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ü.
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1868.
Samstag den 4. April
Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.
Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.
* Nochmals der „Bürgerabend."
' Es thut uns leid, daß die Heidelberger Zeitung die soge-
) nannte Rede Bluntschli's nicht in einer Nummer brachte, sondern
' daß wir nach geschriebenem ersten Aussatze nochmals derselben im
' weiteren Verlaufe Erwähnung thun müssen. Doch brauchen unsre
Leser nicht zu fürchten, daß wir allzuviele Worte über den Sal-
bader des Herrn Professors machen würden, — das ganze nichts-
V sagende, alberne und durch den Mangel jedes Beweises um so
wertlosere Geschwätz hat dermaßen unsern Eckel erregt, daß wir
w auf das Nöthigste uns beschränken zu müssen glauben.
Herr Bluntschli nennt sich und die Seinigen vorzugsweise die
„gebildeten Klassen", — Alle die für uns gewählt haben, sind
damit natürlich dumme Leute, Simpel, Gimpel, Stimmvieh. Die
E, Protestanten hätten alle für die gothaisch-verbluntschlite Partei ge-
s. wählt, — die Protestanten seien also alle grundgescheidte, „intelli
gente" Leute. Die Katholiken seien nur zum Theil gescheidt, näm
lieh diejenigen, die mit Bluntschli und Genossen gewählt haben,
die überwiegende Mehrheit derselben sei dagegen strohdumm, am
dümmsten jedenfalls die in Walldürn. Dies der Sinn von Blunt-
schli's confessioneller Aufastung. Daß er damit jenen Heidelberger
" Philistern schmeicheln wollte, die mit Cigarre und Bier um ihn
herumsitzend, ganz die nämlichen Bierhausansichten theilen wie der
Herr Professor, versteht sich von selbst, da die hiesigen Bürger der
.. gothaischen Richtung von jeher an der „Großmannssucht" leiden
" und das Auge des bewundernden Europa's auf sich gerichtet glau
ben. Sie gehöreu nach Bluntschli unter die „gebildeten Klaffen",
E sie sind so verteufelt „intelligent", daß schon AristophanesMadler
darüber in poetische Entzückung gerarhen ist. Nun, nun, Herr
Bluntschli, ein Bischen langsam, und Ihr Männer des Bürger-
in Abends, nicht gar so stolz! Seht einmal, Ihr Herren, Ihr müßt,
i- wenn Ihr so „intelligent" sein wollt, auch einen Brweis dafür geben,
und zwar gerade an Euerem „Bürgerabend". Wie heißt: „Bürger-
E Abend"? Doch wohl, wenn die Bürger ihre Ansichten in offener
Versammlung kundgeben und ihrer Ueberzeugung in verständlicher
g. Rede Ausdruck verleihen. Wer hat denn aber gesprochen an dem
„Bürger Abend"? Zwei Universitälsprosefforen und ein Verwal-
tungsbeamter! Ha, h^, das nennt man „Bürger-Abend"! Es
müßte denn gerade sein, daß man es sür eine Rede gehalten hätte,
wenn „Bürger-Präsident" Abel ausrief: „die Versammlung ist
eröffnet; Herr Bluntschli hat das Wort", oder wenn der Nämliche
erklärte: „ich danke dem Herrn Geheimerath für das geist-
volle-re".
-- -
Der schwarze Gentleman.
W Aus den Erinnerungen eines Arztes,
k '
(Fortsetzung.)
M
Mag man ihn noch so sehr lieben, muß man ihn immer auch ein wenig
fürchten, und bei dem Gedanken, daß die zwischen meinem Bruder und mir
ausgetauschten Gelübde ihm mitgetheilt werden müßten empfand ich ein Ban-
gen, welches ich mir selbst zum Vorwurf mache. Kaum wagte ich seinen düstern
k« "uf mich gerichteten Blicken zu begegnen, als der Vater die Erklärung in
unserer Gegenwart abgab. Aber Edmund empfing sie mit einem freundlichen,
wenn auch schmerzlichen Lächeln. Glaubtet Ihr denn, sagte er, zu uns gewen-
det, daß ich's nicht schon längst wußte? Euer Geheimniß gehörte mir, bevor
Euch selbst klar geworden, und mit Eurer Verbindung geht mein liebster
!- Wunsch in Erfüllung. Ich habe nur diesen Augenblick erwartet, um Euch
nntzutheilen, daß auch ich mir eine Lebensgesährtin gewählt habe. Noch eine
kurze Zeit und drei glückliche Familien werden dies Schloß bewohnen.
.Edmund verheirathet sich, meine Therese, und obgleich mir strenge Ver-
L ichwiegenheit auferlegt ist, würde ich mich doch an unserer Freundschaft zu ver-
,!, lundlgen glauben, wenn ich Dir ein Geheimniß daraus machen wollte. Du
' kennst den endlosen vergeblichen Proceß wegen des Ritterguts Rosenberg bei
Besitzer, dem meine Wohlthäter das Eigenthum streitig
Z machen, hat keine Kinder. Seine Erbin ist eine Nichte, welche sehr schön sein
I - ""d die Vermählung Edmunds mit dieser Nichte würde die Streitigkeit,
) bei welcher der Stolz der beiden Familien noch mehr betheiligt ist als ihr Jn-
f reresse auf einmal schlichten. Edmund hat die junge Dame auf seinem neu-
? uchen Ausflug nach Breslau kennen gelernt; sie gefällt ihm und er heirathet
ste, was gewiß die einfachste Sache von der Welt ist. Dennoch hat der Ge-
Das sind also die „Intelligenzen" unter den Bürgern, die im
„Bürger-Abend zu Heidelberg durch die Beredtsamkeit des Schwei-
gens glänzen. Dagegen wollen wir Euch etwas Anderes sagen.
Die Bürger in Bühl haben ganz schwarz gewählt, sind also sehr
dumm nach Bluntschli und nicht würdig, an dem „Bürger-Abend"
der Heidelberger „Intelligenzen" Antheil nehmen zu dürfen. Als
nun aber am letzten Sonntag die Abgeordneten Lindau und
Bis sing in Bühl waren, traten bei dem Bankett in der Sanne
mehrere Bürger als Redner auf, eine große Anzahl aber an dem
„Bürger Abend" des dortigen katholischen Bürgervereins. Einige
unter ihnen sprachen so fließend und abgerundet, daß man ihre-
Reden sofort dem Druck hätte übergeben können. Wo sind denn
nun die „Intelligenzen"? Sehen Sie, Herr Geheimerath, so geht's
Ihnen mit Ihren Behauptungen; denn Ihre Behauptungen sind
Phrasen, sind Schlagwörter, und Schlagwörter sind nur dazu
da, damit man sich selbst aufs Maul schlägt!
Doch weiter. Es freut uns, daß der Herr Professor, der,
wie alle seines Standes, nicht leicht einer besseren Belehrung zu-
gänglich ist, endlich die Ueberzeugung gewonnen hat, daß mit einer
„geordneten Verwaltung allein" (heißt wohl: mit der Polizei) nicht
anzukämpfen ist; denn, sagt er, die Mittel der Ultramoutanen sind
geistiger Art". Und was sind nun diese Mittel? „Die ultramon-
tane Partei bedient sich der Predigt und des Beichtstuhls und weiß
auch für ihre Zwecke die Freiheiten des modernen Staates vortreff-
lich auszunützen" ? Nun ja, Herr Bluntschli, was Letzteres betrifft,
so wären wir gewiß Thoren, wenn wir die Freiheiten nicht be-
nützen wollten; denn „Freiheiten" werden — wenigstens in einem
gerechten Staate — nicht blos für eine Partei, sondern für das
ganze Volk geschaffen, von dem wir ein überwiegender Theil zu
sein das Glück haben. Anders ist's aber mit Kanzel und Beicht-
stuhl. Was zunächst die Kanzel betrifft, so haben nur wenige
Geistliche ganz schüchtern das Wort Wahl von der Kanzel fallen
lasten, — und ernige Schwalben machen bekanntlich keinen Sommer.
Die Geistlichen haben Gottlob einen so starken Einfluß in ihren
Gemeinden und stehen so geehrt und geachtet unter ihren Mit-
bürgern da, daß sie die Kanzel wahrhaftig zu den Zollparlaments-
wahlen nicht nöthig halten. Wenn aber gar Herr Bluntschli den
Beichtstuhl als geistliches Agitationsmittel bei Wahlen in den
Kreis seiner Behauptungen hineinzieht, so möchten wir ihn fragen,
wie er sich herausnehmen mag, die Geheimnisse des Beichtstuhles
kennen zu wollen? Das müßte ein schöner Priester sein, der den
Beichtstuhl zum Wahlmachen benützen wollte, — und wir rufen
daher Herrn Bluntschli zu: so lange Sie den Beweis für Ihre
danke für mich etwas Anstößiges. Nie hielt ich es für möglich, daß Edmund
eine Speculationsverbindung eingehen würde, und das achtzehnjährige hübsche
und heitere ^esen, welches auf diese Weise gewissermaßen zum Handelsartikel
gemacht wird, flößt mir aufrichtiges Mitleid ein.
* ->°
Während Julie diese Worte an ihre Freundin schrieb, machte Edmund sich
in seinem Tagebuch die bittersten Vorwürfe, denn es steht dort unter demselben
Datum:
„Wie ist es möglich, daß Niemand, selbst die Mutter nicht, die Qualen
meines Herzens ahnt? Wie können Julien selbst meine Leiden ein Geheimniß
sein? Wie kann sie es über sich gewinnen, ihn in meiner Gegenwart zu lieb-
kosen und ihm die süßesten Namen beizulegen? Ich muß die Gabe, mich zu
verstellen, denn doch in sehr hohem Grade besitzen. Desto besser. Vielleicht
wird es mir mit der Zeit gelingen, Herr über meine Neigung zu werden. —
Das Verhängniß wollte es nicht anders; das Schicksal hat entschieden. Aber
sollte sein Urtheil wirklich ein unwiderrufliches sein? Kann nicht noch etwas
Unerwartetes mir den bittern Kelch von den Lippen reißen? Aber welch' ein
Gedanke, wenn mein Glück sich nur durch das Unglück meines Brudes erkaufen
läßt? Muth, Muth! Das Schicksal hat entschieden, und wehe Dem, der sich
ihm in den Weg wirft!
-i-
q- q-
(Fortsetzung folgt.)
(Jnstructiver Kladderadatsch). Lehrer: Welches sind die bei-
den Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft? Schüler : W under und Steuern !
Lehrer: Was ist eine Steuer? Schüler: Was uns nicht Wunder nimmt!
Lehrer: Was ist ein Wunder? Schüler: Daß wir die Steuern noch
zahlen können! Lehrer: Gut, mein Sohn! Setz' dich einen Commissions-
rath herauf!
's
ü.
i
1868.
Samstag den 4. April
Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.
Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.
* Nochmals der „Bürgerabend."
' Es thut uns leid, daß die Heidelberger Zeitung die soge-
) nannte Rede Bluntschli's nicht in einer Nummer brachte, sondern
' daß wir nach geschriebenem ersten Aussatze nochmals derselben im
' weiteren Verlaufe Erwähnung thun müssen. Doch brauchen unsre
Leser nicht zu fürchten, daß wir allzuviele Worte über den Sal-
bader des Herrn Professors machen würden, — das ganze nichts-
V sagende, alberne und durch den Mangel jedes Beweises um so
wertlosere Geschwätz hat dermaßen unsern Eckel erregt, daß wir
w auf das Nöthigste uns beschränken zu müssen glauben.
Herr Bluntschli nennt sich und die Seinigen vorzugsweise die
„gebildeten Klassen", — Alle die für uns gewählt haben, sind
damit natürlich dumme Leute, Simpel, Gimpel, Stimmvieh. Die
E, Protestanten hätten alle für die gothaisch-verbluntschlite Partei ge-
s. wählt, — die Protestanten seien also alle grundgescheidte, „intelli
gente" Leute. Die Katholiken seien nur zum Theil gescheidt, näm
lieh diejenigen, die mit Bluntschli und Genossen gewählt haben,
die überwiegende Mehrheit derselben sei dagegen strohdumm, am
dümmsten jedenfalls die in Walldürn. Dies der Sinn von Blunt-
schli's confessioneller Aufastung. Daß er damit jenen Heidelberger
" Philistern schmeicheln wollte, die mit Cigarre und Bier um ihn
herumsitzend, ganz die nämlichen Bierhausansichten theilen wie der
Herr Professor, versteht sich von selbst, da die hiesigen Bürger der
.. gothaischen Richtung von jeher an der „Großmannssucht" leiden
" und das Auge des bewundernden Europa's auf sich gerichtet glau
ben. Sie gehöreu nach Bluntschli unter die „gebildeten Klaffen",
E sie sind so verteufelt „intelligent", daß schon AristophanesMadler
darüber in poetische Entzückung gerarhen ist. Nun, nun, Herr
Bluntschli, ein Bischen langsam, und Ihr Männer des Bürger-
in Abends, nicht gar so stolz! Seht einmal, Ihr Herren, Ihr müßt,
i- wenn Ihr so „intelligent" sein wollt, auch einen Brweis dafür geben,
und zwar gerade an Euerem „Bürgerabend". Wie heißt: „Bürger-
E Abend"? Doch wohl, wenn die Bürger ihre Ansichten in offener
Versammlung kundgeben und ihrer Ueberzeugung in verständlicher
g. Rede Ausdruck verleihen. Wer hat denn aber gesprochen an dem
„Bürger Abend"? Zwei Universitälsprosefforen und ein Verwal-
tungsbeamter! Ha, h^, das nennt man „Bürger-Abend"! Es
müßte denn gerade sein, daß man es sür eine Rede gehalten hätte,
wenn „Bürger-Präsident" Abel ausrief: „die Versammlung ist
eröffnet; Herr Bluntschli hat das Wort", oder wenn der Nämliche
erklärte: „ich danke dem Herrn Geheimerath für das geist-
volle-re".
-- -
Der schwarze Gentleman.
W Aus den Erinnerungen eines Arztes,
k '
(Fortsetzung.)
M
Mag man ihn noch so sehr lieben, muß man ihn immer auch ein wenig
fürchten, und bei dem Gedanken, daß die zwischen meinem Bruder und mir
ausgetauschten Gelübde ihm mitgetheilt werden müßten empfand ich ein Ban-
gen, welches ich mir selbst zum Vorwurf mache. Kaum wagte ich seinen düstern
k« "uf mich gerichteten Blicken zu begegnen, als der Vater die Erklärung in
unserer Gegenwart abgab. Aber Edmund empfing sie mit einem freundlichen,
wenn auch schmerzlichen Lächeln. Glaubtet Ihr denn, sagte er, zu uns gewen-
det, daß ich's nicht schon längst wußte? Euer Geheimniß gehörte mir, bevor
Euch selbst klar geworden, und mit Eurer Verbindung geht mein liebster
!- Wunsch in Erfüllung. Ich habe nur diesen Augenblick erwartet, um Euch
nntzutheilen, daß auch ich mir eine Lebensgesährtin gewählt habe. Noch eine
kurze Zeit und drei glückliche Familien werden dies Schloß bewohnen.
.Edmund verheirathet sich, meine Therese, und obgleich mir strenge Ver-
L ichwiegenheit auferlegt ist, würde ich mich doch an unserer Freundschaft zu ver-
,!, lundlgen glauben, wenn ich Dir ein Geheimniß daraus machen wollte. Du
' kennst den endlosen vergeblichen Proceß wegen des Ritterguts Rosenberg bei
Besitzer, dem meine Wohlthäter das Eigenthum streitig
Z machen, hat keine Kinder. Seine Erbin ist eine Nichte, welche sehr schön sein
I - ""d die Vermählung Edmunds mit dieser Nichte würde die Streitigkeit,
) bei welcher der Stolz der beiden Familien noch mehr betheiligt ist als ihr Jn-
f reresse auf einmal schlichten. Edmund hat die junge Dame auf seinem neu-
? uchen Ausflug nach Breslau kennen gelernt; sie gefällt ihm und er heirathet
ste, was gewiß die einfachste Sache von der Welt ist. Dennoch hat der Ge-
Das sind also die „Intelligenzen" unter den Bürgern, die im
„Bürger-Abend zu Heidelberg durch die Beredtsamkeit des Schwei-
gens glänzen. Dagegen wollen wir Euch etwas Anderes sagen.
Die Bürger in Bühl haben ganz schwarz gewählt, sind also sehr
dumm nach Bluntschli und nicht würdig, an dem „Bürger-Abend"
der Heidelberger „Intelligenzen" Antheil nehmen zu dürfen. Als
nun aber am letzten Sonntag die Abgeordneten Lindau und
Bis sing in Bühl waren, traten bei dem Bankett in der Sanne
mehrere Bürger als Redner auf, eine große Anzahl aber an dem
„Bürger Abend" des dortigen katholischen Bürgervereins. Einige
unter ihnen sprachen so fließend und abgerundet, daß man ihre-
Reden sofort dem Druck hätte übergeben können. Wo sind denn
nun die „Intelligenzen"? Sehen Sie, Herr Geheimerath, so geht's
Ihnen mit Ihren Behauptungen; denn Ihre Behauptungen sind
Phrasen, sind Schlagwörter, und Schlagwörter sind nur dazu
da, damit man sich selbst aufs Maul schlägt!
Doch weiter. Es freut uns, daß der Herr Professor, der,
wie alle seines Standes, nicht leicht einer besseren Belehrung zu-
gänglich ist, endlich die Ueberzeugung gewonnen hat, daß mit einer
„geordneten Verwaltung allein" (heißt wohl: mit der Polizei) nicht
anzukämpfen ist; denn, sagt er, die Mittel der Ultramoutanen sind
geistiger Art". Und was sind nun diese Mittel? „Die ultramon-
tane Partei bedient sich der Predigt und des Beichtstuhls und weiß
auch für ihre Zwecke die Freiheiten des modernen Staates vortreff-
lich auszunützen" ? Nun ja, Herr Bluntschli, was Letzteres betrifft,
so wären wir gewiß Thoren, wenn wir die Freiheiten nicht be-
nützen wollten; denn „Freiheiten" werden — wenigstens in einem
gerechten Staate — nicht blos für eine Partei, sondern für das
ganze Volk geschaffen, von dem wir ein überwiegender Theil zu
sein das Glück haben. Anders ist's aber mit Kanzel und Beicht-
stuhl. Was zunächst die Kanzel betrifft, so haben nur wenige
Geistliche ganz schüchtern das Wort Wahl von der Kanzel fallen
lasten, — und ernige Schwalben machen bekanntlich keinen Sommer.
Die Geistlichen haben Gottlob einen so starken Einfluß in ihren
Gemeinden und stehen so geehrt und geachtet unter ihren Mit-
bürgern da, daß sie die Kanzel wahrhaftig zu den Zollparlaments-
wahlen nicht nöthig halten. Wenn aber gar Herr Bluntschli den
Beichtstuhl als geistliches Agitationsmittel bei Wahlen in den
Kreis seiner Behauptungen hineinzieht, so möchten wir ihn fragen,
wie er sich herausnehmen mag, die Geheimnisse des Beichtstuhles
kennen zu wollen? Das müßte ein schöner Priester sein, der den
Beichtstuhl zum Wahlmachen benützen wollte, — und wir rufen
daher Herrn Bluntschli zu: so lange Sie den Beweis für Ihre
danke für mich etwas Anstößiges. Nie hielt ich es für möglich, daß Edmund
eine Speculationsverbindung eingehen würde, und das achtzehnjährige hübsche
und heitere ^esen, welches auf diese Weise gewissermaßen zum Handelsartikel
gemacht wird, flößt mir aufrichtiges Mitleid ein.
* ->°
Während Julie diese Worte an ihre Freundin schrieb, machte Edmund sich
in seinem Tagebuch die bittersten Vorwürfe, denn es steht dort unter demselben
Datum:
„Wie ist es möglich, daß Niemand, selbst die Mutter nicht, die Qualen
meines Herzens ahnt? Wie können Julien selbst meine Leiden ein Geheimniß
sein? Wie kann sie es über sich gewinnen, ihn in meiner Gegenwart zu lieb-
kosen und ihm die süßesten Namen beizulegen? Ich muß die Gabe, mich zu
verstellen, denn doch in sehr hohem Grade besitzen. Desto besser. Vielleicht
wird es mir mit der Zeit gelingen, Herr über meine Neigung zu werden. —
Das Verhängniß wollte es nicht anders; das Schicksal hat entschieden. Aber
sollte sein Urtheil wirklich ein unwiderrufliches sein? Kann nicht noch etwas
Unerwartetes mir den bittern Kelch von den Lippen reißen? Aber welch' ein
Gedanke, wenn mein Glück sich nur durch das Unglück meines Brudes erkaufen
läßt? Muth, Muth! Das Schicksal hat entschieden, und wehe Dem, der sich
ihm in den Weg wirft!
-i-
q- q-
(Fortsetzung folgt.)
(Jnstructiver Kladderadatsch). Lehrer: Welches sind die bei-
den Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft? Schüler : W under und Steuern !
Lehrer: Was ist eine Steuer? Schüler: Was uns nicht Wunder nimmt!
Lehrer: Was ist ein Wunder? Schüler: Daß wir die Steuern noch
zahlen können! Lehrer: Gut, mein Sohn! Setz' dich einen Commissions-
rath herauf!