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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 65-76 (3. Juni - 30. Juni)
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66. Samstag den 6. Juni 1868.


Der Bischof und der Minister des Friedens.
Die „Karlsruher Zeitung" belehrt uns, welche „bittere Er-
fahrungen" Se. Excellenz der Herr Minister Jolly gegenüber dem
Auftreten des seligen Erzbischofs Herrmann von Freiburg gemacht
habe. Was hat der greise Kirchenfürst gethan? Er hat die völker-
rechtlich garantirten Rechte der Katholiken vertheidigt, er hat die-
selben kirchlichen Befugnisse in Baden ansüben wollen, die er im
preußischen Hohenzollern ungestört ausübte. Deßhalb hat die Curie
den Frieden und die Ruhe des Landes gestört. Oavsaut 6ou-
8ul68!
Das badische Volk verlangt in seiner großen Mehrzahl Her-
stellung der Gemeinde-, Preß- und Vereinsfreiheit, Nichterhöhung
der Steuern und öffentlichen Lasten, die Herrschaft des Rechts-
staates. Das ist aber nicht das „Volk", das Volk sind nur die
Nationalliberalen, und die bösen Ultramontanen sind an der üblen
Stimmung schuld, die auf dem Volke lastet!
Der Staat ist von der Kirche getrennt, deßhalb soll die Kirche
und die christliche Religion keinen Einfluß mehr auf das öffent-
liche Leben haben; das öffentliche Leben, die Ehe, die Familie, die
Erziehung soll vielmehr ausschließlich vom Staate beherrscht wer-
den. Dagegen darf sich die Kirche nicht vom Staate trennen;
sie muß dem „modernen Staat" die Verträge halten, die er hin
tenansetzt und aufgegeben hat. Sie muß ihm dieselben Rechte be-
lassen, die sie dem christlichen Staate einräumte. Sie muß sich
von dem ihr abholden, modernen Staat bevormunden lassen, sonst
stört sie den Frieden.
Die Freiheit der kirchlichen Aemterbesetzung wird gehemmt,
katholische Stiftungen werden der katholischen Verwaltung entzogen,
oen Katholiken und ihrer Kirchenbehörde wird jeder Einfluß, jede
Aufsicht über Vie Verwaltung und Verwendung der karholischen
milden Lüftungen vorenthalten. Die national liberale Presse und
Versammlungen schmähen ungestraft katholische Lehren und Insti-
tute, sowie die katholischen Kirchendiener. Das Kloster Adclhauscn
wird den Katholiken entzogen. Die katholischen Geistlichen sollen
eine Staatsprüfung machen, wie sie in keinem Lande besteht. Die
katholischen Eltern sollen ihre Kinder in Schulen senden, welche
lediglich unter der Regierung stehen und dem Einflüsse der Kirche
entzogen sind und als Preis für dieses „edle Recht" erhöhte Schul-
steuern zahlen und obendrein noch den Ausfall an der Besoldung
der Messner und Organisten decken. Die wichtigsten Kirchenstellen
sollen nicht so sehr mit unabhängigen, eifrigen, kirchentreuen Prie-
stern und Katholiken als mit Männern besetzt werden, welche
Sr. Excellenz dem nicht katholischen Minister Jolly genehm oder
nicht genehm find. Alle diese Angriffe gehen doch nicht von der
Kirchenbehörde aus! Wenn sie aber die Rechte der Katholiken ver-
theidigt, so hat die „Curie" den Frieden gestört. Warum fügt sich
die Kirchenbehörde nicht im pflichtschuldigem Gehorsam den Anord-
nungen des für das „wahre Wohl der Kirche" sehr besorgten
Herrn Ministers?.
Nicht derjenige, welcher ein Recht bestreitet oder angreift, son-
dern derjenige, welcher es vertheidigt, stört den Frieden.
Es darf kein Bffchof gewählt werden, welcher die chinesische
Ruhe des modernen Staats nicht liebt oder ein Gegner dieses
Staates ist. Der heutige, d. h. der moderne Staat der" National"
liberalen erkennt keine Frechheit der Kirche, der Corporationen,
überhaupt kein Recht an, welches er, die herrschende Partei, nicht
auf Widerruf gewährt. Alles soll vom modernen Staat bevor-
mundet werden; alle Rechte und so auch die christliche Religion u.
die confessionellen Rechte dürfen nur so bestehen, wie es der moderne
Staat will. Die Verteidiger des Rechtsstaats, der Freiheit der
Religion und Kirche sind deßhalb die Feinde des nationalliberalen
Staats. Ihnen darf keine öffentliche Stelle anvertraut werden,
wnst wäre das Regieren nicht so leicht. Der moderne Staat braucht
Ruhe, wer wagt es sie zu stören? .
Die Carthager haben sehr weise gehandelt, als sie auf Befehl
ihrer Todfeinde, der Römer, ihre Schiffe, ihre Vertheidigungsmittel
vernichteten ihren tüchtigsten Feldherrn verbannten und den an
die Spitze ihres Gemeinwesens stellten, den die Groß Römer woll-
dieser Bedingung erhielt ja Carthago den Frieden des
Grabes. Die Karthager waren aber damals besiegt, das sind die
Katholiken in Baden wahrlich nicht und Herr Jolly ist kein Scipio.

Das Domcapitel von Freiburg kann auch den Frieden
haben, wenn es nicht darauf besteht, daß Vertheidiger der katho-
lischen Rechte, sondern Geistliche nach dem Herzen Jolly's auf der
Liste der Kandidaten für Rn erzbischöfl. Stuhl verbleiben. Die
Kirche bedarf ja in dieser entscheidungsvollen Zeit eines Bischofs,
welcher — die Waffen streckt. Aber nicht das Domcapitel, welches
auf seiner Liste beharrt, weil sie dem bestehenden Recht entspricht,
sondern der Herr Minister, der sie entgegen der maßgebenden
Bulle ack ckowiiüol ZreZi8 6U8toäio.lL verworfen hat — liebt den
Frieden. Herr Jolly, a's8t la xaix!
SüddeutschLand.
* Heidelberg, 3. Juni. Endlich hat die Karlsruher Zei-
tung sich gnädigsi bewogen gefunden, über die Erzbischofswahl den
Mund zu öffnen. Sie gesteht zu, daß von allen präsemirten
Candidaten nur Herr Domcapitular Orbin als xsr8ouu Zruta-
Gnade von staatlicher Seite gefunden hat. Außer Bischof Kette-
ler von Mainz, bei dessen Namen sämmtliche Büreaux in der
Residenz eine Gänsehaut bekommen, sind auch die preußischen
Candidaten von der Liste weggestrichen. Letzteres ist besonders
deßhalb interessant, weil es in dem Artikel heißt: die Regierung
wolle keinen Bischof von derjenigen kirchlichen Richtung „deren
Anhänge^ die Verlüugnung und Bekämpfung des heutigen. Staates
als erste Aufgabe betrachten." Ist das nicht lustig? Als ob die
preußische Regierung, die mit ihren katholischen Bischöfen ganz
gut auskommt, überhaupt sich eine derartige Bekämpfung gefallen
ließe! Daß Bischof Kübel nicht für genehm befunden wurde, dürfte
uns nach den anfänglichen Lobhudeleien wundern, die bei dessen
Ernennung zum Domdecan von der servilen Presse zum Besten ge-
geben wurden. Am komischsten aber ist die gnädig-herablassende
Versicherung der Karlsruher Zeitung, daß die Regierung „völlig
neutral sogar (!) gegen die rein kirchliche Richtung der vorgeschlage-
nen Candidaten" sei, als ob dem Domcapitel auch zugemuthe: wer-
den könne, einen nicht kirchlichen Candidaten der Regierung zu
empfehlen! Doch wozu weiterer Worte? Der kirchliche Cooflict wird
durch diesen Vorgang noch weiter geschärft werden und Herr Jolly
ebenso wenig Lorbeeren dabei ärndten wie bei seinen bisherigen Maß-
regeln, die sammt und sonders verunglückt sind.
* Heidelberg, 3. Juni. Wie wir vernehmen, wurde in der
am 27. v. M. dahier abgehaltenen Versammlung evangelisch- pro-
testanüscher Geistlichen (Protestpartei) beschlossen, das Präsidium in
den Ortsschulräthen niederzulcgen, indem unter den dermalen be-
stehenden Verhältnissen dasselbe keine ersprießliche Wirksamkeit dem
Geistlichen eröffne. Wir geben diese MMHeilung mit Vorbehalt,
glauben sie aber aus einer guten Quelle erhalten zu haben.
fist Aus der Pfalz, 2. Juni. Die Augsburger Allg. Ztg.
sagt in ihrer letzten Samstagsnummer in einem Leitartikel „Zu-
stände Badens nach SOjährigem Verfassungsleben" überschrieben,
unter Anderm:
„Täglich jedem Unbefangen merkbarer werden eben alle ge-
funden Keime unseres Staatslebens vom einseitigen Militarismus
überwuchert, der sür die Lage und die Verhältnisse unseres Lan-
des so unpassend und unerträglich als möglich ist, und schon deß-
halb für die zu erstrebende Nationaleinigung den hohen Werth
verdienstvoller Opferwilligkeit nicht haben kann, von dem man
eitel rudmredet, obgleich man damit unser Volk jenem hohen Ziel
nur abgeneigt zu machen vermag.
Nimmt man zu alledem noch die unglücklichen Preßprozesse
wegen „Erregung von Haß u. Verachtung durch grobe Schmähun-
gen" als Illustrationen unseres gewesenen (?) Musterstaats vom
besten Ruf, fo kommen allerdings Kennzeichen drohender Gefahren
genug zusammen, welche nicht leicht eine Welfenzuversicht auf-
kommen lassen."
Ferner wünscht dann der betr. Correfpondent, daß bei der
Verfafsungsfeier das große Wort nicht wieder Männern überlasten
werde, „welche ausreichend gezeigt haben, daß sie weder Character
noch Interesse des badischen Volkes verstehen und vertreten können
und welche ihre sonstige Begabung und die in Baden gewonnene
Stellung nur im Interesse eines andern Staates und einer in
diesem ihnen vorschwebenden Rolle zu verwerthen suchen, während
sie sich zum Theil noch das Bürgerrecht eines dritten Gemein-
wesens (merkt der Leser was?) vorbehalten, das sie vor jeder Be-
 
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