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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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Ein nationaler Erfolg.
In München feiert man deutsche Triumphe. Auf der Bühne
Meistersänger, in der Politik Meisterstreiche. Die Convention der
Südstaaten wegen Ulm ist zu Stande gekommen, und die neulich
besprochene südstaatliche Militärcommission wird zu Stande kommen,
wird in München tagen, wird die süddeutsche Festungssicherheit in
„Harmonie" mit dem norddeutschen Desensivsystem besorgen, und
außerdem für alle Militärfragen — beschließende Kraft? ei, wo
denkt ihr hin? nein, nur eine Consultativ-Praxis haben.
Und das ist jetzt ein nationaler Erfolg! Das eine vaterlän-
dische Errungenschaft! das die Frucht von zwei Jahren! In der
Thal, wir sind bescheiden geworden, sehr bescheiden: die Einrenkung
eines einzigen der vielen Gliedmassen, welche das brave Groß-
preußen vor zwei Jahren der großen Nation zerbrach, ist schon ein
Gewinn, über den wir uns freuen müssen. Und vorsichtig sind
wir geworden und umsichtig: frei von jeder Ueberstürzung ge-
brauchen wir, um uns nur über Ulm zu einigen, zwei ganze Jahre.
Uno klug sind wir geworden, sehr klug: das süddeutsche Festungs-
system ordnen wir in „Harmonie" mit dem norddeutschen Defensiv-
system, also ohne Rücksicht auf Oesterreich, welches ja für Süd-
deutschland niemals von militärischer Bedeutung gewesen ist. So
kommen wir, alles in allem, nach vollen zwei Jahren auf den alten
Status, nur ohne Oesterreich — nur!
Wir gestehen, diese Politik könnte an den Mindestfordernden
vergeben werden; der würde sie schlechter gewiß nicht machen.
Wenn in militärischen Dingen irgend ein Punkt klar ist, so
ist es der, daß auf die organisatorische Basis alles ankommt; hier
ist nichts von Organisation, man beschränkt sich auf eine Festung
oder auf die Festungen.
Wenn in der neueren Kriegsgeschichte irgend ein Punkt klar
ist, so ist es der, daß die Festungen nur noch sehr ausnahmsweise
eine entscheidende Wichtigkeit im Kriege haben, und gerade auf
diesen einen, unwesentlicheren Punkt reducirt sich das ministerielle
Einigungswerk — denn auf die Consultativ-Praxis jener Commis-
sion in andern Fragen des Militärwesens werden wir doch nichts
geben sollen.
Wenn in der deutschen Kriegsgeschichte irgend ein Punkt klar
ist, so ist es der, daß für Süddeutschland militärisch Oesterreich un-
entbehrlich ist, daß Süddeutschland zwischen Oesterreich und Frank-
reich militärisch verloren ist, daß Süddeutschland militärisch ohne
Oesterreich construiren bestenfalls heißt, dem Süden das Glück be-
reiten, daß er der Kriegsschauplatz für Zollersche Schlachten werde,
oder ihn von den nach dem Norden zuziehenden Truppen entblößen

und zu Gunsten Preußens preisgeben. Aber die „Harmonie" mit
dem norddeutschen Defensiv-System ist gleichbedeutend mit der Ver-
zichtleistung auf Oesterreichs Mitwirkung, vielleicht gar mit der
directen Feindschaft gegen Oesterreich.
So ist man denn auf falschem Wege, thut auf falschem Wege
was Halbes, und das Halbe ist schlecht. Dies ist die nationale
Errungenschaft einer ministeriellen Thätigkeit von zwei Jahren, in
denen keine innere noch äußere Verwicklung störte oder unterbrach,
in denen alle Fragen vorgearbeitet waren und so gut wie fertig
dalagen, in denen der Instinkt der Massen immer und immer wie-
der die rechten Wege wies, in denen der politische Trieb der wirk-
lich arbeitenden Parteien zum Schaffen drängte und die nöthige
Cooperation im Volke für jedes rettende Thun zur Verfügung ge-
stellt hätte. Es wiederholt sich damit das alte Schauspiel, welches
in Deutschland schon oft aufgeführt ist: die politischen Gedanken
des Volks werden von den Staatsmännern im Amt entstellt und
verderbt. Wie der Bundestag zu der Erbschaft von 48, wie die
österreichische Reformacte von 63 und die bismarckische Nordbunds-
verfassung zu dem Geiste der nationalen Bewegung, so verhält sich
das neueste Elaborat ministerieller Weisheit zu der Volksidee und
Volkssorderung des Südbunds: — es ist eine schlechte Copie, eine
dürftige Abschlagszahlung, und sein Schicksal kann und wird kein
anderes, kein besseres sein, als daß jedes andern Versuchs war und
sein wird, das deutsche Volk, welches Brod verlangt, absinden zu
wollen mit einem Stein. Dergleichen Steine verwirft das Volk
und wirft damit stellenweise recht unsanft. (Demokr. Corresp.)

Abermals zur Wahrheitsliebe des Kraichgauboten.
X Bruchsal, 19. Juli. Ein sehr fleißiger Sammler alles
dessen, was schimpflich auf die Katholiken lautet, ist, wie unlängst
bekannt, der Kraichgaubote. Der Verleger desselben, Protestant,
verzichtet sofort auf jede männerwürdige Rücksichtsnahme und Prü-
fung irgend einer durch die Presse veröffentlichten Nachricht, sobald
in dieser den Katholiken und ganz besonders dem geistlichen Stande
ein Schimpf aufgehängt ist. Hievon gibt die Nr. 84 vom 16. Juli
wieder ein sprechendes Zeugniß. Wir lesen da folgende Nach-
richt:
„In Gernsbach starb nach der N. Bad. Landeszeitung vor
einigen Tagen ein braves Dienstmädchen, das bei einem sehr acht-
baren Bürger, Gemeinderath T., 15 Jahre lang gedient hatte.
Der hiesige Kaplan ordnete das Leichenbegängniß durch eine Seiten-
straße, durch welche noch nie eine Leiche geführt wurde, an, weil

Skizzen aus Ost-Indien.

Von einem deutschen tzeemanne.

(Fortsetzung.)
Jetzt schlug das Fleisch an das im Wege befindliche Boot an und im
nächsten Augenblicke schossen zwei riesige Alligatoren mit offenen Rachen heran,
denen die aufmerksamen Bootsleute gleich ihre schweren Stangen in diesen
geöffneten Schlund hineinschoben. Wie der Blitz legten sich die beiden, in ihrem
Appetit so unangenehm gestörten Bestien auf den Rücken und zeigten uns ihre
weiße Bauchhaut. Diesen Moment benutzten die am Ufer stehenden Schützen
und gaben Feuer. Glücklicher Weise traf keine der Kugeln die Bootsleute,
sondern alle trafen die Alligatoren, welche sich wie krampfhaft beinahe aus
dem Wasser bäumten, um dann in dem Schlamme zu versinken. Dieses Manöver
wiederholte sich noch einige Male, bis sechs von den Eidechsen getödtet waren.
Die beiden andern waren an das jenseitige User entkommen'. Ich konnte mich
mcht enthalten, die Officiere auf ihre Rücksichtslosigkeit gegen die Bootsleute
aufmerksam zu machen, erhielt jedoch zur Anwort: Was wollen Sie, es sind
I« doch nur Eingeborene! Dre Körper der Krokodile wurden nun mit dem im
Boote befindlichen Werkzeuge ans Ufer geholt und blieben dort liegen, bis sie
an emem folgenden Tage nach Calcutta .geschafft wurden. Wir selbst kehrten
m dem Boote nach Calcutta zurück und ich begab mich wieder an Bord meines
Schiffes, welches den folgenden Tag nach Batavia abgehen sollte.

IV. Ein Abenteuer im indischen Ocean.
,. ^!l«nr Dampfer „Surabaya" war aus seiner gewöhnlichen Tour zwi-
Ichen Batavia und Passawang begriffen. An Bord befanden- sich außer
Köpfen bestehenden Bemannung etwa 150 Passagiere
^0 holländische Colonialsoldaten mit einem Officier als Bedeckung des
«Schiffes, weil m der letzten Zeit in Batavia wieder sehr stark die Rede davon
A«estn war, daß die Küsten Jav-rs von den in jenen Gewässern niemals ganz
ausstxrbendm Piraten hermgesucht würden. Die „Surabaya" versah auch zu-
gleich den Postdrenst zwischen Batavia, Samarang, Pafsavang und Surrabava
und war demgemäß — als Regierungsschiff — ö errchtigt, einige Kanonen zu s

führen. Auch waren die wenigen Matrosen — 16 Mann — sowohl zum
Segelmanöver, wie auch bei den Kanonen einexercirt worden. So ausgerüstet
glaubte das Schiff, ein Raddampfer, wohl die Reise unangefochten zurücklegen
zu können.
Der Dampfer war etwa 150 Schritte lang, vom Bugsprit bis zum Steuer-
ruder gerechnet, und zwischen den Radkästen etwa 20 Fuß breit; die Maschine
hatte 200 Pferdekrast, konnte somit als eine ganz respektable gelten. An Bord
befanden sich vier eiserne Kanonen, wie sie eben das Arsenal von Batavia ge-
liefert hatte. Es war in der ersten Nachtwache zwischen 8 und 12 Uhr Abends;
der Mann am Steuer hatte 6 Glasen geschlagen (auf den Schiffen rechnet
man nach Glasen; die Wache — 4 Stunden — zerfällt in 8 Glasen, so daß
z. B. 3 Glasen bedeuten, daß l'/r Stunden der Wache vorüber sind rc.; hier
bedeuteten 6 Glasen II Uhr Abends) und ich befand mich auf der Brücke,
herzlich froh, daß ich in einer Stunde abgelöst sein würde. Der Ausluger
vornen im Schiff, dem in Zeiten der Gefahr, wie die jetzigen, ein zweiter Mann
beigegeben war, schien sich einem leichten Dusel hingegeben zu haben, was ich
ihm nicht verdenken konnte, denn der Tag war anstrengend genug gewesen
und doch hörte ich ganz deutlich den tactmäßigen Ruderschlag, wie man ihn
nur von einer Bootsbemannung hört, die zu einem Kriegsfahrzeuge gehört.
Dieses Geräusch beunruhigte mich und ich zog an dem Stricke, der von der
Brücke mit der großen Schiffsglocke vorne im Schiffe correspondirte. Cs war
eine ziemlich klare Nacht und das Südkreuz schimmerte in wunderbarer Pracht
über unseren Köpfen. Meine Vermuthung war richtig, daß beide Ausluger
eingeschlafen waren; denn als die Glocke einmal anschlug, konnte ich ganz deut-
lich bemerken, wie beide aufsprangen und sich die Augen rieben. Dann blickten
sie sich um und eine Minute später erschallte der Rus:
„Schiff in Sicht zu windwärts",
dem gleich darauf der zweite Ruf folgte:
„Boot dicht bei uns an der Windseite."
Ich schaute durch ein Nachtglas nach der bezeichneten Richtung und be-
merkte ein Schiff unter vollen Segeln, welches gerade auf uns abhielt, und
zwischen diesem Schiff und unserer „Surabaya" ein Boot, von welchem die
Ruderschläge herkamen, die rch gehört hatte.
(Fortsetzung folgt).
 
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