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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1868

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Nr. 27-39 (2.März - 30. März)
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«W. 34. _ Donnerstag des 19. März 1868.


Rede des Herrn vr. Frese im neu gegründeten
demokrat. Verein zu Mannheim.
vr. Frese erblickt in der zahlreichen Versammlung die Tbatsache,
daß die Dinge wieder zum Stehen gekommen. Nicht blos Staub-
wolken und Rückzugspolitik. Wir sind auch noch da und wir kom-
men zusammen, um zu überlegen, was uns Noth thut.
Die Lage eines Mannes kann sich ändern, seine Pflicht niemals.
Es ist dies im Privatleben, wie in der Politik der Fall. Die An-
wendung dieses Grundsatzes läßt uns in der Politik fragen, sind wir
noch vorhanden und was thun wir auf der Welt? Sind wir nur
das Pulver für hohenzollernsche Eroberungspolitik? Ist unsere Be-
stimmung Geld aufzubringen, soviel man in Berlin glaubt nöthig zu
haben? Hat das Volk nur deshalb seine Dichter und Denker gehabt,
ist die Nation nur fertig gemacht worden, um der Politik
von „Blut und Eisen" zu dienen? Schafft und erwirbt das Volk
nur, um Knöpfe und Litzen, Gewehre und Kanonen dafür anzuschaf-
fen? Ist wirklich die Aufgabe des Volkes: was zum Credo für ge-
wisse Leute geworden?
Merkwürdig, daß man nicht früher darauf gekommen, daß die-
selben Leute früher höhere Ziele der Nation aufgestellt und verfolgt
haben. Was ist anders geworden? Wurden auf den Schlachtfeldern
unser Denken und unsere Grundsätze vernichtet? Nein, die Nation
befindet sich in einer anderen Lage, aber sie hat noch dieselbe Pflicht.
Freie Männer müssen heute wie jemals darnach streben, Herr im
Hause zu sein; sie müssen höheren Interessen folgen, als denen, die
ein geistig und sittlich verkommenes Junkerthum vorschreiben will.
Redner hat mit Erstaunen gelesen, wie Herr Oettker sich über
den preußischen Partikularismus ausspricht; wie eine Ernüchterung
sich Bahn bricht. In Berlin herrscht nicht mehr die Politik Bismarck,
sondern die Politik Stieber. Die Preßverfolgungen, die Verfolgun-
gen von Plaut und Trabert sind Zeuge dessen. Auf diesem Wege
ist nichts zu hoffen; auf ihm kommt die preußische Militärpartei al-
lein zum Ziel, die Alles gemacht, die den Bruderkrieg von 1866 her-
vorgerufen.
Die Zollparlamentswahlen im Süden sind ein Protest gegen die
Verpreußung. Dieser und die Ernüchterung im Norden sind Zeichen
der Zeit. Man muß darauf achten. Sobald die Gewaltsströmung
den höchsten Punkt erreicht hat, ist es an uns, dieselbe zurückzudäm-
men. Wenn das Volk selbst etwas ans sich .macht, kann es etwas
erreichen. Drei Ansichten begegnet man hier. Es hilft alles nichts
mehr, man muß in den Nordbund hinein. Wenn Jemand sich weg-
werfen will, nun, mag es geschehen. Wenn aber ein Mann auf

Ehre hält, kann er die Hand nicht erfassen, die nicht rein ist, die das
Vaterland mit Bruderkrieg überzogen. Die Nation ist Preußen weit
über den Main entgegengezogen. Sie wurde zurückgestoßen, bis man
zum Kriege vorbereitet war, um auf seine Weise die Einheitsfrage zu
lösen. Will Jemand sein Volk erst gepeitscht haben, damit es hierauf
dem Peiuiger die Hand küsse, mit dem will Redner nichts gemein ha-
ben. Es gibt Leute, welche den Eintritt in den Nordbund beding-
ungsweise befürworten. Die Politik Bismarcks läßt sich aber keine
Bedingungen stellen: sie verlangt Unterwerfung auf Gnade oder Un-
gnade. Andere sagen, es ist nichts mehr zu machen; wir müssen die
Ereignisse abwarten. Diese Erscheinung läßt sich erklären. Wie oft
ist das Volk nicht betrogen worden; wie oft haben die gewählten Ver-
treter doch anders, als erwartet, beschlossen; muß ein Volk da nicht
den Glauben verlieren? Unthätig darf man aber nicht bleiben. Wenn
die alten Führer nicht taugen, so sage man sich von ihnen los. Nicht
blos Minister überleben sich, auch Volksführer. Da muß das Volk
selbst zusammentreten. Es ist die Aufgabe Aller: selbst Mann zu sein
und dann erst sich zu fragen, ob man an einen andern sich an-
schließen will.
Woher kommt die Mainlinie. Sie ist das Produkt der Ver-
abredung mit dem Ausland und die Reise des Prinzen Napoleon
scheint nichts anderes zu bedeuten, als an die Linie zu erinnern.
Die Folgen des Bruderkrieges machen sich sichtbar. Als das Volk
vie Lösung der deutschen Frage selbst in die Hand nehmen wollte,
kamen ihm verruchte Hände zuvor. Die Mainlinie, die Theilung
des Vaterlandes, ist der Fluch der bösen Thal.
Das Jahr 1866 ist plötzlich Hereingeorochen, das Volk wurde
betäubt; es verlor die Besinnung. In dieser Lage befinden wir
uns seit zwei Jahren. Das politische Leben hier, in Baden, im
Süden — Schwaben vielleicht ausgenommen — ist todt. Jeder
trug dazu bei; jeder muß bekennen, nicht seine volle Pflicht gethan
zu haben, um zu verhindern, was geschehen. Die Strafe der Ver-
säumniß ist, daß wir fünf Jahre brauchen, wieder gut zu machen,
was in zwei Jahren UebleZ geschehen.
Es soll anders werden. Gut. Man betrachte die politische
Arbeit als Tagesarbeit, denn die politischen Dinae sind solche, die
heute beginnen und in 10 Jahren wirken, die heute angefaßt wer-
den müssen, wenn wir nicht in 10 Jahren leiden wollen. Thun
wir, was die Natur thnt: Organisiren. Bilden wir Vereine, seien
wir thätig für Alles was im politischen Leben vorgeht, daß wir
Herr der Situation werden, daß wir in allen Fragen und Ange-
legenheiten die Entscheidung in unfern Händen haben. Es war
früher in Mannheim und Baden so — es kann wieder so fein.

Der schwarze Gentleman.
Lus den Erinnerungen eines Arztes.

(Fortsetzung.)
Aber Edmund ist zu ernst, zu sehr dem Studium ergeben, um einer zar-
teren Neigung eine bestimmte Gewalt über sich einzuräumen. Zwar ist sein
Wesen, wenn er mit Julien spricht, nicht mehr dasselbe. Seine Stimme wird
dann sanster und gefühlvoller, sein Auge Heller und freudiger. Aber er selbst
will sich das in ihm keimende Gefühl nicht eingestehen; statt sich ihm hinzu-
geben, kämpfte er dagegen an und suchte es sich zu verhehlen.
Seit Edmunds Rückkehr hat das Schloß den Charakter eines archäologischen
Museums angenommen. In den alterthümlich gewölbten Sälen haben die Maurer-
leute Nischen angebracht, welche allerlei seltsame Dinge beherbergen. Piedestalen
und Statuen, Sarkophagen und Ueberreste von uralten Papyrusrollen, ausge-
stopste Krokodile und kostbare Steine, und endlech einige Sphynxe, mit Glie-
dern aus polirtem Granit und starrenden Kinderaugen, das sind die Schmuck-
gegenstände der Zimmer, en denen Julie sich am häufigsten der Gesellschaft ihres
brüderlichen Lehrers erfreut, und zusammen suchen sie diese Schätze, welche aus
dem fernen Orient hierher, aus einein entfernten Jahrtausend in die Gegen-
wart versetzt sind, harmonisch zu ordnen und zu classificiren.
„Ei, was für ein schöner Ring!" ries eines Tages Julie, einen pracht-
vollen Amethyst aus seinem Gehäuse ziehend und an's Fenster tretend, um ihn
dort in besserer Beleuchtung spielen zu lassen.
Edmund war eben in das Studium eines beschädigten Papyrus vertieft,
und antwortete ohne von seiner Arbeit aufzublicken:
„Es freut mich, daß Du unter meinen seltsamen Siebenfachen gefunden
hast, was Dir gefällt".
„Du willst mir ihn also schenken, Edmund? Dank, tausend Dank! Sieh,
wie er mir steht! Du hast ihn wohl eigens für mich beim Goldschmied Sara-

stro's machen lassen, nicht wahr? Ei, wie herrlich!" fuhr sie fort, indem sie
den schönen Ring an die Sonne hielt und jubelnd herumtanzte. „Das ist
meine Eroberung, und wehe Dem, der sie mir entreißen will! Der Weg zu
meinem Ringe geht nur über mich hinweg!"
„Bedenkst Du auch, was Du da sagst?" erwiderte Edmund. „Bildet der
Ring fortan ein Theil Deines Selbst, so wird er einst dem gehören, welchem
Du Dich selbst zu eigen gibst. Möchte er das doppelte Geschenk, das Du ihm
damit machst, seinem ganzen Werthe nach zu würdigen wissen!"
„So sei's denn!" rief Julie lackend. „Das ist also mein Verlobungsring.
Er wird mir gewiß Glück bringen, denn er ist ein Talismans, ein Amulet,
nicht wahr? Sieh, es ist etwas daraus gravirt. Kannst Du's mir über-
setzen ?"
Damit neigte sie sich zu Edmund nieder. Dieser fürchtete für die Fetzen
des Papyrus, welche mit den Locken seiner lieblichen Gefährtin, in Berührung
kamen, deckte sorgsam ein Glas darüber und blickte dann zum ersten Mal auf
zu Julien. Aber in demselben Moment ergriff ihn ein eigenthümliches Miß-
behagen und unwillkürlich zuckte er zusammen, denn das Kleinod, welches er
am Finger Juliens sah, war der Ring des Amasis. Eme gewaltige Gemüths-
erschütterung versetzte ihn unter die Ruinen von Theben, vor die Mauern des
Ammontempels. Wieder sah er den jungen Kabylenhäuptling vor sich und
senkte das Auge vor dem durchbohrenden Blick desselben. Die in den Amethyst
gegrabenen Züge sprühten Flammen und in die Schwingungen dieser Licht-
wellen mischte sich ein schwaches, anscheinend aus weiter, weiter Ferne kom-
mendes Geräusch. Dieß Geräusch, welches den violetten Strahlenslammen des
Amethyst eine Sprache zu verleihen schien, gestaltete sich nach und nach zu be-
stimmten Worten. Wie in einem Traum wurde das Licht zur Stimme, der
Farbenglanz zum Orakel. Und die von den Flammen gesprochenen Worte waren
genau die des Kabylen:
„Ich gebe den Sterblichen ihr flüchtiges Glück und nehme es ihnen wie-
der. Keiner vermesfe sich, der Hand des Schicksals widerstehen zu wollen!"
(Fortsetzung folgt.)
 
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