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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 40-51 (2. April - 30. April)
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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.



und Land.

Preis vierteljährl. 40 kr. ohne
Trägerlohn und Postaufschlag.
Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile.

48.

Donnerstag den 23. April


* Prozeß Lindau.
(Nach stenographischer Aufzeichnung).
(Fortsetzung.)
Vorsitzender. Herr Lindau, bekennen Sie sich als Ver-
fasser dieses Artikels?
Lindau. Meine Unterschrift macht mich für denselben ver-
antwortlich — ich bin der Verfasser des Artikels.
Vorsitzender. Geben Sie auch zu, daß die Nr. 38 des
Pfälzer Boten ausgegeben war, als die Beschlagnahme verfügt
wurde?
Lindau. Das kann ich weder bestreiten noch zugeben, das
weiß ich nicht, darüber wird die Expedition des Blattes Auskunft
geben können.
Vorsitzender. Ich werde zuerst den ganzen Artikel ver-
lesen lassen.
Lindau. Ich habe mir die Aufgabe gestellt die Wahrheit
der einzelnen Punkte zu beweisen, und werde dann noch in der
Lage sein, den Artikel absatzweise verlesen zu müssen, so daß ich
glaube, es könnte von doppelter Vorlesung Umgang genommen
werden, wenn Sie aber glauben, daß er dennoch ganz verlesen
werden soll, so habe ich nichts einzuwenden.
Vorsitzender. Ich glaube, daß er als Beweisstück für
das Gericht ordnungsmäßig verlesen werden muß.
(Der Artikel wird hierauf ganz verlesen.)
Sie geben zu, daß der Artikel mit Ihrem Willen im Pfäl-
zer Boten erschienen ist?
Lindau. Gewiß.
Vorsitzender. Herr Secretär, verlesen Sie die Meldung
der Polizeimannschaft über die Vornahme der Beschlagnahme.
(Die Meldung des Polizei-Commissärs Lehmann wird ver-
lesen.)
Lindau. Ich glaube, hoher Gerichtshof muß gewiß mit Jeder-
mann in diesem Saale die bittere Satpre auf unsere öffentlichen
und politischen Verhältnisse empfinden, wenn ich in dem Bestre-
ben, ein Verbot zu beseitigen, das mich hinderte in die Mitte
meiner Wähler zu eilen und mit meinen Wählern mich über ihre
Interessen zu berathen, mich gegen einen Antrag der Staatsan

waltschaft zu vertheidigen habe, der mich im Zwangs w ege
inmitten meines Bezirks senden und mich in demselben 3 Monate
lang sestbannen möchte. Um diese bittere Satyre besser verstehen
zu können, muß ich aus den Tag des 18. Februar d. I. zurück-
gehen, an welchem die Wahlen zum Zollparlament zum ersten
Mal nach der geheimen Abstimmung stattfanden und diese Wah-
len sind in unserem Lande ganz anders ausgefallen, als die Herren
in den leitenden Kreisen dachten.
Ich werde hieraus später eingehen; für mich steht vorerst die
Thatsache sest, daß ich in 2 Bezirken gewäblt wurde, im 14. ab-
gelehnt und im 8. die Wahl angenommen habe. Um mich als
gewählter Zollparlamentsabgeordneter zu legitimiren, lege ich dem
Gerichtshöfe die ofsicielle Mittheiluug des Wahlcommissärs des
8. Wahlbezirks vor, wodurch mich derselbe in Ksnntniß setzt,
daß von 16,382 abgegebenen gültigen Stimmen 9,140 aus mich
gefallen sind und daß ich deßhalb als Abgeordneter zum Zollparla-
ment gewählt sei. Mit Annahme dieser Wahl habe ich ohne
Zweifel auch große, schwere Pflichten übernommen, ich habe
in mancher sehr wichtigen Frage, ein sehr wichtiges Votum ab-
zugeben übernommen, und die Pflicht eines Abgeordneten besteht
ganz gewiß nicht darin, überall „Ja" zu sagen, oder stets im
Sinne einer gewissen Regierung zu stimmen; als Abg. bin ich
ohne Zweifel verpflichtet, mir in allen Angelegenheilen ein selbst-
ständiges Urtheil zu bilden, Bedürfnisse meines Bezirks kennen zu
lernen, mich von den Wünschen der Bevölkerung genau zu unter-
richten, und wenn ich die weitgehenden Competenzen des Zollparla-
ments überblicke, so muß ich doppelt daran erinnert werden, mit
der größten Vorsicht meine Aufmerksamkeit auf alle diese ver-
schiedenen Seiten meiner Pflichten zu lenken. Ueber die Bedeutung
des Zollparlaments für unser engeres Heimathsland habe ich mich
bereits in der Adreßdebatte der badischen 2. Kammer vom 19.
September v. I. wörtlich dahin ausgesprochen:
„Vor Allem lege ich als Kaufmann Widerspruch ein gegen
die Behauptung, daß der erneuerte Zollverein mit seinem Zollpar-
lamente ein „erfreulicher Erfolg" ist. Im Gegentheile werden die
Bedürfnisse Süddeutschlands dadurch preisgegeben, daß die Inte-
ressen der norddeutschen Staatengruppe durch eine überwiegende
Majorität im Bundesrath wie Zollparlament und durch das Veto
des Königs von Preußen fest gesichert sind."

Der schwarze Gentleman.
Aus den Erinnerungen eines Arztes.
(Schluß.)
In diesem Moment erhob sich vor dem geistigen Auge Edmunds das Bild
des Kabylen und stellte sich zwischen ihn und den Bruder. Mit verschränkten
Armen blickte er auf den schwimmenden Felix hinab und sah dem Todeskamps
desselben ruhig zu. Eine günstige Wendung des Stroms brachte diesen in
die Nähe des Bootes. Nur die Haud ausgestreckt, und er war gerettet. Un-
willkürlich beugte sich Edmund herab, um die Hand des Verzweifelnden zu er-
fassen ; aber da blitzte ihm die Flammenschrift entgegen: Hüte Dich dem Schick-
sal in den Arm zu fallen! — Er bebte zurück. Der Augenblick war dahin,
die Hand des unglücklichen Felix war verschwunden!
Noch einmal sah er sie von weitem, aber nicht mehr streckte sie sich im
bittend entgegen. Vom Todeskämps geballt, Hub sie sich rachefordernd gen
Himmel, und drohte dem noch immer unbeweglich dastehenden Mörder. Bald
war sie wiederum verschwunden, und Alles war vorbei.
Wie lange Edmund so stehen blieb, wußte er selbst nicht. Das Bellen
eines Hundes entriß ihn dem starren Hinbrüten. In Schweiß gebadet kam er
wieder zu sich, wie aus einem qualvollen Traume erwachend. Angst und Ge-
wissensbisse waren seine Gefährten. Ein schriller Schrei entfuhr seiner Brust,
und die Hände über dem Kopfe zusammenschlagend, sprang er in die Fluth.
Nie hat Edmund die Verzeihung Juliens erhalten. Die Liebe kann zu-
weilen die Achtung überleben; aber Julie hatte Edmund nicht eigentlich geliebt,
sondern ihm nur fast eine abgöttische Verehrung gezollt. Als er in ihren Augen
gesunken war, als er ihre Ächtung verscherzt hatte, konnte sie sich nie wieder
mit ihm versöhnen. Nie! Das war die einzig^ Antwort, welche seinem Flehen
zu Theil wurde.

Die ganze Nacht habe ich dem Durchlesen der Manuscripte ^widmet. Schon
dämmerte der Morgen, als ich mich endlich erhob — strenge ,z
bittlichen Verdammen entschlossener Richter. Je höhere Gaben f
Natur und dem Schicksal empfangen hatte, desto weniger suhlte ff ff » .
Milde geneigt. Je Heller seine Tugenden strahlten, desto schwarzer
sein Verbrechen. Wie konnte er bei seiner Intelligenz ur den großen Y
verfallen, einen Unterschied zwischen Handlungen und Gedanken, z fcy
qehungs- und Unterlassungssünden aufzustellen? „ls
Im höchsten Grade aufgeregt und empört fühlte ich Mich unbeugs ,
plötzlich eine weiche, kühle Hand sich auf meine brennende Stirne legte.

wohlbekannte süße Stimme richtete Worte des zärtlichsten Mitleids an mich.
„Wozu ,mein Karl, dies ewige Wachen? Wie oft hast du nicht selbst gesagt, die
Nacht sei keines Menschen Freund?"
„Das sind Worte, welche vom Himmel kommen?" rief ich, mein armes be-
sorgtes Weib an die Brust pressend. „Ja, Du hast Recht, die Nacht ist keines
Menschen Freund!" — Und je mehr das Licht des Tages überhand nahm,
desto mehr fühlte ich mich von der ewigen Milde durchdrungen, die das Licht
der hl. Sonne über Gerechte und Ungerechte ausgießt.
„Laß gleich die Pferde anspannen!" sagte ich, trotz der Bitten meines
sanften Gretchens. „Ich verdiente nicht Arzt zu sein, wenn ich nicht erst einem
Unglücklichen den ersehnten Frieden brächte."
Der Graf empfing mich stehend, und wir blickten einander stumm in's
Auge. Daun öffneten sich meine Arme, und er warf sich mir an die Brust.
„Endlich!" rief er mit einem tiefen Seufzer der Erlösung. Zum erstenmal seit
vielen Jahren träufelte auf diese dürstende Seele der milde Thau menschlichen
Mitleids herab.
* *
Am letzten Abend des Jahres saß ich am Lager des Grasen Edmund um
seinen Todeskampf zu lindern. Seit er mir gebeichtet, hatte sich seine Seele
raschern Flugs dem reinern Dasein genähert. Sie mußte sich selbst sagen, daß,
wenn das Verbrechen groß, die Strafe furchtbar gewesen.
Ich hielt die rechte Hand des Sterbenden und beobachtete die immer
schwächer werdenden Pulsschläge. Bald wurde derselbe ganz unmerklich, und
schon glaubte ich, daß der Kranke geendet habe. Aber auf einmal richtete er
sich empor, und hielt sich allein aufrecht. Die weit geöffneten Augen blickten
gen Himmel. Die rechte Hand strebte empor und schien ein unsichtbares Etwas
fassen zu wollen. Der Körper wurde von heftigen Zuckungen erschüttert. Plötz-
lich rief er im Tone höchster Angst: „Bruder, Bruder! Genug der Strafe!
Reich mir die Hand! Hilf mir, oder ich bin verloren."
Ich zitterte vom Kopf bis zu den Füßen. Waren das nicht dieselben
Worte, welche der sinkende Felix ihm zugerufen? Schon glaubte ich, die Stunde
des Gerichts sei für ihn gekommen. Aber ich irrte mich, denn ein sanftes
Lächeln verklärte die Züge des Sterbenden. Mit der Hand, welche er eben
emporgestreckt, schien er etwas an die Lippen zu führen, was er mit glühenden
Küssen bedeckte. Dann fiel er zurück, und der Graf Edmund hatte seinen
letzten Seufzer ausgehaucht.
Ruhe, Friede und Verzeihung dem gequälten Geist!
 
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