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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 102-115 (1. September - 30. September)
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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

114.

Die Schlachten von Kissingen.
(Donau-Zeitung.)
Die Schlachtfelder von Leipzig waren zu allen Zeiten berühmt,
die Schlachtfelder von Kissingen sangen an, es jetzt zu werden.
Aber für uns scheint Kissingen kein glückliches Terrain zu sein,
denn wir werden dort immer geschlagen. Das erstemal schlugen
uns die Preußen, das zweitemal siegten die Russen. Das erstemal
blieb der bayerische Anführer auf dem Platz, das zweitemal war er
nicht dabei, der Anführer. Das erstemal blieb eine Excellenz, dies-
mal blieben gleich zwei und eine dritte wurde versprengt. Von
Gemeinen ist das zweite Mal keiner geblieben, es müßte etwa oas
Blutbad erst nachträglich noch angerichtet werden.
Ich rede von der Präsidentenschlacht in Kissingen. Baron
Zu-Rbcin irrt sich, wenn er zu glauben scheint, daß er in Kissingen
Hahn im Korb gewesen sei, weil er dreimal bei Kaisers speisen
durfte und Hohenlohe nicht. Es ist kein Zweifel, daß die äußeren
Formen in dieser Weise zu Tage traten; allein die russische Politik
ist als zu fein bekannt, als daß man nicht die elegantesten Tapeten
als selbstverständlich voraussetzen müßte. Die Präsidentenschaft in
Kissingen hat Graf Tauffkirchen gewonnen. Er ist der Anführer
gewesen. Die Fabel lehrt, daß ein guter Freund mehr werth ist,
als Gold. Fürst Hohenlohe hat sich den Grafen Tauffkirchen ver-
bindlich gemacht. Er hat ihn durch einen energischen Ruck vom
Stadtrichter in München zum kgl. bayer. Ministerresidenten in St.
Petersburg empor gehoben. Das war nun allerdings etwas. Aber
Graf Tauffkirchen hat sich nobel revanchirt: er hat seinem fürst-
lichen Patron sein Ministerpräsidentenportefeuille gerettet. Vor
Kissingen schwankte Hohenlohe, trotzdem er sich so fest an Preußen
lehnte; nach Kissingen stand er so fest, daß er einen Gewaltschritt
wagen durfte, wie er in solcher Ausdehnung seit dem Februar
1848 in Bayern nicht mehr vorgekommen ist.
Ich spreche immer von Fürst Hohenlohe, meine aber darunter
nicht so fast seine Person, als vielmehr das Ministerium, das seinen
Namen trägt und das sich solidarisch verbunden fühlt. Wird das
Ministerium Hohenlohe durch den Sieg von Kissingen gerettet sein?
Einstweilen wohl; ob aber auch über die nächsten Landlagswahlen
hinaus, das ist die andere Frage. Indessen war die Präsidenten-
schlacht von Kissingen allerdings ein Vorgefecht der künftigen Wahl-
schlacht. Die Geistlichkeit soll durch das Charfreitagsedict eingeschüchtert
werden, den Beamten soll durch die Präsidentenschlacht in Kissingen
eine praetische Auslegung des bekannten Rundschreibens geboten
werden, das Minister Hörmann bei seinem Amtsantritt erließ.

Aber das Volk? Soll etwa dieses durch die Landwehraushebung
und den hereinbrechenden Militarismus überhaupt eingeschüchtert
werden? Nun, man wird sehen.
Es ist ein großer Jrrthum unserer gegenwärtigen Staatslenker,
daß die Zollparlamentswahlen dem Clerus zuzuschreiöen seien.
Sind sie denn im Bisthume Passau anders ausgefallen, als im Bis-
thum Regensburg? Dw bayerische Volksgeftt ist beleidiget, den
habt ihr gegen euch aufgebracht. Bei den letzten u..d vorletzten
Kammerwahlen ist der Clerus viel eifriger in's Zeug gegangen für
Re Regierung, auf Wunsch und Befehl von oben — was hat es
geholfen? Man kann allerdings die Beamten für die nächsten
Wahlen spornen; aber dadurch wird ihr Einfluß beim Volke voll-
ständig discreditirt. Freiheit vor Allem. — Die Aufgabe eines Be-
amten ist es, daß er sein Amt gut verwaltet; die Herkulesarbeit,
den Minister Schlör populär zu machen, kann man keinem zu-
muthen. Es wird einige Vorsicht nöthig sein; denn die Russen
sind nicht immer bei der Hand und die Stärke der Ministerien
liegt heutzutage nicht oben, sondern unten.
Süddeutschland.
* Heidelberg, 24. Sept. Revolution in Spanien! Mit
welcher Bestürzung mag diese Nachricht von der einen, mtt welchem
Jubel von der andern Seite begrüßt worden sein! Das Glück
Napoleons scheint ganz von ihm gewichen und auf das von ihm
früher gehätschelte, jetzt gefürchtete und gehaßte Preußen überge-
gangen zu sein. Als Napoleon gerade im Begriff war, mit der
Königin von Spanien durch persönliche Begegnung eine Allianz zu
vereinbaren, da meldet der Telegraph eine Hiobspost nach der
andern: die Flotte von Cadix im Aufstand, mehrere bedeutende
Städte in offener Revolte, Gährung in allen Provinzen, die Lan-
dung der verbannten Generale! Merkwürdig ist auch die Meldung
mehrerer Blätter, daß Herr Geheimerath Delbrück, rechte Hand
Bismarck's, Zweit-Commandirender in Preußen, gerade jetzt seine
Gesundheit so angegriffen fühlte, daß er sich nach Spanien auf den
Weg machte. Doch keine Verdächtigung, — der Arzt hat ihm
natürlich diese Luftveränderung angerathen! — Alle Welt ist da-
rüber einig, daß der Krieg vor der Thüre stand, eingeweihte Poli-
tiker prophezeiten sogar einen Winterseldzug; wird nun aber die
spanische Revolution nicht rasch niedergeworsen, so wird Napoleon
sich nochmals besinnen, ehe er sich am Rhein mit den Preußen
duellirt. Spanien, als eng verbündetes Land, war bestimmt, Frank-
reich den Rücken zu decken, es hatte die weitere Aufgabe, allenfall-
sige Allianzgelüste Jtalien's mit Preußen zu vereiteln, indem es ersteres

Das Sturmlicht von Haklarsholm.
Eine Strandgeschichte.
(Schluß.)
r Postbote gehört und gesehen, was hier vorgegangen war,
so drehte er sich um und ging langsam nach dem Fischerdörfchen hinunter. Und
als nun dre Verwirrung und Ausregung des Tages sich einigermaßen gelegt
hatte und die Leute wieder in ihre Hütten zurückkehrten und Jans mit etlichen
seiner ältesten Vertrauten in einer Hütte bei einem Feuerchen saß, welches mit
Holz von dem neuen Wrack genährt wurde, sagte er:
„Liebe Freunde, jener hartherzige Mann, der Baron, hat seinem eigenen
Sohne das Leben genommen, wie er meine beiden Jungen und noch manchen
andern braven Kerl um's Leben bracht- und zwar nicht durch Hexerei, sondern
durch eine abscheuliche niederträchtige Tücke. Bekanntlich ritt er in jeder stür-
mischen Nacht das Thal hinan; droben aber konnte er auf einem Nebenpfad
nach den Sandhügeln gelangen, ohne daß Jemand es merkte. Das Sturm-
Ucht aber, dar man bei jedem Unwetter über die Dünen wandern und schwanken
N'"^t durch Mutter Laxons Zauberkünste dorthin gebannt, sondern
rührte von einer norwegischen Laterne her, die der Baron auf seinem Pferde
oute sA boshaften Geschicklichkeit führte, daß dadurch manches
Ah7t,Vs^ d7/Th7'v-7ließ^^ ließ un^d hat m?r di- Sache
„Warum hast Du es uns damals nicht gesagt und ihn nickt verklaat
Jans, damit das Gesetz über ihn richte?" riefen die Fischer. '
?!ssttz ^Ket selten gerecht über Leute, die Rang und Reichthum
versetzte Jans. „Der gewaltige Herr im Himmel aber weiß den
Schuldigen schon zu erreichen. Und nun behüt Euch Gott, Leute! ich habe
Euch nichts mehr zu sagen, als daß ich fortan niemals wieder Mann oder
Werb einen Brief bringen werde."

Der alte Mann hielt sein Wort, obschon alle Fragen und Bitten nichts
weiter mehr aus ihm herausbrachten. Am andern Morgen verließ er das
Thal und ward nie wieder gesehen; ein neuer Postbote kam auf dem gewöhn-
lichen Rundgang und wußte von Jans nur zu berichten, daß er seine Stelle
niedergelegt hat und fortgezogen fei, niemand wisse wohin.
Der Verlust ihres Sohnes zerstörte alle Hoffnungen des Barons und seiner
Gattin und untergrub ihr Leben; sie siechten lange und büßten all ihren Ver-
stand und Thatkraft ein. Der Baron versank in kindischen Stumpfsinn, die
Baronin in düstere Schwermuth; und als beide unzurechnungsfähig waren,
trat der nächste Anverwandte als Majoratserbe das Gut an, brachre beide in
eine Privat-Jrrenanstalt in Friedericia und versorgte sie. In das übelerwor-
bene Vermögen aber theilten sich die nächsten Verwandten und die alte Burg
ließ man zerfallen, weil Niemand mehr darin wohnen wollte und man fürchtete,
der ertrunkene Vextel ginge als Gespenst darin um und klage über die Unthat
seines Vaters.
Wenn aber die Thalbewohner und die Fischer auch nicht alle an das
glauben, was Jans Morten ihnen von dem alten Baron erzählt hatte, so stand
doch jedenfalls fest, daß von jener verhängnißvollen Nacht an das gespenstische
Licht auf den Dünenhügeln von Haklarsholm sie nicht wieder erschreckte und daß
kein Schiff mehr zu seinem Verderben auf das Riff gelockt ward durch das
Sturmlicht.

— Der bekannte Amerikaner Peabody, welcher vor einigen Jahren
sein Londoner Geschäft liquidirte und bei dieser Gelegenheit die Armen Lon-
dons mit einer Gabe von nahezu zwei Millionen Gulden bedachte, hat in jüng-
ster Zeit Amerika, woselbst er seither wohnte, verlassen, nicht ohne zuvor für
die Armuth in großmüthigster Weise gewirkt zu haben, man schätzt die Sum-
men, die er zu wohlthätigen Zwecken gewidmet, auf 8 Millionen Dollars, und
lebt wieder in London gegenüber dem Buckingham-Palaste. Die Königin von
England hat ihn, wie seiner Zeit gemeldet, durch die Ueberreichung ihres in
kostbarem Email ausgeführten Porträts ausgezeichnet, nachdem er die Annahme
eines Ordens verweigert hatte.
 
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