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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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»4-« Jns.-Geb. 2 kr. die Spaltzeile


Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.

Herr Stadlpfarrer Zäringer noch einmal.
L Aus dem Amtsbezirk Weinheim, 25. Januar. Die
früheren Artikel des Pfälzer Boten zur Zurückweisung der An
griffe, die sich Pfarrer Zäringer von Weinheim im dortigen Pro-
teftantenverein gegen die Katholiken erlaubte, haben in dieser Ge-
sellschaft böses Blut abgesetzt. Auf Sonntag den 19. d. M. wurde
eine Versammlung des Protestantenvereins zusammen berufen, über
welche eine Correspondenz aus Weinheim in Nr. 18 der Heidel-
berger Zeitung also berichtet:
„Am Schluffe der Versammlung verlas der Vorsitzende einen
den Herrn Pfarrer Zäringer betreffenden Schmähartikel, den kürz-
lich der nicht sehr vortheilhaft bekannte Pfälzer Bote brachte. Es war
nur eine Stimme darüber, daß dieses von Lügen strotzende Mach-
werk einer schmutzigen Feder entstamme, die besser daran thun würde
den Samen christlicher Liebe auszustreuen, als sich immer mehr
im Lügen zu vervollkommnen. Jener Herr, den wir kennen, soll
sich nicht darüber wundern, wenn er die wenige Achtung, die er
noch' genießt, vollends verliert."
Wir freuen uns, daß die Artikel des Boten zur Kenntniß der
Vereinsmitglieder gekommen sind, und wünschen nur, daß dieses
ganz vollständig geschehen sei. Diese Leute, die den Katholicismus
nur aus den Berichten ihrer Prädikanten kennen, hätten denn auch
einmal aus katholischer Quelle erfahren, was es mit den Ver-
dächtigungen, Entstellungen und Verläumdungen von einer gewissen
protestantischen Seite her gegen die katholische Kirche und ihre
Institutionen für eine Bewandtniß habe, daß die Zeit vorüber,
wo die Katholiken als Wetzstein zur Schärfung des protestantischen
Bewußtseins herhalten mußten und herhielten, daß die Katholiken
in weitern Kreisen nicht mehr die stummen Thiere seien, wie
etwelche derselben Herr Pfarrer Zäringer und seine Zuhörer viel-
leicht aus ihrer Nähe als Freunde zu nennen das Vergnügen
haben, und daß man katholischer Seits die Ausfälle der Gegner-
nicht nur zu pariren verstehe, sondern auch die Hiebe mit Wucht
zurückgebe. Es ist uns übrigens nicht eingefallen, den Herrn
Stadtpfarrer und feine Pappenheimer überzeugen zu wollen, denn
dafür hätten wir ihm erst das Organ und den Willen schaffen
müssen, und gegen den Stachel des „Nsoens imduta tssta" und
„Naturura sxxellas kurea" können sie nicht ausfchlagen. Darum
halten wir ihnen den Schmerzensschrei über „schmutzige Feder",
„lügenstrotzendes Machwerk", „im Lügen vervollkommnen" zu gut;
es sind ja die landläufigen Rettungsmittel der Partei, wo man
nicht widerlegen kann. Zu einer Widerlegung hat der Sprecher

in der Heidelberger Zeitung keinen Versuch gemacht. Und da
hat der Pfälzer Bote von den srühern Artikeln auch
nicht einen Buchstaben zurückzu nehmen. Wir haben nur
Thatsachen berichtet, wie sie schwarz auf weiß im Weinheimer
Anzeiger und im Heidelberger Protest. Kirchenblatt, den beiden
Moniteuren der Partei, zu lesen; wir haben unsere daraus ge-
zogenen Folgerungen und weiteren Angaben mit den nöthigen Nach-
weisungen versehen, wir sehen nicht ein, was es da zu verläum-
den gibt; es müßte denn sein, daß nachdem wir dem Herrn das
Register gezogen, der Herr Stadtpfarrer sich selber und der Verein
seine Consequenzen negiren wollte, aber dann sind nicht wir es die
verläumden; umgekehrt (jui s'sxeuss, s'aeouse. Wenn betont
wird, daß man uns kenne, so wird mau hiezu keiner großen Mühe
bedurft haben, da wir uns zu verbergen nicht die geringste Ver-
anlassung haben, auch wir und der Weinheimer Anzeiger, der im
Vorstand des Protestuntenvereins sitzt, langjährige Bekannte und
eifrige Geschäftsfreunde sind. Die „wenige Achtung", die uns
der Artikel genießen lassen will, ist wohl nur in den leeren Räumen
des Protestantenvereins zu Hause; aus Erkenntlichkeit geben wir
unsererseits die ganze Verachtung zurück jenen Menschen, die
ihre katholischen Mitbürger als Räuber und Mörder an den
Pranger zu stellen versuchten, die von „christlicher Liebe" über-
stossen, während sie mit fanatischem Haß gegen die katholische
Kirche erfüllt sind. Die Achtung dieser Leute werfen wir weit, weit
weg; darum wird uns auch der Schreckschuß: daß wir auch ihre
geringe Achtung noch verlieren würden, erst recht veranlassen,
diesen eonfcssionellen Schwindlern, insofern sie wieder in katho-
lisches Gehege einzubrechen Lust haben sollten, abermals mit der
gebührenden Aufmerksamkeit nachzugehen und durch ihre „Heilig-
thümer" katholischen Boden nicht besudeln zu lassen.
Höchlich gewundert hat es uns übrigens, daß man nicht den
„Weinheimer Anzeiger", das Amts- und Lokalblatt der Partei, son-
dern die „Heidelberger Zeitung" zur Ablagerung des betreffenden
Schmerzenschrei's gewählt hat. Dieses Blatt ist in unserm Bezirk
kaum dem Namen nach bekannt. Sollte der Schmerzensschrei uns
nur in hiesiger Gegend, wo allbekannte Thatsachen sich nicht mit
Redensarten niederpauken lassen, unbekannt bleiben? Sollte bloß
im Hauptquartier und am Vororte der Partei scheinshalber etwas
gesagt werden, um den Grimm der Führer über den zurückgetrie-
benen Posten in Weinheim und seinen befürchteten Niedergang zu
beschwichtigen? Nun, wir haben das ins Heidelberger Gestrüpp
gelegte Ei doch gesunden, ein weiteres Vereinschema mehr für
Herrn Stadtpfarrer Zäringer, wie diese Jesuiten und Ultramon-

Der schwarze Gentleman.
Aus den Erinnerungen eines Arztes.

(Fortsetzung.)
Diese nur von mir beobachtete Scene hatte mich so tief gerührt, daß sie
meinen Studien eine ganz neue Richtung verlieh. Alle meine Forschungen
waren von jetzt an darauf gerichtet, das geheimnißvolle Band zu erspähen,
welches das Leben des Geistes nut dem des Körpers vereint und beide von
einander abhängig macht, denn ich konnte mich der Ueberzeugung nicht ver-
schließen, daß das Gleichgewicht des zwiefachen Daseins im Grafen sowohl
wie in der Gräfin gestört ser. Das Mitleid, welches ich für sie empfand, er-
streckte sich auf alle in ähnlicher Art Leidende, und flößte mir den brennenden
Wunsch ein, ihnen zu helfen. Vergebens streben wir durch Chinin das körper-
liche Fieber zu bändigen, wenn es uns nicht gleichzeitig gelingt, durch ein entsprechen-
des Mittel das überreizte Gehirn zu beruhigen, und ebenso wenig vermögen
wir den leidenden Geist zu heilen, wenn nicht dem Körper durch zweckmäßige
Behandlung die Kraft verliehen wird, die Energie des Kranken zu unterstützen.
Hieraus ergibt sich die unabweisliche Nothwendigkeit der von mir angedeuteten
Forschung.
Während des diesem Vorfall auf dem Rhein folgenden zweijährigen Auf-
enthalts in Paris besuchte ich, so oft es anging, die Irrenhäuser und saß häu-
fig am Lager der Fieberkranken, um das psychologische Räthsel ihres Deliriums
zu ergründen. Auch an mir selbst suchte ich trotz den Schwierigkeiten eines
solchen Experimentes ähnliche Studien zu machen. So hatte _ um nur ein
Beispiel anzusühren — Einer den Auftrag, mich zu verschiedenen Stunden zu
wecken, damit ich den Gang meiner eigenen Träume überwachen könnte. Auf
diese Weise wollte ich die traumhaften Eindrücke in ihrer vollen Frische fest-
halten, den Einfluß der verschiedenen Stunden und der verschiedenen Bedin-
gungen, denen der Körper unterworfen war, ermitteln, um hierdurch die Ma-
terialien für eine psychologische Abhandlung zu sammeln, welche ich in der
vollen Kraft meiner reiferen Jahren auszuarbeiten gedachte.
Und immer wieder trat dabei die Erinnerung an das gräfliche Ehepaar

vor meine Seele. Es erfüllte mich ein glühendes Verlangen, in derselben
Weise auf das Leben der beiden Unglücklichen einzuwirken, wie sie auf das
meinige influirt hatten. Die Unruhe, welche der Graf wir verursachte, gab
mir in meinen Augen das Recht auf alle Geheimnisse seines Lebens, und da
es wir weder an Muße noch an pekuniären Hilfsmitteln mangelte, so bot ich
Alles auf, um in Kürze zu meinem Ziele zu gelangen. Ich besuchte die höch-
sten Zirkel, in denen es mir nicht an Verbindungen fehlte. Ich erkundigte
mich auf allen Gesandtschaften, fragte in allen Hotels nach, und ging sogar
so weit, auf dem Polizeibüreau Erkundigungen einzuziehen. Aber Alles um-
sonst, und ich mußte der Hoffnung entsagen, die geheimnißvollen Touristen je-
mals wieder zu sehen.
So nahte die Zeit meiner Abreise heran, und der alten Sitte gemäß
drangen meine Freunde in mich, bevor ich Paris auf immer Lebewohl sagte,
noch einmal alle Sehenswürdigkeiten dieser interessantesten Stadt in Augen-
schein zu nehmen. Aus Gefälligkeit bequemte ich mich dazu, obgleich es in
meinen Augen keine abgeschmacktere Rolle gibt, als die eines Curiositätenjägers.
So trat ich denn auch, um dem mir vorgezeichneten Programm gerecht zu wer-
den, eines Abends — zum erstenmale in meinem Leben — in ein Spielhaus.
Was ich dort sah, stimmte mit meinen Erwartungen keineswegs überein. Statt
der leidenschaftlich verzerrten Gesichter, die ich mir vorgestellt hatte, trat mir
überall eine studirte Ruhe entgegen — und wie jämmerlich schien mir die künst-
lich versteckte Leidenschaft, der studirte Heroismus, wenn ich daran dachte, daß
Aller Gedanken lediglich auf den Gewinn oder Verlust lumpiger Goldrollen
gerichtet seien! Schon wollte ich den glänzenden Saal verlassen, als meine
Aufmerksamkeit durch die Bemerkungen rege gemacht wurden, welche die Zu-
schauer unter einander austauschten. Sie galten der Hartnäckigkeit eines Spie-
lers, welcher seinen Einsatz stets auf dem Roth stehen ließ und schon fünfzehn
Mal hintereinander gewonnen hatte. Ich wand mich durch die Menge, um
auch meinerseits einen Blick auf den Spieler zu werfen, welchen mir Niemand
zu bezeichnen brauchte, da die vor ihm aufgehäuften Goldrollen und Bank-
noten ihn hinreichend verriethen. Aber kaum konnte ich einen Schrei der
Ueberraschung zurückdrängen, als ich im Glückskind den Grafen R., den schwar-
zen Gentleman erkannte.
(Fortsetzung folgt.j
 
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