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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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und Lund.

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Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

.4° 116.

Donnerstag den 1. October

1868.


Bürgermeister Baumer.
* Heidelberg, 28. Sept. Wir hatten, wie wir in der letzten
Nummer schon erwähnten, gestern die Freude, den vielversolgten,
charakterfesten Bürgermeister Baumer von Untersimonswald als
Gast in unserem Vereinshause zu begrüßen; auch unser erster Vor-
stand Lindau ist nun wieder neu gestärkt aus dem Waldgebirge
zurückgekehrt und hat den biedern Schwarzwälder in unserem Casino
eingeführt. Hier erfuhren wir eine Reihe von Einzelheiten aus
dem Munde des unschuldig verfolgten Mannes, der durch fein
schlichtes, gewinnendes Wesen, durch seine imponirende Gestalt, durch
seine Frische und Gesundheit an Körper und Geist auf Alle den
günstigsten Eindruck hervorrief: es tauchte die Erinnerung an die
ioealisirten Bauerngestalten in unseres Dichters Tell bei uns auf,
— wir fanden sie in diesem Manne zur Wirklichkeit geworden.
Die Verhandlungen im Prozeß Baumer sind noch zu frisch
in Jedermanns Gedächtniß, als daß wir sie nochmals hier recapi-
tulireu sollten. Was uns unbegreiflich dabei schien, war der Um-
stand, daß eine Majestätsbeleidigung leise, ganz unhörbar leise in's
Ohr geraunt wird, so daß sonst Niemand sie vernommen haben
kann. Ei, potz Element, da kann Jeder kommen und aus Rachsucht,
wie es hier der Fall war, seinen Gegner an's Messer liefern, ohne
daß dieser auch nur ein Sterbenswörtchen zu ihm gesprochen hat!
Das war es denn auch was der Vertheidiger, Herr Oberhofgerichts-
advokat Wedekind, in einem Vergleiche dahin kennzeichnete, daß
er erklärte, nicht der sei der Schuldige, der auf einen Zettel Papier
unehrerbietige Aeußerungen gegen den Fürsten schreibe und diesen
unter Schloß und Riegel in seinem Pulte verberge, sondern viel-
mehr derjenige, der verstohlener Weise diesen Pult erbreche und den
dort gefundenen Zettel aller Welt zur Kenntniß bringe. Nicht an-
ders, — so mußte auch der Gerichtshof erkennen: die Frage, ent-
schied er, ob eine Majestätsbeleidigung auch dann anzunehmen sei,
wenn sie einem Dritten leise in's Ohr geflüstert werde, könne nicht
Gegenstand der Erörterung des hohen Gerichtshofes fein. Vortrefflich!
ist doch die Antwort auf diese Frage so sehr im gesunden Menschen-
verstände begründet, daß sie gar nicht anders als in dieser weg-
werfenden Fassung ertheilt werden konnte.
Herr Baumer ist nun frei und wird seinen Dienst als Bürger-
meister, von welchem man ihn suspendirt hatte, in seiner Gemeinde
wieder antreten, ja noch mehr, er wird ohne Zweifel mit großen
Freudendemonstrationen unter den biedern Schwarzwäldern seines
Thales ausgenommen werden zum nicht geringen Aerger derer, die
im Wege der fchandvollsten Denunciation, die die ba-
dische Geschichte kennt, diesen Ehrenmann zu Grunde zu rich-
ten gedachten. Die Liebe seiner Mitbürger wird ihn reichlich ent-
schädigen für die vielen und schweren Unbilden, welche er — ein
schuldloser Mann — hatte ausstehen müssen. Um nur Eines her-
vorzuheben, so hat man Bürgermeister Baumer nach einem kurzen
Verhör in Untersimonswald mit Gensdarmen, als die Nacht bereits
eingebrochen war, von da nach Freiburg gebracht und ihn dort
in 22tägiger Untersuchungshaft gehalten. Wir fragen: wozu war
es nöthig, den Mann in's Gefängniß zn werfen? Das Einsperren
hat doch nur dann einen Sinn, wenn man bei irgend einem Vaga-
bunden befürchten muß, er trachte darnach sich dem Richter zu ent-
ziehen und das Weite zu suchen; konnte man dies aber von Bau-
mer annehmen, der abgesehen von einem bedeutenden Capital- und
Fahrnißvermögen, einen so großen liegcnschaftlichen Besitz hat, daß
er den norddeutschen Rittergütern gleichkommt? Konnte man es
annehmen von einem Manne, der als der liebreichste Gatte und
Vater in seiner Heimath bekannt ist? Aber selbst angenommen,
es wäre so etwas zu befürchten gewesen, — konnte man sich da nicht
an seinem großen Vermögen schadlos halten und damit auch den
Abwesenden schwer bestrafen? Doch nein, — all'diese Erwägungen
fanden kein Gehör, Gensdarmen waren nöthig, um den Mann
fortzutransportiren, dem sein gutes ehrliches Gewissen verboten
hätte, sich seinem Richter zu entziehen, sie waren nöthig, um den
Mann zu demüthigen, zu beugen und durch die angethane Schmach
der Escorte eines Verbrechers in de.. Augen seiner Mitbürger zu
erniedrigen.
Und welchen Mann haben die Gensdarmen aus seiner Ge-
meinde fortgesührt: einen Majestätsbeleidiger, hören wir sagen, —
nein, pfui rufen wir entgegen, ein Mann wie Baumer kann gar

kein Majestätsbeleidiger sein, seine ganze Vergangenheit spricht laut
und entschieden gegen jede solche Annahme. Wie Viele gibt es denn,
die in gefahrvoller Stunde zum Großherzog standen, dem Vater
unseres jetzigen Landesfürsten, damals als das ganze Land in den
Flammen der Revolution stand? Wie viele Beamte blieben ihrem
Eide treu? Wer sind die Denuncianten Baumer's, — haben sie
damals nicht auch der Revolution zugejubelt? Was aber hat
Baumer gethan? Er hat sich damals als ganz junger Mann
muthig und entschlossen dem Commissär der revolutionären Regie-
rung, Reich hieß er, entgegengestellt und die Bürger in Ansprachen
aufgeforoert, dem tollen Treiben nicht zu folgen, sondern dem Für-
sten und der Verfassung treu zu bleiben. Baumer sollte verhaftet
werden, — aber im letzten Augenblick noch gewarnt, verließ er mit
einigen Kronenthalern in der Tasche und zwei Pistolen im Gürtel
durch eine Hinterthüre seinen Hof, als schon sechs Soldaten über
die Wiesen in raschem Schritte seinem Hause zueilten. Baumer
hielt sich 14 Tage im Walde verborgen auf, wo er ohne die Klei-
dung zu wechseln beständig auf der Huth sein und Nachts unter
einer Tanne schlafen mußte. Nur mit größter Vorsicht konnte er
es ab und zu wagen, einem befreundeten einsam stehenden Hause
zuzuschleichen, um sich dort vor dem Hungertode zu schützen. Aber
auchfin dieser Einsamkeit war ihm keine Stätte gegönnt: Arbeiter,
die der neuen Regierung zugethan waren, trafen ihn im Walde
und wollten ihn gefangen nehmen; aber die ihnen entgegengehaltenen
Pistolen Baumer's thaten die gewünschte Wirkung, — die Feiglinge
liefen davon. Für Baumer jedoch bot sein stiller Aufenthalt jetzt
keine Sicherheit mehr; er wanderte nach Neukirch, wo er sich als
Taglöhner ausgab und dem dortigen Accisor, einem schlachten-
ergrauten Veteranen der österreichischen Armee, die Wiesen mähte.
Da klopfte es eines Nachts am Laden des Zimmers, in wel-
chem Baumer in einem Lehnsessel schlief. Es war ein Freund
Baumers, der allein um feinen Aufenthalt wußte: er verkündete
ihm die Befreiung, die Niederlage der Revolution. Ohne sich auf-
zuhalten, verließ nun Baumer das Haus und eilte zu den Seinen.
Der gemüthliche Accisor — und auch das sei nebenbei erwähnt
— zerbrach sich mit ganz Neukirch am folgenden Morgen den
Kopf über das Verschwinden seines Arbeiters, der ihn nicht, wie
er zuerst vermuthete, bestohlen, ja, der selbst seinen Lohn im Stich
und sogar noch ein Taschentuch zurückgelassen hatte. Aber er
sollte nicht lange in Zweifel sein, Baumer schlickte ihm eines Tages
eine Einladung nach seinem Hof, bewirthete ihn reichlich und belud
den Wagen des Heimkehrenden mit schweren Säcken voll Aepfel
und Kartoffeln. Das, lieber Leser, ist der Majestätsverbrecher
Baumer, — wer die sind, die wider ihn Zeugniß gaben, verlange
lieber nicht zu wissen. Auch der brave Mann hat seine Feinde,
er wäre kein Mann von Charakter, wenn er keine hätte, — wen
aber die Säufer und die Lumpen hassen, der verdient gewiß die
Hochachtung seiner Mitmenschen in ungewöhnlich hohem Grade.
Damit verlassen wir Baumer und seinen Prozeß, in welchem
136 Eide geschworen wurden, — die seine Verurtheilung nicht
herbeizuführen vermochten! Und das ungefähr und noch mehr war
es denn, was von Herrn Dr. Vissing in warmer Rede den ver-
sammelten Vereinsmitgliedern und ihren Familienangehörigen vor-
geführt wurde, an deren Schluß die Anwesenden mit dreifachem
Hoche unseren Freund Baumer begrüßten, worauf dieser in der
kernigen Weise eines ächten Schwarzwälders seinen Dank aus-
sprach. Die imponirende Gestalt dieses biedern Mannes hat einen
tiefen Eindruck bei allen Anwesenden hinterlassen. Möge er Heidel-
berg in freundlichem Andenken behalten!
Süddeutschland.
* Heidelberg, am Michelstag. Von dem Herrn Gymnasiums-
direktor Dr. Schlegel in Tauberbischofsheim ist uns zur Ver-
theidigung des in Nr. 114 unseres Blattes angegriffenen Herrn
Stadlpfarrer Dr. Rombach eine Erklärung zugegangen, die —
wollten wir sie vollständig abdrucken — den größeren Theil unseres
Blattes den Lesern des Pfälzer Boten entziehen würde, da diese
sich bedanken dürften, die ihnen widerwärtigen Lobhudeleien auf
den „augeliebten" Oberamtmann Dr. Schmieder mit in den Kauf
zu nehmen. Hr. Dr. Schlegel appellirt an unsere Unpartei-
lichkeit im Eingänge seines Schreibens, um seine Bitte zur voll-
ständigen Aufnahme seiner weitschweifigen Auseinandersetzung zu
 
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