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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 90-102 (1. August - 29. August)
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102. Samstag den 29. August 1868.


* Die Lücke.
Herr General v. Beyer, der jetzige badische Kriegsminister,
hat sich, so viel wir wissen, erst zweimal öffentlich hören lassen.
Das erstemal im Jahr 1866 als Commandeur einer preußischen
Division beim Einrücken in Kurhessen, und zwar vermittelst einer
Proclamation an das dortige Volk. Was in letzterer versprochen
und wie wortgetreu es gehalten wurde, ist allbekannt. Die zweite
und letzte öffentliche Ansprache des Herrn Kriegsministers erfolgte
vor wenigen Tagen bei der Feier des Verfassungsfestes in Karls-
ruhe; sie war seine Jungfernrede für Baden. Eine derartige Rede
muß möglichst nachsichtig beurtheilt werden; denn das Ungewohnte
des öffentlichen und freien Vortrags läßt oft das Geistvollste ver-
gessen, und der Redner ist alsdann geuöthigt, mit Formellem und
mit einem oder dem andern Stichwort sich zu behelfen. Wir kennen
Herrn v. Beyer allzu wenig, um in dieser Beziehung ein Unheil
abzugeben, — wir müssen uns daher begnügen, uns an die-
jenigen Worte des geehrten Redners zu halten, wie sie in der
Karlsruher Zeitung zu finden sind.
Herr v. Beyer gibt zunächst die Versicherung, „daß er
trotz der Kürze der Zeit schon ein guter Badener geworden ist, was
ihm nicht schwer fallen konnte, da er deßwegen nicht aufzuhören
brauchte ein guter Preuße, d. h. ein guter Deutscher zu bleiben."
Wir zweifeln um so weniger an dieser Versicherung, als er wohl
sonst der erste Preuße sein würde, der mit 16,000 fl. Besoldung
nebst prachtvoller Dienstwohnung nach Baden berufen, nicht ein
guter Badener geworden wäre. Gerne hätten wir auf die zweite
Versicherung verzichtet, da sie für ein badisches Fest weniger passend
und viel mehr für Berlin berechnet ist.
Die Würze des Beyerischen Vortrags bildet das Wort „Lücke".
Viermal in der kurzen Rede zu Tage befördert, fordert es uns zu
einigen Bemerkungen auf. War es uns auch nicht vergönnt, „unsere
Aufmerksamkeit von der gewaltigen, imponirenden Gestalt des be-
rühmten Generals mit dem Hellen, scharf geschnittenen, plastischen
Soldateukopfe fesseln zu lassen" (s. Bad. Landesztg. Rr. 198 vom
25. August), so hat uns doch das Zugesiändniß einer Lücke in
unserer Verfassung um so angenehmer berührt, als wir bisher ge-
wohnt waren aus osficiellem Munde nur von dem „Musterstaat
Baden" reden zu hören, der keine Lücke aufkommen lassen kann.
Ganz einverstanden sind wir daher mit dem „berühmten" General,
daß der Wegfall des Z 1 der Verfassung, der also lautet: „Das
Großherzogthum bildet einen Bestandtherl des deutschen Bundes",
eine Lücke veranlaßt hat; ja wir glauben sogar raß das Haupt

fundament unserer Verfassung damit untergraben ist; denn ein
Staat wie Baden mit seinen 274 sssj Meilen kann seine Existenz
kaum anders als in einem Bundesverhältniß sichern. Dies haben
die letzten 50 Jahre bis zum Bürgerkrieg 1866 sattsam bewiesen
und erst von dieser Zeit an datiren die Befürchtungen über den
fernern Bestand des badischen Staates.
Herr v. Beyer meint nun, daß „jene Lücke gewiß nicht
zu unserem Leidwesen erzeugt worden sei." Hat der
verehrte Redner wohl zuvor bedacht, wie empfindlich diese Behaup-
tung das badische Volk berühren müsse? Hat er sich nicht seinen
Standpunkt vorher klar gemacht, daß eine solche stolze Sprache
keinenfalls einem badischen Kriegsminister anstehl? Seine Rede
galt nicht etwa den um ihn versammelten Ministerialräthen und
anderen untergeordneten Dienern, sondern sie galt dem gesammten
badischen Volke. Und der Herr Redner mußte wissen, wie letzteres
im Jahre 1866 dachte und fühlte, mit welcher Begeisterung es an
der Sache des deutschen Bundes hieng, mit welcher Kampfeslust
unsere Truppen in den Krieg zogen und welche enthusiastische Auf-
nahme die durch Baden ziehenden Bundestruppen allüberall fanden,
welche Trauer in ganz Baden sich kundgab nach der Schlacht von
Könniggrätz und nach den Kämpfen am Main und an der Tauber!
Besaß doch der König von Preußen, sowohl in seinen schriftlichen
als mündlichen Ansprachen an die Hannoveraner und andern
anncctirten Volksstämme, so viel Tact, die innersten Gefühle seiner
neuen Unterthanen bezüglich ihrer früheren Verhältnisse zu respec-
tiren, ja zu loben, — wodurch haben wir es in Baden verdient, nun
aus einem Ministermund hören zu müssen, daß der deutsche Bund
nicht zu unserem Leidwesen zu Grunde gegangen sei? Könnte
Herr v. Beyer seine vage Bihauptung durch einen Hinweis aus
die Stimmung in Nassau, Frankfurt, Kurhesseu, Hannover und
Schleswig-Holstein unterstützen, dann wollten wir unserer gerechten
Entrüstung keinen Ausdruck verleihen, und es freut uns daher
auch, daß keiil anderer Festredner im badischen Lande in dieser
Weise die Gefühle verletzt hat.
Wollte Herr General und Kriegsminister v. Beyer doch ein-
mal von den Lücken in Baden sprechen, so hätte er nach unserm
Dafürhalten besser daran gethan, stner Lücken zu gedenken, die der
frevelhaft heraufbeschworene Bruderkrieg hinterlassen hat, jener
Lücken, veranlaßt durch dis Kugeln, durch die Cholera, durch die
Verwüstungen und Einquartierungen, wie durch das abhanden ge-
kommene Ncchtsgefühl; er hätte besser daran gethan, das Verspre-
chen zu geben, daß so vielerlei neuere Lücken möglichst gut uud
möglichst bald ausgesüllt werden sollten, welche in Folge der er-

Das Sturmlicht von Haklarsholm.
Eine Strandgcschichte.
(Fortsetzung.)
Nach manchem Wortknmpfe, wie er gewöhniglich zwischen der aitnr und
jungen Generation beim Betreten einer Laufbahn vorkonnnt, erhielt Vextel die
Erlaubniß der Eltern, sich an einen ent'eiuten Verwandten seiner Mutter zu
inenden, welcher zufällig im dänischen Eabinet saß, und sich nm irgend eine An-
stellung zu bewerben. Der große Manu war gerade gnädig gestimmt und ließ
sich nicht lange bitten; aber die einzige Anstellung, welche er vergeben konnte,
war weder bedeutend nach sonderlich aut bezahlt und in der serneu ostindi
scheu Eolonie Trankebar, Der Frechere und seine Galtin fcandalisirten sich zwar
nicht wenig daß man es wage, dem Erben von Hnklarsholm eine derartige
Stelle anzubieten ; allein der junge Mann wollte den einzigen Weg zu künftigem
Fortkommen, welcher sich ihm darbot, nicht verschmähen, und da sie nicht woll-
ten, daß er in der Heimath ein Gewerbe oder Hantierung ergreife, welche der
Familie zur Schande gereicht haben würde, so mußten sie ihn endlich ziehen
lassen, und V xtel segelte nach Indien ab.
Der Abschied war ein tief erschütternder; der Baron war, wie die Diener-
schaft fugte, am Wahnwitz, und der Baromn wollte schier das Herz brechen.
Aber Vstxlel erreichte glücklich Trank, bar und sandte die befriedigsten Berichte
über fein Befinden, Thun und Treiben und seine Aussichten nach Haufe. Da
heim floß der den Eltern das Leben im gewohnten Gleise hin, ohne daß der
Naron venückr ward oder dar Baronin das Herz brach; vielmehr s tzte der
Freiherr den alten Hader mit den Pächtern »nd Fächern noch immer fort und
die Baronin klagte nach wie vor über den Zerfall der guten alten Zeiten. Sie
wußten leider noch knapper leben, als ehedem, weil die ganze Ausrüstung
V xtels an di? creditirenden Juden von Kopenhagen noch mit hohen Zinsen
zu be-muleu war und d.e Strandgüter an Tang, Wracks und Walisischen auch
wchl io häufig e »liefen, wie man im Schlosse hätte wünschen mögen. Allein
schon zu Anfang des zweiten Winters kam Hilfe; Vextel hatte nicht vergebens
im eltertichen Hause sparen gelernt und erwies sich als guter Sohn, denn er

erübrigte von seinem knappen Gehalt 100 Reichsthaler und sandte sie seinen
Eltern zum Geschenk.
Man glaubte, der Baron habe nie so viel Haares Geld in der Tasche ge-
habt, als an dein Abend, wo er von Aal barg nach Hause ritt, nachdem er
von dein dortigen Bankier die daselbst angewiesene Su nme in blanken Toalern
erhob.» hatte. Dieser Ritt war mit großer Heimlichkeit unternommen worden,
denn es sollte nicht bekannt werden, daß der Grundherr von Haklarsholm wie
ein gewöhnlich r Pächter, ohne Ku.scher und Begleiter, reisen mußte ; der Baron
hatte daher vor Tagesanbruch sein einziges Pferd, den a ten Grauschimmel, be-
stiegen, war das Thal hinaucherstten rind droben in die nach Süomesten füh-
rende Landstraße eingebogen. Der Weg hin und zurück betrug mehr als eine
Tagereise rind da er in der Stadt nicht übernachten, sondern gleich nach Besor-
gung seines Geschäftes wieder he.mreiten wollte, so hotte er unter seinem grauen
alten Mant.'l eine Laterne aus norwegischem Spath von alter Arbeit, ein Erb-
stück in der Familie, mitgenommen, damit er sich bei dem nächtlichen Ritt, über
die Sandhügel, dein nächsten Weg nach Haufe leuchten konnte. Cs war spät
im Oktober, dein ersten und stürmischsten der zwei Wintermonate in Jütland,
und der Abend begann mit einem Sturme; ein starker Ostwind trieb Schauer
von Schlossen um sich her und stürmte gerade von der Ostsee herein über die
Sandhügel und auf dem ganzen Heimwege dem Barone gerade in's Gr st'.'.
Allein Dank seiner norm gischen Laterne, die dem Sturm zum Trotz forlbranate,
hielt er s inen Cours ein und wußte die N benwege zu vermeiden, welche nach
den angränzenden Tholern führten und ebenso die steilen sandigen Abhänge,
die nach dem Meere Puanter abfielen, welch s jetzt se ne Wogen fadentief über
den schmalen Strand hereinwäizte. Er ritt tüchlig sürbaß und erreichte mit
stimm guten P erde und seinen hundert Thalern das Schloß Hallacsholm,
als d-ssen ' tl.hr gerade zehn tt >r schlug. Die Baronin war sehr froh, ihn
wi.derzus.oen, und durfte es auch, denn nach se.ner Ankunst nahm der Sturm
von Minute zu Minute an Hestigke.L zu, bis ein vollkommener Orkan daraus
wurde.
(FcrtP)ung folgt.)
 
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