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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 142-154 (1. Dezember - 31. Dezember)
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Süddeutschland.
* Heidelberg, 28. Nov. Es ist bezeichnend, daß nun auch
die Kreuzzeitung gleich den nationalliberalen Blättern über Herrn
v. Beust herfällt, weil dieser das unverzeihliche Verbrechen began-
gen hat, zur Rettung von Oesterreichs Existenz sich ein achtung-
gebietendes Heer zu schaffen, das zugleich jede weitere Verletzung
des Prager Friedens abzuwehren habe. Die Wuth der Kreuzzei-
tung richtet sich besonders gegen die Aeußerungen Beust's bezüglich
der nordschleswigischen Frage, die die Bestimmungen des Friedens
immer noch offen läßt und so vielleicht den ersten Anstoß Zu weite-
ren Verwickelungen geben kann. Das conservaüve preußische
Blatt droht in sehr vernehmlicher Weise, aber je mehr die Rüstun
gen in Oesterreich vorwärts schreiten, desto mehr wird man dort
die bisher fast verloren gegangene Sprache wieder zu finden wis
sen. — Der zum Bischof avancirte kath. Feldpropst in Berlin
hat eine Ansprache erlassen, in welcher von Gott wenig die
Rede ist, dagegen um so mehr von den glorreichen Siegen, die
den Gustav Adolfs-Ritt bis unter die Mauern von Wien gebracht
haben. Es ist wahrhaft widerlich, dieses von Kriecherei strotzende
Aktenstück zu lesen und beweist auf's Glänzendste die Wahrheit
des von Bischof Ketteler ausgestellten Satzes, daß die Hedwigs-
kirche in Berlin zu nahe beim königlichen Schlöffe sei. — In der
Debatte über das Deficit ist es lustig zugegangen im preußischen
Abgeordnetenhaus. Die besten Redner gegen die Regierungspolitik
und den Lasker'schen Antrag waren Virchow und Windthorst.
Wenn Windthorst, wie wir bereits gesehen, den passenden Aus-
druck „nationalen Katzenjammer" zur Bezeichnung des Antrags
von Lasker gebrauchte, so ging dagegen Virchow mit den schärfsten
Waffen dem Ministerium selbst zu Leibe.
„Wir in Preußen", sprach er, „haben ein Deficit; um
dieses Deficit zu decken, sagt man uns, die Einnahmen des Bun-
des müssen vermehrt werden, aber die Einnahmen des Bundes
sollen nicht vermehrt werden aus dem Wege der Gesetzgebung des
Reichstages, sondern aus dem Wege der Gesetzgebung des Zollparla-
ments. Eine derartige Verschiebung der Verhältnisse ist allerdings
wohl noch niemals in der Welt dagemesen: man läßt in letzter
Instanz über unsere Steuerverhältnisse, über die Belastung unseres
Volkes einen Körper entscheiden, welcher gar kein unmittelbares
Interesse an den Aufgaben hat, die wir zu verfolgen haben."
Neben dieser Anomalie wies er die anomale Stellung der preußi-
schen Minister nach. „Das Ministerium besteht aus einzelnen
Personen, lauter äisjseta weiubra, und das Haupt dieses Mini
steriums, welches einsam trauernd auf den Prairieen von Pommern

weilt (große Heiterkeit), von diesem Haupte sehen wir, daß es sich
um die Finanzverhältnifse nicht kümmert. Aus diese Weise, durch
diese Zerstreuung,' durch diese Jsolirung der einzelnen Personen
erklärt sich die Lehre von dem „heidenmäßig vielen Geld." (Heiter-
keit.) Am entschiedensten aber erschien ihm die Anomalie, welche
die Stellung des Kriegsministsrs darbietet. „Ein Kriegsminister,
der nicht mehr preußischer Kriegsminister ist, der also uns nicht
mehr verantwortlich ist, ein Kriegsminister, der aber auch nicht
der' förmliche Kriegsminister des Norddeutschen Bundes, auch nicht
des Zollparlaments ist (Heiterkeit), sondern ein Kriegsminister in
xartibuZ, soweit es sich nämlich um constitutionelle Verhältnisse
handelt, aber von härtester Wirklichkeit, wenn es sich um die Aus-
gaben des Landes handelt — in welcher Weise diesem Kriegsmim-
ster beizukommen ist, ist mir vollständig unbegreiflich." (Heiterkeit.)
Und wie versteht jetzt die Staatsregierung die Selbstverwaltung?
„Selbstverwaltung bedeutet, daß Gemeinde oder Kreise oder Pro-
vinzen Ausgaben übernehmen, die bisher der Staat hat leisten
müssen (Heiterkeit links), aber ohne daß ihnen die Einnahmen
mit überwiesen werden, welche bisher zur Deckung dieser Ausga-
ben dienten." Im weitern Verlaus kam Dr. Virchow des nähern
aus die Annexion Süddeutschlands zu sprechen und zog bei dieser
Gelegenheit eine Art Parallele zwischen Garibaldi und dem Grasen
Bismarck. „Der Herr Ministerpräsident", sagte er u. a., „hat
mir am 12. September 1866 , als ich davon sprach, wie unvoll-
kommen die Politik gewesen sei, die er getrieben habe, erwidert:
„Wir sind nicht am Ziele unserer Politik, wir sind am Anfänge."
„Meine Herren, es gab eine Zeit, wo Garibaldi in Beziehung auf
Italien auch eine solche Meinung hatte; er hat sich einige Male
in die Einsamkeit zurückgezogen, er hat mehrmals Versuche gemacht,
die alte Politik wieder auszunehmen; jeder dieser Versuche hat
mit einer Niederlage geendigt, und es scheint, daß er ermüdet
für längere Zeit aus Caprera weilt. (Heiterkeit.) Meine Herren,
steht es denn mit unserm Herrn Ministerpräsidenten anders ? Steht
er denn nicht in demselben Stadium ver Ermüdung, vielleicht der
Verzweiflung an der Fortsetzung des Werkes, und sehen wir denn
irgend eine Thatsache vor uns, aus der wir schließen können, daß
die Regierung intendirt, in irgend einer nächsten Zeit jenen wei-
tern Gang der Politik Zu verfolgen?" Herr Virchow wandte sich
weiterhin gegen eine Aeußerung Twesten's, wonach man „aus
Gründen der höchsten äußern Politik in der Bundesverfassung
auf allerlei Dinge verzichtet habe." Hrn. Virchow erscheint es
„nicht als die höchste äußere Politik, daß man darauf wartet, ob
man nicht endlich Süddeutschland ergreifen kann. Das ist im

Im Leben schweigen und sterbend vergeben.
Nach dem Spanischen des Fernan Caballero.
(Fortsetzung.)
Die Verstöße, welche Rosalie häufig bei Besuchen gegen die gesellschaftli-
chen Formen beging, empörten ihn, obgleich es so natürlich war, daß das
arme, auf dem Lande aufgewachsene junge Weib die conventionellen Sitten
und Gebräuche der großen Städte nicht kannte, sich nicht mit Eleganz zu klei-
den verstand und nicht drei oder vier Stunden bei der Toilette zubrachte. Sie
sang nicht, sie tanzte nicht, sie spielte nicht das Piano, und der Gatte, gekränkt
dadurch in seiner thörichten Eigenliebe, hatte sich, um seinem Unwillen Luft
zu machen, einen Ausdruck angewöhnt, mit dem er die arme Frau fortwährend
demüthigte und verletzte, und der also lautete: „Du verstehst auch gar
nichts!"
Es gibt zwei Dinge, gegen die kein Despotismus etwas vermag. Diese
sind das Metall, welches immer mit gleicher Kraft Widerstand leistet, und die
Binse, welche fortwährend nachgibt. Aus diesem Grunde war in jenem Hause
Friede, denn der Despotismus, der darin herrschte, hatte nur mit schwachen u.
nachgiebigen Binsen zu thun. Sowie der Orkan unwiderstehlich über eine
weite Ebene hinsaust, so gebot der Wille des Tyrannen in der Häuslichkeit.
Inzwischen war das Verhältniß Donna Mariana's zu ihrem Sohne
immer gespannter geworden. Die gute Frau, in allen Dingen dem Willen
ihres Schwiegersohnes unterworfen, nahm die von dem jungen Manne einge-
sendeten Rechnungen nicht an, da er fortgefahren hatte, das Vermögen seiner
Mutter mit dem seinigen zu verwalten, und setzte es in Folge der immer
dringender werdenden Weisungen Penalta's nach langem Streite durch, daß
das Vermögen endlich getheilt und der ihr zukommende Antheil herausgezahlt
wurde. Die Regulirung dieser Angelegenheit fand kurze Zeit nach der An-
kunft der Familie in M— statt, und die gute Frau fühlte sich dadurch von
einer großen Last befreit', indem sie glaubte, nunmehr jede Veranlassung zu
ferneren Streitigkeiten mit dem Sohne und dem Schwiegersöhne beseitigt zu
haben.

Eines Morgens war ihr durch den Bevollmächtigten ihres Sohnes der
Rest des Capitals im Betrage von fünfhundert Goldrealen gezahlt worden.
Donna Mariana hatte neben ihrer Tochter sitzend, die Quittung ausgestellt
und freute sich über die definitive Beendigung dieser Angelegenheit, als das
älteste ihrer Enkelkinder von der Schule nach Hause kam und in das Zimmer
trat. Der Knabe hielt sehr erfreut ein Blatt Papier in der Hand, welches
er an diesem Morgen in der Schule beschrieben hatte und zeigte das der
Großmutter. Letztere nahm das Blatt mit dem bereitwilligen Interesse, das
sie in allen auf ihre Enkel bezüglichen Dingen hegte, und las Len auf der
ersten Zeile der Seite mit fester Hand geschriebenen und auf allen folgenden
Zeilen von dem Knaben nachgeschriebenen Satz: „Rechne nicht auf den kom-
menden Morgen, denn du weißt nicht, ob du ihn erleben wirst."
Mit dem Ausdrucke von Zufriedenheit betrachte die Frau jede Linie und
sagte dann zu dem Kinde:
„Es steht auf allen Linien dasselbe, mein kleiner Andres."
„Ja, Großmutter", erwiderte der Knabe, „mit Ausnahme der letzten
Zeile."
Die Alte richtete dann den Blick darauf und las: „Geschrieben von An-
dres Penalta, am 20. März 1840."
„Wir haben heute erst den I9ten mein Kind", bemerkte sie.
Der Knabe lachte und versetzte:
„Das ist wahr, ich habe mich geirrt. Aber was that es? Ich könnte es
ja auch morgen geschrieben haben."
„Vergißt du so schnell die in dem Satze enthaltene Lehre, den du soeben
geschrieben hast?" sagte die Großmutter. „Steht da nicht: „Rechne nicht auf
den kommenden Morgen, denn du weißt nicht, ob du ihn erleben wirst."
„Nun, ich will es verbessern", antwortet der Knabe und lies mit dem
beschriebenen Blatt davon.
Einige Minuten darauf kam er zurück und legte es der Großmutter wie-
der vor.
„Mein Kind", rief diese augenblicklich, „weßhalb hast du die Zahl mit
rother Tinte verändert? Jesus, das sieht ja aus wie Blut!"
„Die rothe Tinte stand gerade auf Vaters Tische und gefiel mir so seh r",
erwiderte der Knabe.
(Fortsetzung folgt.)
 
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