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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 116-129 (1. Oktober - 31. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43881#0509

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für
Dienstag den 27. October

* Ueber die Erzbischofswahl in Freiburg.
(Schluß.)
Die seit 1827 eingehaltene Praxis, fährt der Verfasser fort,
bezüglich der Wahlen des Domcapitels spricht dafür, daß vis Ne-
gierung das Recht wenigstens bis jetzt nicht beansprucht hat, alle
Kandidaten bis auf Einen als minder genehm zu erklären und die
Ergänzung der als legal und vollständig anerkannten Liste zu
verlangen.
Auf die Mittheilung der Liste der Candidaten für oie erst
jüngst besetzte Domdecanei erklärte Großh. Ministerium des Innern
durch Erlaß vom 6. December 1865 Nr. 17189 und 7. Sept.
1867 Nr. 11341, daß auf Verlangen einer legalen Liste „die das
Verwerfungsrecht beschränkende Bestimmung der Bulle in Anwen-
dung komme". Auf die Erklärung des Herrn Erzbischofs vom
2^-. Oct. 1867, dav die Regierung berechtigt sei, „den einen oder
anoern Candidaten als minder genehm zu bezeichnen, damit Er
alsdann einem der übrig gebliebenen das Domdecanat übertrage,"
erwiderte die Regierung am 1. Nov. 1867, daß von vier auf die
Liste gesetzten, „inländischen Candidaten zwei als nicht weniger ge-
nehm erklärt- werden. Durch Staatsministeral-Erlaß vom 14. Sept.
1867 wurde Geistlicher Rath Kübel und Pfarrer Miller als nicht
weniger genehm erklärt und der Herr Erzbischof ernannte den Er-
steren zum Domdecan.
Außer Logner und Brück, welche die Geschichte der Verhand-
lungen über das Concordat von 1827 behandelt haben, erklärt sich
auch Niebuhr und Mejer dafür, daß die Regierung die cit. Bulle
unbedingt angenommen, das Breve ihr kein weiteres Recht als diese
Bulle einräume, daß also die Regierung nur das Recht habe, die
Liste bis auf eine zur Wahl genügende Anzahl zu reduciren. So.
gar Staatsralh Nebenius) gibt zu, daß die Bulle aä äom. ZreA.
eust. die Norm für das Recht der Regierung sei, daß sie „die zur
Wahl noch hinlängliche Anzahl auf der vom Capitel vorgelegten
Liste stehen zu lasten habe."
Wie erwähnt, hat der heilige Stuhl wiederholt erklärt, daß
die Regierung die Kirchenpragmatik, folglich das daraus abstoßende
BisthumsfundationSinstrument, also auch das Recht aufgegeben
habe, daß der zu wählende Erzbischof der Regierung „wohlgefällig"
sein müsse. Diese habe vielmehr nur das Recht, die auf die Liste
gesetzten Candidaten bis auf drei als minder genehm aus der Liste
zu entfernen.
Aus dem Gesagten folgt:
1) Nach der Absicht des Uebereinkommens von 1827 soll die
Regierung es wohlwollend auf nehmen, wenn das Capitel die durch
ihre Frömmigkeit, Bildung, Weisheit und Standhaftigkeit als katho-
lische O.erhirten tauglichsten und würdigsten Candidaten auf die
Liste setzt. Sie soll also solche, welche diese Eigenschaften haben,
insbesondere wenn sie die wirklichen Rechte des Staats nicht ver-
letzen, nicht als minder genehm erklären. Bei dieser Verbindung
von Staat und Kirche soll das Capitel solche Priester auf die Liste
fetzen, welche im Besitz der kirchlich erforderlichen Eigenschaften und
keine durch ihr Verschulden dem Landesherrn unangenehme Per-
sönlichkeiten sind. Diese beiderseitigen Verpflichtungen sind aber
ihrer Natur nach nicht rechtliche, sondern moralische, und sie be-
ruhen auf dem Grundsätze der eoveoräiu inter Zseeräotiulll et Im-
perium.
2) Dagegen fordert das Princip der Trennung von Staat
und Kirche, der absoluten und allgemeinen Religionsfreiheit, die
Freiheit der kirchlichen Aemterbefetzung, also die Nichteinmischung
des Staats bei Besetzung des erzbischöflichen Stuhles.
Der indifferente oder gar der Kirche abgeneigte Staat ist gar
mchi in der Lage, zur Bestellung eines katholischen Oberhirten mit-
-uwirken.
3) Kraft positiven, gemeinen Rechts ist die Kirche befugt, die
kirchlichen Stellen ohne Einmischung der Negierung zu besetzen. Die
Mitwirkung derselben kann nach dem in der vorliegenden kirchlichen
Sache maßgebenden Kirchenrecht erst durch ein Privileg des heiligen
Stuhles rechtlich existent werden und sich nur so weit erstrecken,
als das Oberhaupt der Kirche conceoirt hat.
4) Tie badische Regierung Hal bei dem und durch den Ab-
schluß des Uebereinkommens von 1827 die Kirchenpragmatik auf-
gegeben. Sie hat damit zugesichert, die derselben entnommenen

Verordnungen von 1827 (Bislhumsfundations-Jnstrument) und
1830 nicht zu erlassen, d. h. sie hat sich verpflichtet, nichts der
Bulle Widerstreitendes anzuordnen. Die Bulle von 1827 und das
Bislhumsfundations-Jnstrument wurden von der Regierung am
gleichen Tage — 16. October 1827 — publicirt und zwar nur
die erstere im Regierungsblatt. Das Bisthumsfundations-Jnstru-
kauu also der Bulle nicht derogiren. Die Kirchenpragmatik und
das daraus abfließende Bisthumsfundations-Jnstrument von 1827
ist durch das Gesetz vom 9. Oct. 1860 aufgehoben.
5) Sie hat die erwähnte Bulle von 1827, insbesondere deren
Bestimmung über die Bischofswahl, einfach und ohne Bedingung
oder Vorbehalt angenommen. Ihre Seperatübereinkommen und ihre
stperaten Zusicherungen prävaliren als authentische Interpretation
oder als lex xartieularis der gemeinschaftlichen Erklärung der ober-
rheinischen Regierungen, welche indessen die cit. Bulle gleichfalls
acceptirt haben.
6) Sie hat hiernach das Breve nur in dem Sinne verlangt,
in welchem es vollkommen mit der Bulle übereinstimmt. Der heil.
Stuhl hat kein der Letzteren derogirendes d. h. das Recht der Re-
gierung erweiterndes Breve zugesagt.
Das Breve ist eine vom heil. Stuhle an das Capitel über die
Eigenschaften des zu Wählenden erlassene Instruction. Durch dessen
Inhalt wird nirgends das in der Bulle fixirte Recht der Regierung
abgeändert oder erweitert.
7) Das Breve bestimmt über die vorliegenden Frage nicht-
anderes als die Bulle, und nur im Allgemeinen. Die Bulle aber
begrenzt das Recht der Regierung und des Capitels, ist also als
Specmlgesetz maßgebend.
8) Durch die Annahme der Bulle und dadurch, daß die Re-
gierung sich mit diesem neben der Bulle bestehenden Breve beruhigt
hat, ist von der Regierung anerkannt, daß ihre Mitwirkung bei
der fraglichen Wahl durch die Bulle begrenzt ist.
9) In Preußen exiftirt kein solches Specialgesetz. Die preu-
ßische Negierung hat das sogenannte irische Veto nicht, wohl aber
haben es Hannover und die oberrheinischen Regierungen angenom-
men. Das Verfahren bei Besetzung der Bisthümer ist also in West-
preußen anders als in den letzteren Ländern, obgleich das Breve
von 1827 mit dem von 1831 fast gleichlautend ist.
10) Die Mitwirkung der Regierung bei der Besetzung der er-
ledigten erzbischöflichen Küche stützt sich so also hiernach und ge-
mäß tz 8. des Gesetzes vom 9. Oct. 1860 auf den Art. 1 der
Bulle »ä äom. Zrex. 6U>1. Sie ist hiernach darauf beschränkt,
daß ihr die vom Domcapitel in voller Freiheit aufgestellte Candi-
datenliste vorzulegen ist und daß sie daraus so viel als minder
genehm erklären darf, daß aus der übrig bleibenden Anzahl das
Capitel frei und canonisch wählen kann.
11) Die Regierung hat nicht das Recht, (gemäß der aufge-
gebenen Kirchenpragmalik) zu verlangen, daß nur ihr „wohlgefällige"
Personen auf tue Lifte gesetzt oder gewählt werden, noch, daß die
legal conftcirte und acceptirte Liste geändert oder ergänzt werde.
12) Da- Capitel ist nur berechtigt und verpflichtet. Eine Liste
der Candidaten in vorgeschriebener Weise aufzustellen, dem LandeL-
herrn zur Kenntniß zu bringen, unv auf Grund dieser Liste zu
wählen.
13) Die Regierung hat kein absolutes Veto, sondern nur das
Recht die erwähnte beschränkte Anzahl der auf der Liste stehenden
Candidaten als minder angenehm zu erklären. Daraus folgt ihre
Rechtspflicht, die zur Wahl erforderliche Anzahl der auf der Liste
befindlichen Candidaten nicht als minder genehm zu bezeichnen. *) Sie
darf ihr Privileg Nicht ausdehnen. und eine weitere Einwirkung
auf die Liste oder Wahl verlangen

1) Der heilige Stuhl hat ja in der cit. Note vom 24. September 1819
ausdrücklich erklärt, das von der Regierung beanspruchte, aber aufgegebene,
Beto, Alle auf der Liste befindlichen Candidaten bis auf Einen zu streichen,
sei eine vowiuLtio, welche der heilige Stuhl protestantischen Fürsten nicht gestatte.
2) Durch Breve vom 6. Juli 1868 hat der heilige Stuhl auf die Anfrage
des Capitels Freiburg vom 27. Mai 1868 erwidert: gemäß der Bulle uä stom.
greß. cu8toä. vom 11. April 1827 und dem Breve vom 28. Mai 1827 könne
vieles Capitel dem Begehren der Regierung, daß es seine Liste ändern oder
ergänzen solle, nicht entsprechen.
Das Domcapitel erwiderte mit Bezug hierauf am 18. Juli 1868 auf den
cit. Mrnisterial-Erlah von, 30. Mai 1868: es sei weder „berechtigt, noch ver-
pflichtet, die von ihm vorgelegte Candidatenliste vom 6. Mai 1868 zu ergänzen."
 
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