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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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für Stadt


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Dienstag den 24. März

1868.


W Professor Holtzmann in Heidelberg
und die Katholiken.
(Schluß.)
Da sonach im Protestantismus eine äußere zwingende Auto-
rität nicht vorhanden ist, da Jeder seine eigene Glaubensnorm ist,
da Keiner sich im Vollbesitz der Wahrheit weiß, da Jeder gleich-
berechtigt in Glaubenssachen dem Andern gegenüber steht, so kann
es selbstverständlich Niemanden einfallen, in Glaubens- und Ge-
wissenssachen für Andere gültige Vorschriften geben zu wollen; eine
Behörde hiefür gibt es nicht, folglich auch keine Opposition gegen
eine solche. Sagt ja doch selbst der oberste Prälat der badischen
Landeskirche, der Vater unseres Herrn Professors, für sich und im
Namen des Oberconstistoriums: „daß sie ihre Geistlichen nicht an
der Schnur hätten". Gibt es ab->r nicht einmal eine Schnur für
die abhängigen Geistlichen, um wie viel weniger für die rurale
hängigen prot. Laien! Wo kein Hinderniß, da kein Widerstreben
gegen ein solches, darin möge also der Herr Professor den Grund
des von ihm beobachteten, aber nicht erklärten negativen Ver-
haltens eines großen Theils der protestantischen Bevölkerung gegen-
über der orthodoxen oder pietistischen Geistlichkeit finden.
Ganz anders verhält es sich mit der katholischen Kirche:
sie verkündet ihre Glaubenslehre nicht als menschliche, sondern als
göttliche Wahrheit, für die sie ebenfalls unbedingten, rückhaltlosen
Glauben fordert; sie lehrt kraft göttlicher Sendung und Vollmacht,
in deren Folgen sie in allen religiös - kirchlichen Dingen für ihre
Anordnungen Gehorsam und Unterordnung von Seiten ihrer Glie-
der in Anspruch nimmt. Der Glaubensinhalt ihrer Lchre ist keiner
Vervollkommnung fähig, so wenig als deren göttlicher Urheber,
bleibt unwandelbar derselbe zu allen Zeiten wie das ewige Wort,
von dem die Offenbarung ausaegangen. Twotzdem schließt die katho-
lische Kirche die freie wissentichaftliche Forschung auf ihrem Gebiete
nicht aus; denn sie weiß, daß die Ergebnisse derselben zu desto
freudigerer und entschiedenerer Glaubensübung undMaubensfestig-
keit führen, wie denn die katholische Kirche die größten Denker und
Gelehrten aller Zeiten unter ihren Vorstehern und Kirchenlehrern
zählt. Nur dort, wo die Anschauung des Einzelnen sich in Wider-
spruch setzen wollte mit der überkommenen Grund- und Gesammt
lehre des Christenthums, fordert die Kirche Unterwerfung unter die
Einheit. In clnbiis lilosrtus, in nseossuinib unita,8. Widerspruch
gegen die kirchliche Lehre, Auflehnung gegen die kirchliche Autoritär
schließt von der Kirchengemernschaft aus. In der katholischen Kirche
werden keine Parteien geduldet; ihre Duldung wäre ein Aufhören
der Kirche als der einen, der allgemeinen oder katholischen. Der
Katholik kann sich also in seiner Krrche nicht nach Belieben einrichten,
wie der Protestant, der keine sichtbare Kirche kennt. Der Katholik
steht als solcher bestimmten Glaubenslehren, bestimmten Gesetzen,
bestimmten Autoritäten gegenüber, die Glauben und Gehorsam,
somit auch Demuth und Selbstverläugnung, die Fundamentallugen-
den des Christenthums fordern. Unwissenheit, Schwäche und Bos-
heit haben zu allen Zeilen gegen diese Schranken der Selbstsucht
und des Stolzes offen oder verdeckt innerhalb der Kirche gekämpft.
Man versuchte es, den Einzelwillen entgegenzusetzen der Gesummt
kirche, die absolute Wahrheit zu beugen unter menschliche Willkür,
das ewig Unwandelbare zu verflüchtigen in den wechselnden Mei-
nungen der Zeit, mit einem Worte: man wollte das protestantische
Princip in der katholischen Kirche zur Geltung bringen. Alan gab vor,
nur das Joch der Hierarchie abzuschütteln, dagegen aber doch katho-
lisch bleiben zu wollen. Statt auszutreten aus einer Kirche, deren
Gesetzen man sich nicht.unterwerfen will, wie man es aus jeder
Gesellschaft weiß, deren Statuten man sich nicht fügen mag, Hal
man die Anmaßung und Charakterlosigkeit, sich sortwährend zu
einer Fahne zu bekennen, die man im Bunde mit seinen Feinoen
bekämpft, über Gewrssenstyranuei zu klagen, der man sich doch durch
den Austritt jeden Augenblick entziehen kann. Man hat nicht den
Muth zum offenen Abfall, aber den Muth der Heuchelei, um unter
dem Deckmantel erfundener Schlagwörter und auchkatholischer Phrasen
eine anscheinende Berechtigung zur Bekämpfung der verhaßten Kirche
zu besitzen. Die Erfolglosigkeit des unehrlichen Kampfes steigert
die Wuth, die Aufstachelung der außerordentlichen Bundesgenossen,
Lob und Beförderung, die der Judasse gegen die Mutterkirche war-
ten, thun das Uebrige, um in ehrlosem Treiben Scham und

Manneswürde vergessen zu lassen. Die katholische Kirche betrachtet
solche Namen- und Auchkatholcken nicht als die Ihrigen, die sie
heut zu Tage nur deßwegen nicht alsbald durch öffentliche Erklä-
rung von ihrer Gemeinschaft ausschließt, weil bei dem in der Ge-
genwart lebendiger und kräftiger hervortretenden katholischen Be-
wußtsein des Volkes dieselben dem öffentlichen Abscheu der wirk-
lichen Katholiken getrost übergeben werden können, von denen sie
wie Deserteure betrachtet werden, die m ineidig und fahnenflüchtig,
noch angethan mit der Uniform ihres Regimentes in den Reihen
der Feinde gegen ihr Vaterland kämpfen. Der absonderlich giftige
Haß, der im gesteigerten Kampfe dieser Ausreisser gegen frühere
Freunde, Wohlthäter und Stammesgenoffen zu Tage tritt, erklärt
sich aus dem Bewußtsein ihres Unrechts, ihrer Niedrigkeit und
Verworfenheit, in Folge dessen sie durch gewaltige Kraftanstrengungen
im äußeren Kampfe Andere an einen berechtigten Grund zur
Feindschaft glauben machen möchten. Herr Professor Holtzmann
begreift vielleicht jetzt die Ursachen des negativen Verhaltens seiner
Glaubensgenossen gegen seine Kirche. Der Protestant findet kein
Kampfobject; dem Namens-Katholiken, der den Forderungen seiner
Kirchs ledig werden möchte, ohne den Muth zu Haven sich offen
und ehrlich von ihr loszusagen, bleibt nichts übrig als der Versuch,
die ihm entgegenstehenden Schranken zu zerstören, wobei er denn
endlich an jenem merkwürdigen Stein ankommt, von dem der alte
„Mythenschreiber" Mathäus 21, 44 den berühmten „Weisen von
Nazareth" eine so drastische Schilderung machen läßt, und in dessen
Nähe, wie es scheint, auch der Protestantenverein bereits fein
Lager ausgeschlagen hat.
V.
Und nun noch eine rückständige Bemerkung für den Hrn.
Professor und seme Collegen, die Häupter des Protestantenvereins
zu Herdelberg. Er sagt nämlich: es sei „die schlimmste Parität,
wo eine Nachlässigkeit, die in der einen Kirche eingerissen ist, so-
fort zum Anlaß wird, der andern Kirche die bereits hervorgehen-
den Folgen zwangsweise aufzulegen", und daß er es einfach für
eine kirchliche Gewissens- und Characterfrage halte, einer solchen
Zumuthung zu widerstehen." Sehr wahr, nur mit der beiläufi-
gen Berichtigung, daß eine solche Nachlässigkeit in Betreff der Ver-
wendung von nur 2 statt 3 Stunden für den Religionsunterricht
katholischer Seiis nicht eingerisscn war, wie wir bereits nachge-
wiesen, und daß der versuchte Zwang für nur 2 Stunden prote-
stantischer Seils von dem „freudigen Herzen von Ladenburg" aus-
gegangen, dem die „aufgeklärten" Katholiken nur aus pflicht-
schuldiger Devotion gegen alle von der andern Seite kommenden
Anträge und aus den vom Hrn. Professor selbst als sehr „ehren-
voll und lobenswerth" gerühmten Gründen sammt ihren prote-
stantischen und jüdischen Collegen freudig zugestimmt haben. Also
auch hier Hallucinationen! Aber fragen möchten wir doch den
Hrn. Professor, wenn er von Parität spricht, von welcher Seite
die schlimmste Parität in unserm Lande geübt worden ist? Welche
Kirche ist nach den Anschauungen der andern in Baden gemaß-
regelt worden, die protestantische oder katholische? Welche Kirche
hat in Durlach getagt zu dem Zwecke, die andere Krrche zu zwin-
gen, auf die selbständige Regelung ihrer Angelegenheiten zu ver-
achten, rechtsgültig abgeschlossene Verträge zu verruchten und von
einer außerkuchlichen Macht Befehle zu empfangen? Nach welcher
Kirche Anschauung verbietet man der andern Kirche kirchliche An-
stalten zu errichten, die diese als ihre Lebensbedingung erachtet,
weil zu ihrem urcigenden Wesen gehörig? Welcher Kirche Anschau-
ung, weil sie ohne Staatshilfe nicht extftiren kann, zwingt der
andern Kirche die Nothwendigkeit auf, den Staat auf allen Lebens-
gebieten als alleinigen Gesetzgeber anerkennen zu sollen? Welcher
Krrche Anschauung belegt die andere Kirche mit den seinsollenden
Spott- und Schimpfnamen: Papismus, Romanismus, Ultramon-
lanrsmus, Jesuitismus, Pfaffenherrschaft, verknöcherte Hierarchie,
Reich des Anlichrists, babylonische H . . . ? Welche Krrche bezeichnet
oer herrschenden Gewalt die andere Kirche als Pflegerin von Un-
culrur und Finsterniß, als Protest gegen den Geist des modernen
Staates, als Feind aller Errungenschaften der modernen Curtur,
weßhalb sie nicht geduldet werden dürfe? Welcher Kirche Synoden
und ebenso Behörde dürfen die Bekenner der andern Krrche ohne
Grund und Ursache als tooeswürdige Verbrecher bezeichnen, ohne
 
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