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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 77-89 (2. Juli - 30. Juli)
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für Stadt


78.

Samstag den 4. Juli

1868.

Berichterstattung des Abgeordneten Lindau
über seine Thätigkeit im Zollparlamente.
(Schluß.)
Herr Lindau fährt fort:
Ich habe mich gründlich umgesehen; Ausflüge gemacht, um
Land und Leute und die Verhältnisse kennen zu lernen und muß
sagen, daß die Schwärmer für norddeutsche Zustände, welche in
unserem Lande sich wichtig machen und das Süddeutsche auf Kosten
der Wahrheit heruntersetzen, sehr Unrecht haben, wenn sie dem
Volke eine Superiorität in Bezug auf Intelligenz und Bildung
zusprechen. Ich habe nicht gefunden, daß das Landvolk in Preu-
ßen, der gewöhnliche Mann, mehr politischen Verstand habe als
unser Volk; vielmehr sah ich da ein resignirtes, stumpfsinniges
Wesen, mit dem man, innerlich voll Grimm, die großen Lasten
trägt. Gott sei Dank, daß es bei uns in Manchem doch noch
anders bestellt ist; ich sage den Schwärmern für preußische In-
telligenz, gehet und sehet unser Landvolk, wie es den Kopf frei
trägt und an Hellem politischem Verstand den Norden überragt.
Ich habe ferner große Armuth gesehen, Volkselend; es ist meine
Ueberzengung, daß Preußen die Mittel zu dem großen Militär-
aufwande schon jetzt nicht mehr zu erschwingen vermöchte, wenn
ihm nicht die Handelsverträge mit dem Süden eine fette Trifte
für seine Kassen böten. Sie sind darauf berechnet, möglichst vieles
Geld zu bekommen für den Unterhalt der übertriebenen Militär-
macht. Der jetzige Zollvereinsvertrag hat die Natur des früheren
Verhältnisses total verändert. Wir haben nicht mehr den alten
Zollverein, der bestimmt war, Industrie und Handel zu unter-
stützen, sondern einen Steuerverein zur Füllung der Kriegskasse,
wobei Süddeutschland einen großen Tribut an den Norden zu
leisten hat, indem bei der Verkeilung der Zölle und Verbrauchs-
steuern nach der Kopfzahl der Norden, nach sicherer Berechnung,
von den Südstaaten sieben Millionen Gulden übermäßig bezieht.
Ich bin stolz darauf, in unserer zweiten Kammer dec Einzige ge-
wesen zu sein, der gegen die nachtheiligen Verträge gestimmt hat.
(Bravo! Bravo!) Hier ist aber kein stummes Zusehen am Platze,
denn dieses Ausbeulungssystem wuchert immer weiter, und wenn
wir nicht erleben wollen, daß unser Volk ebenso arm und gedrückt
werde, wie das im Norden, so muß an der Wiederaufhebung die-
ser Verträge rastlos gearbeitet werden. Kurzum, der Anschluß der
Südstaaten an den Nordbund, wenn die deßfallsigen Bestrebungen
von Erfolg sein würden, wäre von Verderben für unser Volk. —
Wir haben im Süden bezüglich der politischen Rechte und der
konstitutionellen Freiheit auch noch Manches zu wünschen, aber
vergleichsweise sind unsere Zustände doch noch golden gegen die-
jenigen im Nordbunde Der ganzen Anlage nach ist der Nord-
bund auf straffe Centralisation gerichtet, was dem deutschen Natio-
nalcharakter schnurstracks entgegenläuft. Das Aufgehen der deut-
schen Staaten und Stämme in Preußen ist der norddeutsche Reichs-
tag bestimmt zu verwirklichen. Dieser norddeutsche Reichstag er-
scheint mir nur mehr als eine Dekretirmaschine. Die wichtigsten
Gesetzentwürfe werden bis zuletzt aufgeschoben, und dann nach
kurzer Discussion viele Gesetze wie im Fluge angenommen. Wenn
Graf Bismarck nur Beschlüsse hat und Geld, dann ist er zufrie-
den. In der Frage der Marine-Anleihe hatte der Reichstag dem
Herrn Bundeskanzler vor den Kopf gestoßen. Er kennt aber seine
Nationalliberalen nur zu gut. Sie wurden von ihm nach Kiel zu
einer Festivität eingeladen und da mit feinen Weinen und noch
feineren Redensarten gekirrt, — aus war es dann mit dem Prin-
zip bei ihnen; nach Berlin zurückgekommen, stießen sie ihren frühe-
ren Beschluß um, und votirten, was Graf Bismarck wünschte.
Graf Bismarck bekommt Geld und ist zufrieden. (Rauschender
Applaus.)
Die süddeutsche Fraktion hat am Schluffe des Zollparlamentes
zufolge reiflicher Erwägung und in Anbetracht der genau geprüf-
ten Verhältnisse ihr politisches Programm aufgestellt und veröffent-
licht. Wir haben es als eine gebieterische Nothwendigkeit erkannt,
dem militärisch-absolutistisch centralistischen Nordbund einen Bund
der süddeutschen Staaten auf freiheitlicher Grundlage mit selbst-
bestimmender Geltung des Volkswillens entgegenzustellen. Dieser
süddeutsche Bund soll sich dann mit Oesterreich näher verbinden,

damit die jetzt ausgestoßenen Deutsch-Oesterreicher wieder an den
Geschicken des gemeinsamen Vaterlandes theilnehmen können. Wir
sind die Begründung dieses Südbundes, als eines Gegengewichtes,
dem Norden schuldig, damit die freisinnigen Elemente einen Stütz-
punkt erhalten gegen den militärisch centralistischen Absolutismus;
wird sind sie schuldig den deutschen Brüdern im Norden, welche
gegen ihren Willen um ihre Stammcseigenthümlichkeit und Selbst-
ständigkeit gebracht wurden — und es soll auf diese Weise ein
förderaüves einiges Deutschland wenigstens im deutschen Volke
sich gestalten und lebendig werden. Wir wissen endlich, daß die
Regierungen in den Südstaaten der Errichtung eines solchen Süd-
bundes widerstreben; hierin liegt die Pflicht für uns gegen das
eigene süddeutsche Volk, nicht zu ruhen und zu rasten, bis die ge-
rechten Wünsche des Volkes, um die es 1866 nicht nur beraubt
wurde, sondern deren Erfüllung da auch in weite Ferne gerückt
worden ist, zu ihrer Realisirung gelangt sein werden. (Bravo!
Einverstanden!)
Nun habe ich Ihnen auch noch Aufklärung darüber zu geben,
weßhalb ich in dem Zollparlament nicht, wie ich bei der Prozeß-
verhandlung in Heidelberg es ankündigte, Beschwerde gegen die
badische Regierung führte wegen der mir widerfahrenen Mißhand-
lung. Gefürchtet habe ich mich deßfalls wahrlich nicht, dessen wer-
den Sie sich versichert halten. Es war mir indessen reichlich Ge-
legenheit geboten, vielen bedeutenden Persönlichkeiten die Zustände
in unserem Baden zu schildern, und ich kann Ihnen sagen, daß
diese Männer sich außerordentlich erstaunten. Der Grund, warum
ich die Beschweroeführung unterließ, lag in der Bitte meiner Frak-
tionsgenossen, welche das Bedenken erhoben, daß dadurch das Zoll-
parlament veranlaßt würde, über die inneren Verhältnisse eines
Einzelstaates abzuurtheilen, was dann ein Vorschub wäre im Prin-
zip für die von den Nationalliberalen angestrebte Competenzerweite-
rung; das persönliche Interesse war sonach hier dem politischen
Interesse jedenfalls nachzustellen. Unsere Nationalliberalen hatten
von Wahlanfechtung gesprochen. Nichts hätte mir erwünschter
sein können, als eine solche, und ich hätte eine strenge Prüfung
selbst verlangt, denn ich war mit mehr als hundert Belegen aus-
gerüstet, um aufzudecken, wo es unsauber zugegangen war. Die
Nationalliberalen ließen aber ihren Anfechtungsgeist säuberlich
ruhen, wegen des Fiasko, das sie bezügl. der rvürttembergischen
Wahlen gemacht hatten. Ich sah mir nur mit dem größten Leid-
wesen die Gelegenheit entgehen, die systematische Wahlbeeinflussung
vor das Forum dieser großen Körperschaft zu ziehen. Uebrigens
denke ich, daß wir auch der Hilfe des Zollparlamentes gar nicht
bedürfen; sondern selbst fertig zu werden uns tüchtig genug wissen.
(Bravo! Ja wohl!)
Schließlich betone ich nochmals, daß in den Nordgegenden,
die zum norddeutschen Bunde gehören, mir eine großartige Ver-
armung vor Augen trat, und daß diese evidente Thalsache uns
mahnt, mit allen zuständigen Mitteln zu verhüten, daß solche
Zustände auch zu uns verpflanzt werden. (Stürmische Zustimmung.)
Ich hatte es lebhaft bedauert, mich nicht vor meiner Ab-
reise nach Berlin mit Ihnen haben benehmen zu können. Sollten
Sie sich nicht befriedigt finden mit dem geschilderten Ergebniß
meiner Thätigkeit als Ihr Abgeordneter zum Zollparlament, so
habe ich Ihnen zu überlassen, die Schuld davon Denjenigen bei-
zumessen, welche mich gehindert haben, vor Beginn dieser Thätig-
keit Ihre Wünsche entgegenzunehmen. Ueber die Gründe zu dem
damaligen Verbote habe ich erfahren, die Ruhestörungen seien be-
fürchtet worden, weil zwei Schullehrer im Bühlerthal privatim
Prügel bekommen hatten, und weil die Hanauer Härten herbei-
kommen können. Meine Freunde : so wie ich unser Volk kenne,
kommt es nicht, wenn Einer da ist, den es nicht sehen will, es
sei denn, daß es befohlen würde. (Jubelnder, anhaltender Zuruf
und Händeklatschen.)

c< Schluß der Rede des Abg. Bissing in Grünsfeld.
Durch die Niederlage, welche sie bei der Adresse und den
Wahlprüfungen erlitten halten, äußerst erbittert, sannen die
Nationalliberalen auf ein Mittel, um ihre bei dem Beschluß auf
Tagesordnung verloren gegangenen Reden nachträglich an den
Mann zu bringen. Der Abg. Bamberger brachte einen Antrag
 
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