinen zweiten Schuß ab und mit der linken
! mein großes scharfes Messer; dann fühlte ich einen Schlag und das
k Bewußtsein verließ mich.

Als ich wieder zu mir kam, hörte ich viele Stimmen an mein Ohr schlagen,
der Glanz vieler Papierlaternen blendete meine Augen und ich fühlte einen
brennenden Schmerz in meiner Schulter. Kaum bemerkten einige Leute —
Chinesen, wie ich jetzt sah — daß ich die Augen öffnete, so wurde mir eine
Calebaffe mit Rum an die Lippen gesetzt und einige Tropfen reichten hin,
meine Nerven so zu stärken, daß ich die Scene klar übersehen konnte. Nicht
weit von mir lag ein prächtiger Königstiger, mein Messer noch in seinem herr-
lichen Felle. Bor und nach entnahm ich aus den abgebrochenen, in schauder-
haftem Canton-Englisch gesprochenen Worten, daß die Chinesen durch die beiden
Schüsse herbeigezogen worden waren und den sterbenden Tiger in seinem eigenen
Blute auf mir liegend gefunden hatten. Die Bestie mußte sich im Sprunge
auf mein Messer gespießt haben, während ihr zugleich meine zweite Kugel
zwischen den Augen in den Schädel eingedrungen war; im Sprunge hatte sie
aber zugleich mit einem Hiebe der gräulichen Tatze meine Schulter zerschmettert;
hier könnt ihr noch den Denkzettel sehen, den ich vor drei Jahren erhielt.
Bei diesen Worten enblößte der Capitän seine Schulter und wir konnten
eine tiefe Narbe sehen, die sich bis auf die Brust h.'rabzog.
In meiner Cajüte könnt ihr noch das Tigerfell sehen und zugleich be-
merken, daß es an zwei Stellen durchlöchert ist, nämlich zwischen den Augen
wo die Kugel, und in der Gegend des Herzens, wo das Messer eingedrungen
ist. Das Fell wurde mir von der Regierung mit der auf die Erlegung eines
Tigers ausgesetzten Prämie übersendet und ich behalte dasselbe als ewiges An-
denken. Noch lange nachher, so schloß der Capitän seine Erzählung, hatte ich
in meinen Träumen Kämpfe mit Tigern, Löwen und ähnlichen Bestien auszu-
fechten und es könnte mir Jemand alle Herrlichkeiten Ost-Indiens versprechen,
wenn ich in diesem Piratennest Singapore Abends wieder an Land gehen
sollte. Ihr habt aber meine Erlaubniß, seid gewarnt, so geht mit Gott.
Nachdem er noch unsere Revolver inspicirt hatte, ließ er uns endlich gehen,
aber nicht, ohne noch jedem die Hand zu reichen und die Worte zu sprechen:
Vergiß nicht die malayischen Piraten, die Tiger und deinen Capitän.
(Fortsetzung folgt.)
 
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