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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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Erklärung.
Da man ein ganz geringfügiges Vorkommniß dahier ausge-
beutet und dazu benützt hat, um Hcn. Dr. Vissing Eines zu ver-
setzen und ihn als „Agitator" hinzustellen, so halten wir es für
unsere Pflicht, den wahren Sachverhalt hiermit der Oeffentlichkeit
zu übergeben. Dieses um so mehr, da ein Artikel in der Tauber
Nr. 154, Gerchsheim, den 4. Juli, dessen Schreiber muthmaßlich
ein in Ihrem Blatte schon mehrmals Genannter ist, unsre ganze
Gemeinde mit Verläumdungen überhäuft.
Am 28. Juni d. I. hatte der hiesige „andersgesinnte Rath-
schreiber" einige Schöpplein mehr zu sich genommen als er vertragen
konnte. Ein hiesiger Landwirth lud ihn etwa um halb 12 Uhr
Nachts am Wirthshaus auf den Wagen und brachte ihn in seine
Wohnung. Bald darauf erschienen im Nachbarshause zwei Männer,
ein lediger und ein verheiratheter, die von Wenkheim zurückgekom-
men waren. Der ledige Bursche hatte mit der Tochter im Nachbar-
hause eine Bekanntschaft gehabt, die durch ein Zerwürsniß aufgelöst
war. Diese wollte er durch Vermittelung seines Begleiters, der
in diesem Hause bekannt ist, wieder anknüpfen. Zu diesem Zwecke
sollte derselbe am Hause klopfen. Da aber das Fenster in einen
kleinen Hof vor dem Hause des Rathschreibers schaut, so mußten
beide diesen Hof betreten. Kaum bemerkte der Rathschreiber die
Gestalten, als er einige unverständliche Worte zum Fenster hinaus-
murmelte und gleich daraus zwei Schüsse abfeuerte, von denen
einer dem jungen Manne am Kopf vorbeipfiff. Dadurch gereizt,
hob dieser, während ihn der Andere davon abhalten wollte, einige
Steine auf und schleuderte sie gegen das Haus und entfernte sich.
Der Rathschreiber machte sich bewaffnet auf den Weg, holte den
Polizeidiener und zog mit diesem zum Bürgermeister, um von dem
Vorfall Anzeige zu machen.
Dies der wahre Sachverhalt ohne alle Beithat.
Hieraus geht hervor, daß die in der Tauber gegebene Dar-
stellung vollständig auf Unwahrheit beruht. Unwahr ist: 1) daß
das bezeichnete Vorkommniß „nach Hrn. Dr. Vissings Ankunft"
stattfand; denn dies geschah in der Nacht vom 28. auf den 29.
Juni und Herr Dr. Vissing käm erst am Abend des 29. Juni.
Unwahr ist 2) daß sich „in unserem Orte eine Rotte bildete und
vor das Haus des anders gesinnten Rathschreibers zog". Denn zwei
bilden bekanntlich keine Rotte und die zwei in Rede stehenden Per-
sonen dachten an nichts weniger als an den „andersgesinnten" Rath-
schreiber. Unwahr ist 3) daß eine Rotte das Haus des Rath-
schreibers von mehreren Seiten mit Steine bombardirte; da man
nur von einer Seite beikommen kann und da nur Einer, nach-
dem zwei Schüsse gefallen waren, einige Steine geworfen hat.
Wahr aber wäre gewesen, wenn der Artikelfabrikant geschrieben
hätte, daß der „andersgesinnte Rathschreiber" mit Forderungszetteln
und Zahlungsbefehlen bombaroirt wird. Unwahr ist 4) daß der
Rathschreiber „feuerte, als feine Aufforderung mit neuen Angriffen
erwidert wurde", da vorher gar kein Angriff ftattgefunoen hatte.
Hierbei sei bemerkt, daß derselbe nach Zeugenaussagen des Nachts
schon öfter ohne alle Veranlassung geschoßen hat. Unwahr ist 5)
daß der Rathschreiber einen Schuß auf den Haufen abfeuerte,
worauf dieser sich zerstreute, da er zwei Schüße abgefeuert hat und
em Haufen nur im Nebel des Rathschreibers existirte. Unwahr
ist 6) daß in der Wohnung des Angegriffenen „Steine bis zu 2^2
Pfund Gewicht gefunden wurden." Denn die Fenster waren nach
Aussagen von Zeugen am andern Morgen noch ganz unversehrt.
Wahr ist nur, daß eine Untersuchung eingeleitet ist, die allerdings
weder zu Gunsten des „andersgesinnten Rathschreibers" noch zur
Ehre des Arükelschreibers ausfallen wird. Doch wir sind noch nicht
zu Ende. Unwahr in dem Artikel der Tauber sind 7) „die un-
verantwortlichen Wühlereien der Ultramontanen in unserem Orte."
Denn man kann doch nur wühlen, wo ein Terrain ist. Nun aber
find die Bürger von Gerchsheim alle „Ultramontane", d. h. Ka-
tholiken, bis auf den „andersgesinnten Rathschreiber", den vielge-
nannten Artikelschreiber und noch einen oder den andern hiesigen
Bürger. Unwahr ist 8) daß „wir schon bei den letzten Zollparla-
mentswahlen Unruhen und Ueberschreitung der Ordnung befürchteten."
Diese Befürchtungen können nur in der Phantasie einiger exaltirter
Köpfe exfftiren, die jedes Geräusch fürchten, weil's im Gewißen
nicht sauber ist. Unwahr ist 9) daß „sich so viel Zündstoff ange-

häuft hat, daß es nur eines geringen Anlaßes bedurft um
Ausschreitungen zu veranlassen." Dieser Zündstoff ist auf einer
ganz andern Seite zu suchen, wo man die Schandthaten von
Mannheim, Markdorf, Neckarsteinach gerne in Scene setzte.
Unwahr ist 10) daß wir unter Befürchtungen der augemeldeten An-
kunft des Hrn. Dr. Bissing auf den 28. Juni entgegensahen, da
die Ankunft des Hrn. Dr. Bissing gar nicht angemeldet war und
Lis zum 29. Juni Abends 6^/2 Uhr hier noch kein Mensch wußte,
ob Hr. Dr. Bissing nur hierher kommen würde. Unwahr ist 11)
daß die angemeldete Ankunft des Hrn. Dr. Bissing die alten
Leidenschaften neu anfachen mußte", da keine „alten Leidenschaften"
da waren, also auch keine angefacht werden konnten. Auch war
die Sprache des Hrn. Dr. Bissing eine äußerst gemäßigte. Unwahr
ist also der ganze Artikel der „Tauber" in Nro. 154 von A.
bis Z-
Wir erklären hiermit jeden Satz als unverschämte, ten-
denziöse Lüge und Verläumdung unserer ganzen Ge-
meinde und erwarten, daß der Artikelschreiber für seine Behaup-
tungen mit seiner Namensunterschrift einstehe, wofern er über-
haupt noch so viel Ehrgefühl besitzt, daß ihm an der Achtung
seiner Mitbürger etwas gelegen ist.
Gerchsheim, den 14. Juli 1868.
Der Gemeinderath:
Schmitt, Bürgermeister.
Adam Fischer.
Michael Schiller.

S Die Vorschuß- und Credit-Kasse in Hardheim.
Nachdem in Hardheim (Amt Walldürn) unterm 24. Mai d. I.
Une Vorschuß- und Creditkasss in das Leben getreten, wird es wohl
für die Leser des Boten von Interesse sein, Kenntniß von dieser
Sache zu erhalten.
Der Vorstand des katholischen Vereins brachte diese Angelegen-
heit bei einer Versammlung zur Sprache, begründete in Kürze die
Wichtigkeit, ja Nothwendigkeit einer solchen Kasse für Hardheim,
entwarf die Grundzüge davon, und erntete allgemeinen Beifall.
Dadurch bestärkt, entwarf er die Statuten, die nach mehreren
reiflicheren Berathungen endlich die Zustimmung erhielten und wo-
rauf sich gleich 50 Männer zum Beitritt erklärten.
Da indeß die Kasse nicht blos für die Mitglieder des katho-
lischen Vereins, sondern für die gesammte katholische Bürgerschaft
fein sollte, wurde eine öffentliche Versammlung anberaumt, zu welcher
alle kathol. Bürger, speciell auch der löbliche Gemeinderath, einge-
laden wurden.
Die Versammlung war zwar ziemlich zahlreich von Mitgliedern
des katholischen Vereins, aber sehr spärlich von andern Bürgern
besucht, was im Interesse der Sache zu bedauern war; der Herr
Bürgermeister und Gemeinderach waren der Einladung bereitwilligst
gefolgt, sicherlich im Interesse einer solchen für die Bürgerschaft
so hochwichtigen Sache.
Bei dieser Versammlung wurde nochmals die Bedeutung und
Wohlthätigkeit einer solchen Anstalt besprochen, die Statuten vor-
gelesen und erläutert und es zeichneten sich als Mitglieder 52 Per-
sonen ein; somit war der Verein in das Leben getreten.
Der leitende Gedanke bei Gründung desselben war:
Die Verarmung des geringeren und mittleren Bürgers hat
oftmals darin ihren Grund, daß er im Nothfall keine oder nur
solche Hilfe hat, die ihm große Opfer au^legt, welche ihn nach und
nach zu Grunde richten. Ach, wie oft wird die Noth des Men-
schen durch Habsucht und Wucher abscheulich mißbraucht!
Dieser Verarmung einigermaßen entgegenzutreten, den Credit
des Bürgers zu heben, ihm Muth und Lust zur Arbeit einzuflößen,
sein Vertrauen zu erhalten oder wieder zu wecken, sollte durch einen
solchen Verein vor Allem bezweckt werden.
Um denselben aber recht bald in's Leben treten zu lassen, um
dem mittleren Manne so leicht als möglich zu helfen, ihm den
Eintritt in den Verein nicht zu erschweren, und um demselben einen
guten Halt zu geben, mußte derselbe hauptsächlich auf christliche
Liebe erbaut werden.
Diese ist es, die der Welt so sehr fehlt, während doch sie allein
nur im Stande ist, die großen socialen Schäden der Menschheit zu
 
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