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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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118. Dienstag den 6. October 1868.


Aus der kurhessischen Denkschrift
haben wird eine thatsächliche Miltheilung aufgespart, um sie in
unserer großpreußischen Collection nach ihrem ganzen Werth zur
Geltung zu bringen. Als „Worte des Grafen Bismarck an den
kurhessiscken Gesandten von Schachten am 22. Juni 1866" führt
die Denkschrift an: Der Minister „erklärte ohne Scheu, daß ehe
er den Oesterreichischen Oberfeldherrn nach Berlin vordringen
lasse, er das linke Rheinufer zu opfern gesonnen sei."
Ein offenes Wort, ein deutsches Wort, wie jener edelste Deutsche
je eins gesprochen! Eine würdige Perle in dem Schmuck der
Zollern. Lassen wir uns einmal alle die Perlen durch die Finger gehen:
1) Biarritz — noch nicht durchsichtig, erhält aber einiges
Licht durch
2) Als der preußische Generalstab bei Vorbereitung des
Bruderkrieges den Grafen Bismarck nach der politischen Gesammt-
Situation fragte, namentlich ob gegen Frankreich Deckung aufzu-
stellen und wie starke, da antwortete selbiger Graf: kein Mann sei
aufzustellen. So berichtet eine preußische Darstellung der Vorgeschichte
des Bruderkriegs. Thatsache ist, daß kein Mann aufgestellt wurde
gegen das Ausland Frankreich. Für seinen Bruderkrieg war Graf
Bismarck des Auslandes Frankreich sicher, wahrscheinlick von Biar-
ritz her.
3) Mai 1866. Bündniß des Grafen Bismarck mit dem Aus
land Italien zum Behuf des deutschen Bruderkrieges. Wortlaut
officiell bekannt.
4) Juni 1866. Liebreiche Verabredung der beiden deutschen
Grafen Bismarck und Usedom zu einem mit den italienischen Aus-
ländern während des deutschen Bruderkriegs, nach vorheriger Be-
seitigung etwelcher Deutscher durch besagte italienische Ausländer
und sonstige Bismärcker, im deutschen Wien oder München abzu-
haltenden Rendezvous. Wortlaut officiell bekannt. Bismarck's Com-
plicität ausdrücklich bezeugt durch Jacini, selbst von Werther nicht
geleugnet.
5) Juni 1866, zweite Hälfte. Deutschester Entschluß des
Grafen Bismarck, im Fall der Niederlage den Schutz des Aus-
landes Frankreich zu erkaufen durch die Aufopferung des links-
rheinischen Deutschlands an selbiges Ausland Frankreich. Verkündet
an Hrn. von Schachten, Zeugen.
Dies sind die fünf großen Perlen, welche verknüpft durch das
blutrothe Band vieler thränenreicher Bruderkämpfe, als edelstes
Juwel prangen am Halse des deutschen Großpreußen. Zur Zierrath
sind mehrere gebrochene Landesrechte beigefügt, auch einige Frank-
furter Millionen. Die Schleife bildet der Strick, an welchem der

Bürgermeister Fellner sich aus Verzweiflung aufgehängt hat.
Sämmtliche Kostbarkeiten — gegen hohes Eintrittsgeld — im
schwarzweißrothen Gewölbe. Im Hintergründe eine Mauer von
Leichensteinen aus ganz Mitteldeutschland. Erläuternde Beschrei-
bung von Heinrich Treitzschke und Moritz Busch, preiswürdig, also
wohlfeil. (Demokr. Eorresp.)

* Anfrage an die Badische Landeszeitung.
Unsere Freundin die alte Landesbase ist einmal wieder sehr
arg entrüstet über die bitterbösen „Ultramontaneu und Ultra-
demokraten," weil diese immer noch nicht trotz ihren täglichen
Lectionen das Glück der Verpreußung begreifen wollen. Um aber
mit den hartgesottenen Sündern ein- für allemal aufzuräumen,
will Ue Base „ganze Arbeit" dadurch geschaffen haben, daß sie
folgenden Vorschlag macht: „Diese Wühlerei ist nicht nur sittlich
verwerflich, sie ist strafgesetzlich zu ahnden, denn es handelt sich
dabei nicht um Parteifragen, sondern um die Grundpfeiler unserer
Nationalität. Unser Strafgesetz Z 595 ff. bietet dazu keinen ge-
nügenden Anhalt mehr. Es wäre eine Bestimmung nöthig, welche
ganz allgemein den nationalen Stanopunkt betont etc. So weit
wird's schon von ministerieller Seite getrieben, wie dieser Fühler
der Base beweist, daß auch der letzte Rest von Preßfreiheit ver-
nichtet werden soll durch eine „ganz allgemeine, den nationalen
Standpunkt betonenden Bestimmung", wodurch allein noch die Muß-
lobhudelei auf Preußen übrig bliebe. In der That, eine solche Be-
stimmung wäre ganz dem Geiste der Schreckenszeit von 1793 in
Frankreich würdig, von welcher doch sonst unsere verehrte Landes-
base nicht viel wissen will. Also, Gewaltmaßregeln, und zwar
weil die Landeszeitung in dem Mangel an Sympathie für Preu-
ßen den schlimmsten Landes- und Vaterlandsverrath erblickt, der
nicht strenge genug gestraft werden könne.
Wir wollen der Landeszeitung darauf Eines erwidern und zu-
gleich eine Anfrage an sie stellen. Der Pfälzer Bote glaubt dies
um so mehr thun zu können, als es ihm nie eingefallen ist, von
den „lieben kleinen Französlein" zu reden.
In der letzten Zeit regnete es Enthüllungen über die Buhlerei
der preußischen Politik mit dem Auslande und das Neueste und
Schmählichste in dieser Beziehung bietet uns eine Denkschrift des
Kurfürsten von Hessen, in welcher sich folgende Mittheilungen aus
dem verhängnißvollen Jahr 1866 finden:
Am 15. Juni — dem Tage nach dem bekannten Bundesbe-
schluß — hätte nach dieser Denkschrift der preußische Gesandte dem
Kurfürst als Preis für die Neutralität und Annahme der Bundes-

Der Enderle von Ketsch.
Erzählung von E. Diethoff.
(Fortsetzung.)
Aber damals, damals, als man in deutschen Landen noch „post natum
6dristum 1530" schrieb, da waren Wald und Strom noch frei/ Der Wald
wuchs wo und wie es ihm gefiel, und dem Rheine war noch kein Weg vorge-
zeichnet worden mit Mehschnur und Winkelmaß. Da und dort, nach Behagen,
legte der Strom eine Kiesbank an , die Nist- und Brutstätte Tausender von
Vögeln. Denn, was er hier freiwillig gegeben, riß er dort wieder los, und
so ungefüge, daß die Baumwurzeln des losgetrennten Waldstückes gar kläglich
das nackte Gefaser hinausstreckten, bis Schlamm und Hochwasser eine neue
Schutzdecke darum legten.
Das war kurpfälzisch und bischöfl. speyerisch Geländ. Der Uferwald dehnte
sich bis hin, wo die Sanddünen, quer das Land durchschneidend, der üppigen
Pracht ihre Gränzen zogen. Wie abgeschnitten hörte hier der Laubwald auf
und beginnt der Kiefernwald. Da fristet er auf magerem Sandboden sein
kümmerliches Leben, der poesielose, nüchterne Taglöhner, der arme Mann. Da
wiegen keine stolzen Bäume die Kronen im Windhauch, da schwanken keine
Blumenbüschel um ihre Stämme. Kahl und nackt reiht sich Stamm an Stamm,
heiß brennt die Sonne in den schattenlosen Wald und auf den leeren Boden.
Denn von seiner geringen Habe bezahlt er, wie sein menschliches Gegenbild, den
menschlichen Zoll. Nicht die Nadeln und nicht die Samenzapfen, die sein
müder Herbst herabstreut, gönnt ihm der Mensch, und nicht die Sprossen,
welche sein kurzer Frühling treibt, das Wild. Und Wild genug, das den
jungen Wuchs und die weiche Rinde benagte, gab es im Walde. Von den be-
scheidenen Kaninchen in den Sandgruben der Dünen bis zu dem Edelhirsch,
der die breite Brust im Rheinstrom badete, vom Fuchs bis zum stinken Eich-
horn, gab es Wild aller Gattung in Hülle und Fülle um das kurpfälzische
Jagdschloß „Schwetzingen!"

In „Schwetzingen" hielt Hof Herr Otto Heinrich der Pfalzgraf bei
Rhein.
Auf der Burg zu Heidelberg saß der Kurpfalz-Regent, Herr Ludwig der
Fünfte mit dem Beinamen der Friedfertige. Mit ihm in tiefer Eintracht hauste
sein Bruder Friedrich, der sich gar gern „den Weisen" nennen hörte, ein hoch-
gelahrter Herr.
Sonst waren andere Beinamen in Kurpfalz gang und gäbe gewesen, als
da sind „Ludwig der Strenge" und „Friedrich der Siegreiche."
Auf der Pfälzer Burg war aber heut ein ander Leben, obschon auch Lud-
wig seine Siege gehabt hatte, denn er war nicht immer der „Friedfertige" ge-
wesen. Freilich damals, als seine brüllenden Feldschlangen Burg „Landstuhl"
und ihren Ritter zerbrachen, als der Löwe im Sterben Lag, da bot ihm fried-
fertig der Chursürst die Hand und ließ seine Friedensfahne wallen über den
Trümmern der geschleiften Sickinger Burgen und den zertretenen Planen des
letzten Ritters.
Und Friedrich war nicht immer nur „der Weise" gewesen. Oder war eS
weise gehandelt, als er jenesmal bei dem großen Turnier zu Brüssel des Kai-
sers Schwester Eleonere zu einem nächtigen Stelldichein in ihren eigenen Zim-
mern veranlaßte? Kaiserliche Majestät nahm dieses ritterliche Abenteuer auch
gar ungnädig auf, denn die Zeit lag in vergessenem Dunkel, da Könige und
Fürsten die eour ä'Linour hielten und päpstliche Legaten dieses Hofes graduirte
Ritter waren. Der kleine Gott im Flügelkleide mit der Binde vor den Augen
dünkte Karl dem Fünften ein ungeschickter Diplomat zu sein. Er hatte den
Marschallstab in die Hände einer frostigen Minerva im spanischen Habit gelegt,
deren Mission es war, jeden unberufenen Eindringling fortzuweisen; doch der
kleine Gott hatte sich unter das Ritterschild geduckt, er hatte sich eingeduckt in
die Ringelbahn, und trotz Herolden und Duennen bis in die Kammer von
Kaisers Schwester. Das war gegen alle Grandezza und Sitte, mit zerzausten
Flügeln floh der kleine Wilde das Hoflager des fünften Karls.
(Fortsetzung folgt.)
 
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